Straining – was ist darunter zu verstehen?

Der Begriff Straining stammt vom englischen Verb “to strain” ab. Das bedeutet so viel wie “ziehen” oder “dehnen” und bezieht sich in dem Zusammenhang auf den Arbeitsalltag des Betroffenen. Die Minuten, Stunden und Tage ziehen sich scheinbar endlos hin, Langeweile dominiert. Der Arbeitnehmer wird von Entscheidungen abgezogen, obwohl diese immer in seinem Zuständigkeitsbereich lagen. Und auch sonstige Aufgaben werden umverteilt und erreichen den Betroffen nicht mehr.

Ziel von Straining am Arbeitsplatz

In den vergangenen Jahren hat sich zunehmend gezeigt, dass immer mehr Arbeitgeber versuchen, zu alt oder zu teuer gewordene Mitarbeiter mittels Aufgabenentzug zur Kündigung zu bewegen. Andere Möglichkeiten scheinen für Arbeitgeber mit Blick auf das Kündigungsschutzgesetz aussichtslos – bzw. aufgrund hoher Abfindungszahlungen zu teuer.

Langeweile birgt Gefahren

Chronische Unterforderung ist nicht zu verharmlosen, denn sie kann zum Boreout führen. Demnach kann ein Boreout aus Straining resultieren.

Hinweis: Boreout
Das Boreout wird mittlerweile ebenso als Krankheit anerkannt wie das Burnout. Dabei ähneln sich die Symptome: Unwohlsein, Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen etc.

Stellt sich also die Frage: Handelt es sich um eine Form des Mobbing, wenn ein Boreout durch Straining bewusst provoziert wird?

Straining: Gravierende Persönlichkeitsverletzung

Juristisch ist Straining als Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB) einzuordnen. Demnach gilt es als vorsätzliche oder fahrlässige Handlung, die u.a. die Gesundheit eines anderen verletzt. Und das kann mit einem Schadensersatz geahndet werden.

Doch muss hierbei genau differenziert werden, wann Mobbing bzw. Straining vorliegt. Die einmalige Vergabe einer Aufgabe an einen anderen Kollegen reicht nicht aus. Wenngleich auch lediglich eine feindselige Handlung als Straining ausgelegt werden kann.

Dennoch: Da Straining auch als Mobbing ausgelegt wird, empfehlen wir, sich an den Voraussetzungen zu orientieren, die klassisches Mobbing definieren:

  • Systematische Handlungen: Einmaliges Fehlverhalten lässt sich als Ausrutscher auslegen. Die Handlungen vom Arbeitgeber oder den Kollegen müssen also systematisch und zielgerichtet erfolgen. Dabei stellt das Ziel die Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers dar.
  • Längerer Zeitraum: Fühlen Sie sich gemobbt, dokumentieren Sie alle Vorfälle, die auf Mobbing bzw. Straining schließen lassen. Es muss über einen längeren Zeitraum stattfinden.

Die vier Phasen des Strainings

Der Arbeitspsychologe und Professor Harald Ege hat Straining untersucht und gilt als Namensgeber dieses Phänomens. Im Ergebnis seiner Arbeit teilt er Straining in vier typische Phasen ein:

  1. Aufgabenentzug
    Dem Betroffenen werden Zug um Zug immer mehr Aufgaben entzogen. Anders als beim Mobbing – hier kommt es in aller Regel zu einer aktiven Konfrontation – handelt es sich um einen schleichenden Prozess, der im Ergebnis dazu führt, dass der Arbeitnehmer zur Untätigkeit gezwungen wird.
  2. Langeweile
    Der betroffene Mitarbeiter muss wie gewohnt zur Arbeit erscheinen, zu tun hat er aber nichts. Das führt zum einen zu andauernder Langeweile. Zum anderen signalisiert es, dass der Arbeitsplatz langfristig überflüssig ist.
  3. psychischer Druck
    Die künstlich hergestellte Stresssituation setzt den Arbeitnehmer zunehmend unter Druck. Er zweifelt an seiner Daseinsberechtigung – was vom Täter durchaus gewünscht ist. Das führt in vielen Fällen unweigerlich zu gesundheitlichen Konsequenzen, physisch wie auch psychisch.
  4. Kündigung
    Am Ende steht der Verlust des Arbeitsplatzes. Dabei entschließen sich Betroffene entweder selbst zu kündigen. Alternativ werden sie gegangen. Der Arbeitgeber argumentiert dann, dass es keine Verwendung für den Betroffenen gäbe.

