Bei einer Massenentlassung verlieren eine Vielzahl von Arbeitnehmern auf einmal ihren Job. Dabei ist eine derartige Maßnahme an strenge Regeln geknüpft – Arbeitgeber können ihre Mitarbeitenden nicht willkürlich entlassen. Betroffene sind deshalb gut beraten, ihre Rechte zu kennen. Wir erklären Ihnen, welche Voraussetzungen bei Massenentlassung gelten, welche Fehler zur Unwirksamkeit führen und welche Optionen Arbeitnehmer haben, dagegen vorzugehen.
Was ist eine Massenentlassung? – Definition
Der Begriff Massenentlassung bezeichnet im Arbeitsrecht die gleichzeitige Beendigung zahlreicher Arbeitsverhältnisse durch den Arbeitgeber mittels Kündigung. Anwendung findet diese Maßnahme in erster Linie in Krisenzeiten, die einen Personalabbau unumgänglich machen. Um Beispiele zu nennen:
- strukturelle Probleme,
- finanzielle Engpässe,
- Absatzschwierigkeiten,
- personelle Überbesetzung.
Hinweis: Auslegung „gleichzeitig“
Gleichzeitig meint in Zusammenhang mit einer Massenentlassung einen Zeitraum von 30 Kalendertagen. Die Kündigungen werden mitunter also nicht am selben Tag ausgesprochen, wohl aber aufeinanderfolgend innerhalb von 30 Tagen.
Ab wie vielen Kündigungen eine Massenentlassung vorliegt, bemisst sich dabei an der Betriebsgröße und der Anzahl an Mitarbeitern insgesamt. Hier kommen sogenannte Schwellenwerte zum Tragen.
Schwellenwert bei Massenentlassung nach dem KSchG
§ 17 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) legt die Schwellen für Massenentlassungen fest. Dabei verwendet der Gesetzgeber den Wortlaut „anzeigepflichtige Entlassungen“. Die Bezeichnung Massenentlassung taucht in dem Gesetzesabschnitt nicht auf. Was es mit der Anzeigepflicht auf sich hat, erklären wir im weiteren Verlauf genauer.
Folgende Staffelungen sind für eine Massenentlassung nach dem Gesetz vorgesehen:
- in Betrieben mit mehr als 20 und weniger als 60 Angestellten liegt der Schwellenwert bei mehr als fünf Arbeitnehmenden.
- in Unternehmen mit mindestens 60 und maximal 500 Angestellten, liegt eine Massenentlassung vor, wenn mindestens 10 % oder mehr als 25 der regelmäßig Beschäftigten die Kündigung gleichzeitig erhalten.
- bei einer Betriebsgröße von mehr als 500 liegt Schwellenwert einer Massenentlassung bei mindestens 30 Mitarbeitenden.
Weil eine derartige Maßnahme einen empfindlichen Einschnitt für die Betroffenen bedeutet, müssen sich Arbeitgeber an bestimmte Regeln halten.
Massenentlassung: Voraussetzungen für Arbeitgeber
Sobald ein Arbeitgeber innerhalb von 30 Tagen Mitarbeitende ab einem festgelegten Schwellenwert kündigt, liegt eine Massenentlassung vor, die ihn zur Einhaltung bestimmter Vorgaben verpflichtet. Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, muss dieser von der geplanten Maßnahme unterrichtet werden. In dem Zuge muss Raum für einen Austausch geschaffen werden. Betriebsrat und Arbeitgeber müssen sich gemeinsam über die Massenentlassung beraten – dazu dient ein sogenanntes Konsultationsverfahren. Nach Abschluss erstellt der Betriebsrat eine Stellungnahme, die der Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit beigelegt wird. Das dient unter anderem als Nachweis, dass die Arbeitnehmervertretung hinzugezogen wurde.
Wichtig: Anzeige der Massenentlassung
Bei Massenentlassung besteht grundsätzlich Anzeigepflicht gegenüber der Arbeitsagentur. Kommt ein Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, gelten die Kündigungen als unwirksam. Gleiches gilt bei einer fehlerhaften Anzeige. Entsprechende Urteile dazu hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bei Massenentlassung in zwei Fällen Ende Oktober 2025 gefällt.
Bei einer Massenentlassung ohne Betriebsrat gestaltet sich der Ablauf für den Arbeitgeber einfacher. Zwar ist er nicht von der Pflicht befreit, die Massenentlassung anzuzeigen. Erleichterung gibt es aber hinsichtlich Interessenausgleich und Sozialplan. Hier entfällt jegliche Verpflichtung.
Wurde die Behörde über die geplante Maßnahme in Kenntnis gesetzt, tritt nach § 18 KSchG eine Entlassungssperre in Kraft. Die bewirkt, dass Kündigungen im Rahmen einer Massenentlassung erst 30 Tage nach Eingang der Anzeige bei der Arbeitsagentur wirksam werden, sofern nicht früher eine Zustimmung durch die Behörde erfolgt.
