Es scheint dahin: Das harmonische Bild vom naturnahen Urlaub im eigenen Reisemobil. Denn Reise- und Wohnmobile sind alles andere als umweltverträglich. Seit Neuestem gelten sie als echte Dreckschleudern auf der Straße. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat festgestellt: Die Stickoxid-Abgaswerte von Reise- und Wohnmobilen liegen weit über den gesetzlich festgelegten Grenzwerten. Auch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat das bereits teilweise bestätigt und prüft rechtliche Schritte.
Herstellerübergreifende Manipulationsvorwürfe
Dabei konzentrieren sich die Behörden vor allem auf den Autobauer Fiat Chrysler Automobiles (FCA, jetzt Stellantis). Der Grund: Viele Hersteller von Reise- und Wohnmobilen setzen auf den Fiat Ducato mit Multijet-Motor als Basisfahrzeug. Doch auch die Schwestermarke Iveco wird durchleuchtet. Iveco-Dieselmotoren sind ebenfalls gefragte Motoren, wenn es um die technische Ausstattung von Reise- und Wohnmobilen geht. VW und Daimler reihen sich ebenfalls in die Riege der Manipulationsvorwürfe ein.
Das gesamte Ausmaß des Skandals ist bisher noch nicht bekannt. Das KBA hat vorerst mehrere Daimler-, Iveco- und VW-Fahrzeuge zurückgerufen, die als Basis für Wohnmobile dienen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist das nur der Anfang einer Rückrufwelle. Insbesondere bei Fiat und Iveco kann von weiteren Rückrufen ausgegangen werden.
Ermittlungen gegen Motorenhersteller laufen
Im Juli 2020 durchsuchte die Staatsanwaltschaft Frankfurt die deutschen Niederlassungen des FCA-Konzerns und des Tochterunternehmens Iveco. Bisher haben die Ermittlungen ergeben, dass alle Fiat- und Iveco-Diesel-Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 und 6 vom Wohnmobil-Abgasskandal betroffen sind. Weitere Ermittlungen dauern an.
Seitens des KBA gibt es bis dato keine genauen Angaben darüber, welche Wohnmobil-Modelle von welchem Hersteller Unzulässigkeiten vorweisen. Auch über die Art illegaler Abschalteinrichtungen herrscht Stillschweigen. Die DUH hingegen hatte im Januar und April 2021 zweierlei Ergebnisse von Abgasmessungen an das KBA übermittelt. Auf dem Prüfstand: der Fiat Ducato 130 Multijet Euro 6 und der VW T5 2.0 TDI California Euro 5.
Gesamte Wohnmobilbranche betroffen
Aufgrund der herstellerübergreifenden Manipulationen an den Motoren kann davon ausgegangen werden, dass der Dieselskandal die gesamte Reise- und Wohnmobilbranche betrifft. Mehr als 50 Wohnmobil-Hersteller greifen für Ihre Fahrzeuge auf Fahrgestelle von Daimler, VW, Fiat und Iveco zurück – alle darin verbauten Motoren stehen unter Verdacht, manipuliert worden zu sein.
Das Ergebnis: Reisemobile stoßen im Straßenbetrieb weitaus mehr Schadstoffe aus, als im Prüfstand. Die Art der Manipulation unterscheidet sich dabei je nach Hersteller.
- Fiat und Iveco setzen im Abgasskandal auf eine Abschalteinrichtung, die nur im Prüfstand aktiv ist. Nach exakt 22 Minuten – so lange dauert in etwa der Testzyklus – soll sich die Abgasreinigung vollständig abschalten.
- Die Daimler AG hat die Motoren in ihren Fahrgestellen so konzipiert, dass die Abgasreinigung nur während offizieller Zulassungstests funktioniert.
- VW manipuliert mittels einer sogenannten Akustikfunktion. Dabei handelt es sich um eine Software, die die Motorensteuerung so manipuliert, dass der Schadstoffausstoß bei stillstehendem Lenkrad deutlich reduziert wird. Die Software wertet das stillstehende Lenkrad als Prüfsituation.
Wohnmobil-Abgasskandal: betroffene Modelle
Ermittlungsergebnissen der Frankfurter Staatsanwaltschaft zufolge, wurden folgende Dieselmotoren von Fiat und Iveco manipuliert.
