Akteneinsicht für Beschuldigte
In der Strafprozessordnung ist festgelegt, dass jeder Beschuldigte und sein Anwalt in einem Ermittlungsverfahren oder Strafverfahren die Möglichkeit haben, Akteneinsicht zu beantragen. Auch die Besichtigung der Beweisstücke ist von diesem Recht umfasst. Wurde zum Beispiel eine Hausdurchsuchung durchgeführt, werden diese Unterlagen und ggf. Beweisstücke ebenfalls der Akte hinzugefügt.
Dies gilt sowohl für elektronisch geführte Akten als auch für herkömmlich auf Papier geführte Unterlagen. Letztere müssen nicht im Original herausgegeben werden, hier haben die Strafverfolgungsbehörden das Recht, Kopien gegen Gebühr anzufertigen und zu versenden.
Auch die Einsichtnahme in der jeweiligen Behörde kann eine Möglichkeit sein. Vor allem dann, wenn Sie als der Beschuldigte selbst Akteneinsicht möchten, wird Ihnen diese eher in der Behörde gewährt.
Wodurch erfahren Sie von der Beschuldigung?
Wird Ihnen ein Vergehen zur Last gelegt, erfahren Sie dies durch die Ermittlungsbehörden. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, mit denen Sie informiert werden:
- Vorladung bei der Polizei zur Beschuldigtenvernehmung
- Mitteilung der zuständigen Staatsanwaltschaft über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
- Übersendung des erlassenen Strafbefehls
Erhalten Sie eine Vorladung der Polizei, die Sie als Beschuldigter vernehmen möchte, können Sie automatisch davon ausgehen, dass gegen Sie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Bekommen Sie vom Staatsanwalt die Mitteilung über ein laufendes Ermittlungsverfahren, so kann bereits ein Teil der Ermittlungsarbeit geleistet sein. Wir Ihnen ein Strafbefehl übersendet, haben Sie zwei Wochen Zeit Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen.
Akteneinsicht für Geschädigte
Nicht nur der Beschuldigte oder Angeklagte hat das Recht, Akteneinsicht zu beantragen, sondern auch der Geschädigte und sein Anwalt. Dieses Recht nehmen Geschädigte häufig in Anspruch, denn zum Beispiel bei jedem Verkehrsunfall, der ein Bußgeld nach sich zieht, erfolgt die Erstellung einer polizeilichen Ermittlungsakte.
Je nach Verstoß werden dann die Akten an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, etwa, weil Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung erhoben werden wird.
Die in den Ermittlungsakten aufgenommen Feststellungen sind Grundlage, um bei der gegnerischen Versicherung Schadensersatzansprüche geltend machen zu können bzw. die Erfolgsaussichten dieses Vorgehens zu beurteilen. Das ist eine einfache, alltägliche Angelegenheit. Für die Verweigerung der Akteneinsicht gibt es üblicherweise keine Gründe.
Haben Nebenkläger auch ein Recht auf Akteneinsicht?
Gemäß der Strafprozessordnung haben auch Nebenkläger und ihre Anwälte das Recht, die Akten eines laufenden Ermittlungsverfahrens einzusehen. Wollen der Beschuldigte oder sein Anwalt hier Akteneinsicht beantragen, so kann diese durchaus mit dem Verweis auf die Gefährdung der Ermittlungen verwehrt werden. Schließlich bestünde die Gelegenheit, dass der Nebenkläger seine Aussage im Strafverfahren dem Wissensstand anpasst.
Auch eine mögliche Beeinflussung von Zeugen wird von den Ermittlungsbehörden als Grund für die Verweigerung der Einsichtnahme genannt. Letztendlich ist jeder Nebenkläger auch Zeuge.
Kommt es in einem Verfahren einzig und allein auf die Aussage des Nebenklägers an, ob eine Verurteilung des Angeklagten passieren kann, so machen die Behörden immer häufiger von ihrem Recht auf Verweigerung der Herausgabe von Ermittlungsakten und Strafakten Gebrauch.