Achtung: Die Sperrfrist bezieht sich nicht auf die Kündigung an sich. Ihr Arbeitgeber kann Ihnen direkt nach der Anzeige kündigen. Die 30-tägige Frist legt lediglich fest, dass das Arbeitsverhältnis nach einer Massenentlassung noch mindestens über diesen Zeitraum bestehen muss. In Ausnahmefällen kann die Arbeitsagentur diese Frist um einen Monat auf zwei Monate verlängern.
Fehler bei Massenentlassung: Dann ist Maßnahme unwirksam
Ein gleichzeitiger Abbau zahlreicher Arbeitsplätze kann aus unterschiedlichen Gründen unwirksam sein. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Arbeitgeber nicht an die gesetzlichen Vorgaben nach dem Kündigungsschutzgesetz und dem Dritten Sozialgesetzbuch (SGB III) hält. Wir nennen Ihnen einige typische Fehler.
- Fehlende Anzeige bei der Agentur für Arbeit: Ehe es zu einer Massenentlassung kommt, muss die Agentur für Arbeit darüber informiert werden. Erfolgt das nicht, sind die Kündigungen unwirksam. Das gilt auch bei einer verspäteten Anzeige sowie bei falschen oder unvollständigen Angaben.
- Fehler im Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat: Wird der Betriebsrat vor einer Massenentlassung nicht oder unzureichend informiert, hat das zur Folge, dass die Maßnahme nichtig ist. Die Arbeitnehmervertretung muss eine Stellungnahme abgeben. Fehlt die, ist das Verfahren fehlerhaft.
- Fehler bei der Sozialauswahl: Auch bei einer Massenentlassung muss mittels Sozialauswahl in Einzelfällen entschieden werden, wer gehen muss. Wählt ein Arbeitgeber die falschen Personen aus, kann das zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen.
- Individuelle Fehler bei der Kündigung: Eine Kündigung muss einer gewissen Form entsprechen. Tut sie das nicht, kann das zur Ungültigkeit führen. Ein Arbeitsverhältnis muss bspw. unter Berücksichtigung der jeweiligen Kündigungsfrist und in Schriftform beendet werden. Fallen Ihnen diesbezüglich Fehler auf, besteht die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage – auch bei Massenentlassung.
Arbeitnehmerrechte bei Massenentlassung: Das ist wichtig
Eine Kündigung im Zuge einer Massenentlassung ist grundsätzlich eine betriebsbedingte Kündigung. Schon allein daraus ergeben sich bestimmte Rechte für betroffene Arbeitnehmer. So muss grundsätzlich das Kündigungsschutzgesetz Beachtung finden. Demnach haben Betroffene Anspruch auf: eine korrekte Sozialauswahl, die Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfrist, eine Kündigung in Schriftform und die Beteiligung des Betriebsrates, sofern einer vorhanden ist.
Bestimmungen für besonders geschützte Personengruppen müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Schwangere, Menschen mit Behinderung, Betriebsratsmitglieder und Auszubildende etwa sind nicht ohne weiteres kündbar.
Ein zentrales Thema, das im Zuge einer Massenentlassung auch immer wieder aufkommt, ist die Zahlung einer Abfindung.
Wichtig: Anspruch auf Abfindung
Einen Anspruch bei Massenentlassung auf Abfindung gibt es in der Regel nicht. Generell handelt es sich vielmehr um eine freiwillige Leistung, die oft gezahlt wird, um eine Kündigungsschutzklage zu verhindern.
Ob Sie eine Abfindung aushandeln können, hängt vor allem von den Erfolgschancen einer Klage ab. Droht ein zeitraubender Rechtsstreit, zeigen sich Arbeitgeber in der Regel großzügig. Einen Anspruch auf eine Kündigungsschutzklage haben Sie dabei in jedem Fall.
Möchten Sie mittels Klage gegen Ihre Kündigung im Zuge einer Massenentlassung vorgehen, müssen Sie innerhalb drei Wochen nach Zugang des Schreibens Klage erheben. Sinn und Zweck ist:
- die Unwirksamkeit der Kündigung feststellen zu lassen,
- eine Abfindung zu erzielen,
- eine Weiterbeschäftigung zu erwirken.
Stellt sich dabei heraus, dass Ihr Arbeitsverhältnis unwirksam beendet wurde, haben Sie einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
Was viele dabei nicht wissen: Kommt es zu einer Massenentlassung von Angestellten in der Probezeit, gelten ebenso strengere Vorschriften. Auch wenn Kündigungen in der Regel leichtfertig ausgesprochen werden können und eine verkürzte Kündigungsfrist gilt, müssen Arbeitgeber Bedingungen erfüllen. Tun sie das nicht, bestehen die Arbeitsverhältnisse fort.
Massenentlassung in der Probezeit: die Regelungen
Auch bei massenhaftem Stellenabbau in der Probezeit gilt: Die Kündigungen müssen der Arbeitsagentur angezeigt werden. Erfolgt das nicht oder zu spät, sind die Kündigungen unter Umständen nichtig.