- 1.3 Liter Multijet
- 1.3 Liter 16V Multijet
- 1.6 Liter Multijet
- 1.6 Liter
- 2.0 Liter Multijet
- 2.0 Liter
- 2.2 Liter Multijet II
- 2.3 Liter
- 2.3 Liter Multijet
- 3.0 Liter
Dabei kann davon ausgegangen werden, dass alle Wohnmobile der Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6, die auf Basis von Fiat- und Iveco-Fahrzeugen gebaut wurden, vom Skandal betroffen sind. Die Motoren wurden in Fahrzeugen mit den Baujahren 2014 bis 2019 verbaut.
Bei Daimler finden sich die manipulierten Motoren vor allem in den Modellen Marco Polo, V-Klasse, Vito, Viano und Sprinter. Konkret geht es um folgende Motortypen:
- OM 622
- OM 626
- OM 651
Beim VW-Konzern sind die manipulierten Motoren in den Modellen T5, T6 und Crafter verbaut. Die entsprechenden Motortypen:
- EA 189
- EA 288
Möchten Sie prüfen, ob Ihr Wohnmobil vom Dieselskandal betroffen ist, werfen Sie einen Blick in Ihre Fahrzeugpapiere. Im Service-Heft ist häufig verzeichnet, welcher Motortyp in Ihrem Fahrzeug verbaut ist.
Wir haben Ihnen außerdem Listen aller voraussichtlich vom Dieselskandal betroffenen Reise- und Wohnmobil-Modelle auf dieser Seite zusammengestellt. Hier geht’s zu den Listen.
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Urteile im Wohnmobil-Abgasskandal
Der Wohnmobil-Abgasskandal ist noch verhältnismäßig jung, Rückrufe betroffener Modelle gibt es bislang kaum. Das heißt aber nicht, dass Wohnmobilbesitzer keinen Anspruch auf Schadenersatz haben. Und so häufen sich die Klagen gegen Fiat, Iveco, Mercedes und VW. Viele Gerichte urteilen dabei zugunsten der Verbraucher. Gegen Fiat sind von verschiedenen Landgerichten bereits mehrere Urteile ergangen.
Auch Daimler wird von den Gerichten wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen nicht geschont. Vor allem der Motortyp OM 651 fährt dem Autobauer immer wieder zu leistende Schadensersatzzahlungen ein. So urteilte auch das Oberlandesgericht (OLG) Köln verbraucherfreundlich (Az. 7 U 35/20). Mehrere Hersteller von Reisemobilen wie beispielsweise Hymer, Pilote und Bürstner verbauen in ihren Reise- und Wohnmobilen den Mercedes-Benz-Dieselmotor vom Typ OM 651.
Zahlen muss auch VW immer wieder, verbraucherfreundliche Urteile häufen sich. Das OLG Köln sprach einem Wohnmobilbesitzer, der einen gebrauchten VW California T5 gekauft hatte, Schadenersatz in Höhe von rund 48.000 EUR zu.
Die Urteile zeigen ganz deutlich, dass es sich lohnen kann, gegen die Konzerne gerichtlich vorzugehen. Machen auch Sie Ihr Recht geltend. Mit anwaltlicher Unterstützung sind Sie auf der sicheren Seite.
Was sollten geschädigte Wohnmobilbesitzer jetzt tun?
Laut § 434 I S. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) liegt ein Mangel an Ihrem Fahrzeug vor, wenn eine illegale Abschalteinrichtung darin verbaut ist. Haben Sie kürzlich ein Neu- oder Gebrauchtfahrzeug gekauft, stehen Ihnen innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist Gewährleistungsansprüche zu. Die Frist beginnt mit Übernahme Ihres Fahrzeugs und endet nach zwei Jahren. Bei Gebrauchtfahrzeugen ist allerdings zu beachten, dass sich die Verjährungsfrist unter Umständen auf ein Jahr verkürzen kann.
Achtung: Sachmängelhaftungsfrist bei bestimmten Modellen
Besitzen Sie ein Neufahrzeug, das auf dem Fiat Ducato mit der Euronorm 6 basiert und nicht älter als 24 Monate ist, raten wir Ihnen, umgehend aktiv zu werden. Diese Fahrzeuge befinden sich noch in der Sachmängelhaftungsfrist.
Grundsätzlich aber haben alle Reise- oder Wohnmobilbesitzer Anspruch auf Schadenersatz – unabhängig von Gewährleistungs- oder Sachmängelhaftungsansprüchen. Prüfen Sie also Ihre Möglichkeiten und setzen Sie Ihr Recht durch. Um das Maximum aus Ihrem Anliegen herauszuholen, lohnt es sich, einen auf den Skandal spezialisierten Anwalt zu Rate zu ziehen.