Akteneinsicht beantragen: Richtige Dienststelle finden
Hier gilt es die richtige Dienststelle herauszufinden. In der Regel wird es sich hier um Ermittlungen in Unfallsachen handeln, dann ist die für den Unfallort zuständige Polizeidienststelle anzuschreiben. Haben Sie sich durch ein Vergehen etwas zu Schulden kommen lassen, dann richtet sich die Dienststelle nach dem Ort der Tat. Ein formloses Schreiben an die Polizei genügt, um Akteneinsicht zu beantragen.
Wann immer Ihnen oder Ihrem Anwalt die Tagebuchnummer der Polizei oder der Name des zuständigen Beamten bekannt ist, ist es von Vorteil, diese mit anzugeben. Das erspart den Beamten und Ihnen Zeit und Arbeit. Gleichzeitig können Sie in Ihrem Schreiben noch bitten, dass Ihr Schreiben für den Fall, dass die polizeilichen Ermittlungen bereits abgeschlossen sind, an die zuständige Staatsanwaltschaft oder Bußgeldstelle weitergeleitet wird.
Ist eine Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft möglich?
Liegt Ihnen bereits eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft vor oder ist Ihnen das Aktenzeichen, das immer das Registerzeichen Js, eine Zahl und hinter dem Schrägstrich die Jahreszahl als Bestandteil hat, schon bekannt, richten Sie Ihre Bitte um Akteneinsicht an die Staatsanwaltschaft.
Haben Sie bereits einen Anwalt mit Ihrer Vertretung beauftragt, so wird dieser das in der Regel von sich aus machen. Für ihn ist es wichtig, möglichst vielseitig und umfassend über die Vorgänge Bescheid zu wissen, um Sie erfolgreich vertreten zu können. Auch hier reicht ein formloses Schreiben, das aber Namen, Vorgang und Aktenzeichen beinhalten sollte.
Wo beantragen Sie die Akteneinsicht bei einem Gericht?
Sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bereits abgeschlossen und liegt Ihnen bereits der Strafbefehl vor, so ist das zuständige Gericht der richtige Ansprechpartner, wenn Sie oder Ihr Anwalt Akteneinsicht beantragen möchten. Mit der Angabe von Namen, Grund und Aktenzeichen kann das Gericht Ihr Schreiben schneller zuordnen und Ihr Anliegen früher bearbeiten.
Info: Dauer der Bearbeitungszeit
Rechnen Sie damit, dass es dauert, bis Ihnen die Papierakten übersandt oder die elektronische Akte zur Verfügung gestellt werden. Eine Bearbeitungszeit von mehreren Wochen – in der Regel mindestens zwei bis vier – ist normal. Zu frühe oder gar zu häufige Anfragen beschleunigen den Vorgang nicht.
Verweigerung der Akteneinsicht
Die Rechtsanwälte aller am Verfahren Beteiligten haben das Recht, sich Akteneinsicht zu verschaffen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um sich auf die Verteidigung im Strafverfahren vorzubereiten. Rechtsanwälten stehen hier sogar mehr Möglichkeiten offen, denn die Akteneinsicht für den Beschuldigten kann aus nachvollziehbaren Gründen eingeschränkt werden. Akteneinsicht wird bei der jeweiligen Behörde beantragt und ist an bestimmte Auflagen gebunden.
Im Ermittlungsverfahren und bei einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren entscheidet der Staatsanwalt darüber, ob der Bitte um Akteneinsicht stattgegeben wird. Im Strafverfahren selbst ist es die Sache des Gerichts, Akteneinsicht zu gewähren oder zu verweigern.
Kann das Recht auf Akteneinsicht eingeschränkt werden?
Das Recht auf Akteneinsicht kann eingeschränkt werden, um das laufende Ermittlungsverfahren nicht zu gefährden. So würde zum Beispiel der Beschuldigte erfahren, was die Ermittler bereits alles gegen ihn in der Hand haben. Auch die Namen und Anschrift der Zeugen könnte er dadurch erfahren. So manch ein Beschuldigter hatte schon versucht, diese – mit mehr oder weniger Druck – zu beeinflussen.