Ebenso muss eine Kündigung in der Probezeit fehlerfrei sein und der geforderten Schriftform entsprechen. Einen Grund muss der Arbeitgeber jedoch nicht nennen.
Wichtig: Kündigungsfrist
Auch wenn bei einer Massenentlassung eine Sperrfrist von mindestens einem Monat eintritt, gilt für Angestellte in der Probezeit weiterhin die Kündigungsfrist von zwei Wochen.
Alternativen zur Massenentlassung: Diese Optionen bieten sich
Zu einer Massenentlassung kommt es in aller Regel, wenn ein Unternehmen bspw. in wirtschaftliche Schieflage geraten ist, die Bilanz verbessert werden soll oder aufgrund von veränderten Marktbedingungen eine Umstrukturierung vorgenommen wird. Es kommen also ausschließlich betriebsbedingte Gründe infrage.
Mitunter kann eine derart empfindliche Maßnahme jedoch auch umgangen werden. Wir nehmen einige Beispiele in den Blick.
- Kurzarbeit: Ehe es zu einer Massenentlassung in Deutschland kommt, können Arbeitgeber auf Kurzarbeit zurückgreifen. Dabei werden Arbeitszeit und Lohn vorübergehend reduziert. Betroffene erhalten vom Staat Kurzarbeitergeld. Das verschafft Unternehmen Luft, Arbeitsplätze bleiben erhalten.
Hinweis: Massenentlassung während Kurzarbeit
Eine Massenentlassung während Kurzarbeit ist zwar möglich. Es gelten aber strenge gesetzliche Vorgaben. Ihr Arbeitgeber muss z.B. nachweisen, dass ein dauerhafter Personalabbau trotz verringerter Arbeitszeit nötig ist. In der Regel muss ein unerwarteter Grund vorliegen, der den Wegfall der Arbeitsplätze rechtfertigt. Sind Sie von einem Stellenabbau während Kurzarbeit betroffen, ist anwaltlicher Rat empfehlenswert.
- Veränderungen im Betrieb: Betriebliche Veränderungen im Sinne von internen Versetzungen oder Umstrukturierungen können mitunter für Entspannung sorgen und eine Massenentlassung verhindern.
- Änderungskündigung: Eine Änderungskündigung anstelle Massenentlassung bietet sich an, sofern Sie als Angestellter bereit sind, Ihr Arbeitsverhältnis zu veränderten Konditionen fortzuführen. Die können sich auf das Gehalt, aber auch eine Arbeitsplatzveränderung oder eine Versetzung an einen anderen Standort beziehen.
- Aufhebungsvertrag: Bei einem Aufhebungsvertrag einigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt – und ggf. zu bestimmten Konditionen. Oft geht damit einer Abfindung einher. Bei einer Massenentlassung kann ein Aufhebungsvertrag sinnvoll sein. Treffen Sie jedoch keine vorschnelle Entscheidung. Wägen Sie ab und lassen Sie sich ggf. anwaltlich beraten.
Hat sich Ihr Arbeitgeber aus Mangel an einer reellen Alternative zu einer Massenentlassung entschlossen, bedeutet das nicht zwingend, dass Sie von heute auf morgen Ihren Arbeitsplatz verlieren. Transfergesellschaften bieten die Möglichkeit, Kündigungen abzufedern.
Transfergesellschaft bei Massenentlassung: Vorteile für Arbeitnehmer
So einschneidend ein Arbeitsplatzverlust auch ist – besteht für Sie die Option, bei Massenentlassung in eine Transfergesellschaft zu wechseln, verschafft Ihnen das mitunter Zeit, einen neuen Job zu finden und mildert die Konsequenzen ab.
Hinweis: Transfergesellschaft
Eine Transfergesellschaft ist ein externer Arbeitgeber, der Sie für eine Übergangszeit übernimmt und weiterbeschäftigt. Der Wechsel erfolgt freiwillig und geht oft mit einem Aufhebungsvertrag einher.
Anwalt nehmen bei Massenentlassung: Ist das sinnvoll?
Eine Massenentlassung basiert immer auf einem betriebsbedingten Grund. Dass dabei Fehler passieren, ist keine Seltenheit. Neben den Anforderungen, die eine Kündigung erfüllen muss, um wirksam zu sein, gehen weitere Bedingungen in Zusammenhang mit dem Entlassungsverfahren einher. Das sorgt für zusätzliche Fehlerquellen. Allem voran eine fehlende Anzeige bei der Agentur für Arbeit.
Deshalb empfiehlt es sich, im Falle einer Massenkündigung einen Anwalt hinzuzuziehen. Selbst wenn sich eine Kündigung nicht zwingend abwenden lässt – entsprechende Hilfe bewahrt Sie vor Fehlern, bspw. durch eine vorschnelle Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag. Zudem unterstützt Sie ein Anwalt bei der Aushandlung einer Abfindung.
Quellen:
- Urteile des EuGH zu Massenentlassungen: C-402/24 und C-134/24
- § 17 KSchG
- § 18 KSchG
- SGB III