Wohnmobil-Dieselskandal: Folgen für die Halter
Für betroffene Wohnmobilbesitzer zieht der Abgasskandal mehrere Folgen nach sich. Vor allem der Wertverlust dürfte die Camper-Freunde hart treffen und den boomenden Markt in ein tiefes Loch stürzen. Doch auch eine mögliche Stilllegung von Fahrzeugen bereitet Sorgen.
Erst einmal ist aber damit zu rechnen, dass es zu umfangreichen Rückrufaktionen kommen wird. Die Schäden an betroffenen Reise- und Wohnmobilen sollen mithilfe von Software- und Hardware-Updates reguliert werden. Der PKW-Dieselskandal hat allerdings gezeigt: Solche Updates führen oft nicht zu einer verbesserten Abgasreinigung. Die Maßnahmen haben vielmehr negative Auswirkungen auf die Leistung der Fahrzeuge.
Die Folgen im Überblick:
- Das Fahrzeug verliert an Wert.
- Software- und Hardware-Updates sind keine Garantie für die Wiederherstellung eines mangelfreien Zustandes.
- Fahrverbote für deutsche Innenstädte (Umweltplakette).
- Stilllegung von Fahrzeugen durch die Zulassungsbehörde.
Um Ihren Schaden so gering wie möglich zu halten, empfehlen wir Ihnen, jetzt aktiv zu werden und sich anwaltlichen Rat einzuholen.
Rechte von Wohnmobilbesitzern
Die Manipulation von Fahrzeugen stellt einen schweren Betrug dar. Deshalb haben Wohnmobilbesitzer auch Anspruch auf Schadenersatz. Der kann in erster Linie gegenüber dem Motorenhersteller geltend gemacht werden. In der Regel läuft es dabei auf die Rückabwicklung des Kaufs hinaus und eine Entschädigung.
Wichtig: Ansprüche gegen den Motorenhersteller richten
Im Wohnmobil-Dieselskandal richten sich die Schadensersatzansprüche in der Regel gegen den Motorenhersteller. Der Grund: Es ist nicht geklärt bzw. bewiesen, dass die Wohnmobilhersteller über die Machenschaften der Autobauer im Bilde waren.
Bei der Rückabwicklung eines Kaufs ist es wichtig zu wissen, dass in der Regel ein Nutzungsersatz seitens des Motorenherstellers geltend gemacht wird. Der errechnet sich aus den bereits gefahrenen Kilometern und wird vom Kaufpreis abgezogen. Ein Grund mehr, eigene Schadensersatzansprüche schnell geltend zu machen.
EuGH: Umgang mit ausländischen Autobauern
Auch ausländische Autobauer wie Fiat und Iveco können in Deutschland verklagt werden. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Generell wichtig dabei ist die Einhaltung der dreijährigen Verjährungsfrist. Wann die beginnt, hängt maßgeblich vom Bekanntwerden des Skandals ab.
Dieselskandal bei Wohnmobilen: Ansprüche jetzt prüfen
Rechtsschutzversicherer haben längst erkannt: Versicherte müssen im Dieselskandal gestärkt werden. Daher erteilen nahezu alle Rechtsschutzversicherungen Deckungszusagen für das rechtliche Vorgehen gegen die Autobauer. Vielen Wohnmobilbesitzern wird dadurch die Entscheidung für oder gegen eine Klage abgenommen bzw. erleichtert.
Ob rechtsschutzversichert oder nicht: Sind Sie betroffen, raten wir Ihnen, jetzt aktiv zu werden und Ihre möglichen Schadensersatzansprüche zu prüfen bzw. mithilfe eines Rechtsbeistandes prüfen zu lassen. Zum einen sind die Gerichte aktuell verbraucherfreundlich aufgestellt. Zum anderen können Sie umgehend handeln, sobald sich ein Verdacht offiziell bestätigt.
Vergessen Sie außerdem nicht: Der Motorenhersteller kann einen Nutzungsersatz geltend machen. Und der wächst mit jedem gefahrenen Kilometer.
Hinweis: Rechtsschutzversicherung gekündigt
Haben Sie erst kürzlich Ihre Rechtsschutzversicherung gekündigt, bedeutet das nicht automatisch, dass Sie keinen Anspruch auf Kostenübernahme haben. Entscheidend ist hier, ob Sie rechtsschutzversichert waren, als Sie den Kaufvertrag für Ihr Reise- oder Wohnmobil unterzeichnet haben. Ist dem so, trägt Ihre alte Rechtsschutzversicherung die Kosten.
Auflistung aller vom Dieselskandal betroffenen Wohnmobil-Modelle