Hinweis: Vorkommen von Straining
Selten geschweige denn neu ist Straining laut Ege nicht. Er schätzt, dass Straining rund 60 % aller Mobbing-Fälle in Deutschland ausmachen – bei einer weitaus höheren Dunkelziffer.

Eine aktuelle Umfrage von Statista in Kooperation mit YouGov belegt: Fast 30 % der Deutschen wurden an ihrem Arbeitsplatz schon einmal gemobbt.

Anzeichen: Wie Sie Straining erkennen

Bei Straining handelt es sich in erster Linie um den Aufgabenentzug auf der Arbeit, woraus sich psychische und physische Konsequenzen für Betroffene ergeben können. Um sich aber gerichtlich dagegen zu wehren, muss eine Beständigkeit der Schikanen gegeben sein.

Folgende Aspekte können Ihnen dabei helfen, einzuordnen, ob es sich bei Ihnen um Straining handelt:

  • Ihnen wird permanent Arbeit entzogen.
  • Der Aufgabenentzug dauert bereits mindestens sechs Monate an.
  • Sie befinden sich in einer unterlegenen Position zu dem Täter.
  • Sie haben die ersten zwei Phasen des Vier-Phasen-Modells erreicht.
  • Sie erkennen ein klares Ziel in der strategischen Diskriminierung.

Straining: Diese Möglichkeiten haben Sie

Lassen Sie sich Straining nicht gefallen. Dokumentieren Sie alle Vorkommnisse, die auf Straining schließen lassen. Kommt es zu rechtlichen Schritten, können Sie belegen, wann und wie Sie Straining erfahren haben. Grundsätzlich hilft Ihnen eine Dokumentation dabei, Ihre Angaben zu stützen.

Im ersten Schritt ist es sicherlich immer ratsam, das Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten zu suchen. Versuchen Sie herauszufinden, ob es einen Grund gibt, der Ihren Arbeitgeber dazu bewegt, Ihnen Arbeit „abzunehmen”.

Wichtig: Protokoll führen
Es ist wichtig, dass Sie alle Schritte, die Sie unternehmen, um Ihre Situation zu verbessern, protokollieren. Das schließt auch ein Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber ein.

Ist ein Gespräch für Sie keine Option oder verläuft es nicht zielführend, bleiben Ihnen folgende Optionen:

Proaktives Vorgehen
Lassen Sie sich nicht zur Langeweile verdonnern. Bleiben Sie proaktiv und bemühen Sie sich weiterhin um Aufgaben. Auch wenn es schwer fällt, kann das der Anreicherung Ihrer Dokumentation dienen. Von einem möglichen Vorwurf der Untätigkeit seitens Ihres Arbeitgebers können Sie sich im Zweifelsfall schnell freisprechen.

Einen Anwalt zu Rate ziehen
Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Ihre Situation einschätzen und Ihnen Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Ist eine Dokumentation vorhanden, bieten sich dabei mehr Ansätze.

Vor allem aber kann ein Rechtsanwalt Ihren Beschäftigungsanspruch durchsetzen. Schon aus dem Arbeitsvertrag ergibt sich, dass Ihnen Ihr Arbeitgeber Ihre vertragliche Beschäftigung nicht einfach so entziehen darf.

Ist das für Sie keine Option, kann er Sie dabei unterstützen, ggf. einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung zu erwirken. Darüber hinaus hat ein auf Arbeitsrecht spezialisierter Anwalt auch immer mögliche Konsequenzen bezüglich Sperrzeiten von Arbeitslosengeld I im Blick und kann Sie dahingehend beraten.

Hinweis: Rechtsschutzversicherung
Rechtsschutzversicherungen decken in der Regel auch Beratungsleistungen bei Mobbingfällen. Sind Sie rechtsschutzversichert, fällt Ihr Kostenrisiko also gering aus.

Betriebsrat kontaktieren
Gibt es in Ihrem Unternehmen einen Betriebsrat, stellt auch dieser eine Anlaufstelle für Sie dar. Er kann Ihnen Wege aufzeigen, wie Sie sich in Ihrer Situation am besten verhalten.

Kündigung
Kommt es in Unternehmen zu Mobbing bzw. Straining, ist das Arbeitsverhältnis zumeist nicht reparabel. Überlegen Sie sich daher genau, ob Sie weiter in dem Unternehmen arbeiten wollen und schauen Sie sich frühzeitig nach einer neuen Anstellung um – auch zum Schutz Ihrer Gesundheit.