Möchte der Beschuldigte selbst Akteneinsicht beantragen, so wird dieses Verweigerungsrecht häufiger ausgeübt als wenn sein Rechtsanwalt Einsicht in die Akten möchte. Beim Weg über den Rechtsanwalt gehen die Behörden davon aus, dass dieser nicht mehr Details aus der Akte an seinen Mandanten weiterleitet, als für die Vertretung im Verfahren notwendig sind.
Insbesondere wird er auch Namen und Anschrift der Zeugen für sich behalten, wenn sein Mandant sie nicht unbedingt erfahren muss.
Tipp: Rechtsanwalt von Anfang an heranziehen
Haben Sie vor, sich in einem zu erwartenden Bußgeldverfahren oder Strafverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen, so sollten Sie diesen von Anfang an heranziehen. Er bekommt vielfach eine umfassendere Möglichkeit, alles Ihnen zur Last Gelegte aus den Ermittlungsakten zu entnehmen.
Kosten für das Beantragen der Akteneinsicht
Ganz ohne Kosten für den Verwaltungsaufwand, vor allem bei den herkömmlichen Papierakten, geht es nicht immer ab. Die Gebühren für die Akteneinsicht kann je nach Behörde und Bundesland unterschiedlich sein. Elektronische Akten können Sie in der Regel kostenlos anfordern. Für die Versendung von Papierakten fallen Gebühren an, die selten unter 12 EUR liegen.
Welche Gebühren hat die Akteneinsicht durch den Rechtsanwalt?
Beauftragen Sie einen Rechtsanwalt mit der Akteneinsicht, so kann dieser nach der Rechtsanwaltsgebührenordnung einen variablen Betrag dafür verlangen. Nach Nr. 4100 RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) hat der Anwalt hier einen Spielraum zwischen einem Betrag von 40 EUR bis 360 EUR.
In der Regel wird er für die Akteneinsicht eine Gebühr verlangen, die sich am unteren Satz orientiert. Umfangreiche Akten zu bearbeiten und sich das Wissen anzueignen kann jedoch nahezu eine Tagesarbeit sein. Dann ist ein Betrag an der Höchstgrenze nicht zu viel verlangt.
Die Kosten der Akteneinsicht setzen sich wie folgt zusammen:
- Gebühr nach Nr. 4100 VV RVG
- Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG
- Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) nach Nr. 7008 VV RVG
Für die durch den Anwalt angefertigten Kopien der Akte darf er die sogenannte “Dokumentenpauschale” verlangen. Sie beträgt nach Nr. 7000 VV RVG beträgt für die ersten 50 Seiten je 0,50 EUR. Für jede weitere Seite fallen 0,15 EUR an, jeweils netto.
Tipp: Rechtsschutzversicherung übernimmt Kosten
Haben Sie eine Rechtsschutzversicherung, so übernimmt diese die Kosten für die Akteneinsicht im Rahmen der Kostendeckungszusage für das gegen Sie laufende Verfahren. Ihren Anwalt müssen Sie dafür nicht gesondert bezahlen.
Akteneinsicht beantragen – auf eigene Faust oder mit Anwalt?
Dass Akteneinsicht für den Beschuldigten eingeschränkt werden kann, haben Sie bereits aus unserem Artikel erfahren. Möchten Sie sich jedoch erst ein Bild verschaffen, ob Sie überhaupt einen Anwalt beauftragen sollen oder einen eventuellen Strafbefehl gegen Sie ohne Widerspruch und ohne Gerichtsverfahren annehmen werden, kann es durchaus sinnvoll sein, die Akteneinsicht selbst zu beantragen.
Andererseits haben Sie mit einem Anwalt, der für Sie Akteneinsicht beantragen wird, gleich einen kompetenten Partner an der Seite, der Ihnen zur richtigen Entscheidung rät.