EuGH hebt Nachweispflicht auf

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) spricht Käufer:innen von Fahrzeugen mit eingebauten Thermofenster in einem neuen Urteil einen vereinfachten Anspruch auf Schadensersatz zu. Mit Urteil vom 26. Juni 2023 schließt sich der Bundesgerichtshof (BGH) dem nun an. Im Klartext bedeutet das: Ist es aufgrund von Fahrlässigkeit zu Abgasmanipulationen gekommen, sind Autobauer zu Schadensersatz gegenüber ihren Kundinnen und Kunden verpflichtet. Vorsatz muss nicht länger nachgewiesen werden.

Bis dahin war es allerdings ein zäher Weg. Denn: Nachdem der EuGH sein Urteil hatte, begann das lange Warten auf die Entscheidung des BGH.

Thermofenster: So läuft die Urteilsfindung

 

Verfahren gegen Mercedes Stein des Anstoßes

Ein Verfahren gegen den Stuttgarter Autobauer Mercedes-Benz brachte den Stein ins Rollen: Das Landgericht (LG) Ravensburg hatte darüber zu entscheiden, ob Mercedes aufgrund des Einbaus eines Thermofensters zu Schadensersatz verpflichtet ist.

Hinweis: Thermofenster
Thermofenster regulieren die Abgasreinigung in Fahrzeugen bei bestimmten Außentemperaturen. Die Autobauer beriefen sich bei der Verwendung bislang auf eine Motorschutzfunktion. Während der EuGH diese Argumentation bereits in einem Urteil vom Tisch gefegt hat, steht ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) noch aus.

Außerstande, ein Urteil zu fällen, holten sich die Ravensburger Richter:innen den EuGH ins Boot. Das oberste europäische Gericht sollte klären, ob sich Mercedes mit der Verwendung des Thermofensters haftbar gemacht hat. Dementsprechend folgte eine Einschätzung des Generalanwalts Athanasios Rantos.

In seinen Schlussanträgen (Az. C-100/21) stellt Rantos unmissverständlich klar: Bereits ein fahrlässiger Verstoß gegen die Verordnung Nr. 715/2007 (Verordnung über Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich Emissionen) genügt, um Schadensersatz gegen die Hersteller zu begründen. Der Nachweis einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung ist seiner Auffassung nach nicht länger erforderlich. Dem schloss sich nun der EuGH in seinem Urteil an.

EuGH-Urteil mischt gesamte Automobilbranche auf

Wenngleich im ursprünglichen Verfahren Mercedes im Mittelpunkt stand: Das EuGH-Urteil mischt die gesamte Automobilbranche auf. Immerhin verbauen auch andere Hersteller Thermofenster in ihren Fahrzeugen. Neben den Branchenriesen wie VW, Mercedes, Fiat, Audi und Co. auch diejenigen, die bislang eher unter dem Radar liefen: BMW, Peugeot und Renault, um Beispiele zu nennen.

Thermofenster: Welche Hersteller sind betroffen?

 

Dabei ruhten sich die Fahrzeugbauer alle auf der Ausflucht aus, dass Thermofenster dem Motorschutz dienten. Die Toleranz des BGH gegenüber dieser Auffassung hat das begünstigt.

Auswirkungen des EuGH-Urteils auf deutsche Rechtsprechung

Am 8. Mai 2023 ließ der BGH erste verbraucherfreundliche Tendenzen durchblicken, setzte die Entscheidungsverkündung aber für den 26. Juni fest. Dabei stellten die Richter:innen geschädigten Verbraucher:innen einen „Differenzhypothesenvertrauensschadensersatz“ in Aussicht. Ein Unwort, hinter dem sich nicht weniger verbirgt, als ein Minderwertausgleich. Und dazu kam es schließlich auch: Der BGH gesteht geprellten Diesel-Käuferinnen und -Käufern bis zu 15 % Schadensersatz vom ursprünglichen Kaufpreis zu. Ungeklärt bleibt aber vorerst noch, wann von Fahrlässigkeit aufseiten der Fahrzeughersteller ausgegangen werden kann.

Einen vollständigen Beitrag zum BGH-Urteil finden Sie in unserem News-Bereich: BGH im Abgasskandal: Bis zu 15 % Schadensersatz.

Auswirkungen auf Mercedes-Rechtsprechung im Abgasskandal

Dass das EuGH-Urteil aber direkten Einfluss auf die Rechtsprechung des LG Ravensburg hinsichtlich des konkreten Verfahrens um Mercedes-Benz nehmen wird, stand schon vor dem BGH-Urteil außer Frage. Immerhin waren es die Ravensburger Richter:innen, die den EuGH um eine höchstrichterliche Entscheidung gebeten haben.

Die Erfolgsaussichten für Mercedes-Halter:innen, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, steigen damit enorm. Der Stuttgarter Autobauer rühmte sich lange selbst mit hohen Erfolgsquoten vor Gericht. Eigenen Angaben zufolge blieben 95 % aller Klagen gegen Mercedes-Benz erfolglos. Ob nach dem BGH-Urteil daran festgehalten werden kann? Mindestens fraglich!

Ihre Möglichkeiten nach dem BGH-Urteil

Wir stehen geprellten Diesel-Halterinnen und -Haltern zur Seite. Im Zuge einer kostenlosen Ersteinschätzung erhalten Sie

  1. Klarheit, wie es um Ihre Ansprüche steht
  2. Orientierung für ein mögliches Vorgehen gegen Ihren Autobauer

Wissen Sie nicht, ob auch in Ihrem Fahrzeug ein Thermofenster verbaut ist und sich daraus ggf. Schadensersatzansprüche für Sie ergeben? Finden Sie es heraus und nutzen Sie unseren Prüfer.

Betroffenheits-Check Thermofenster

Sie kennen die Fakten und wissen, dass Ihr Fahrzeug über ein Thermofenster verfügt? Dann empfehlen wir Ihnen unseren News-Service. Wir informieren Sie über die neuesten Entwicklungen in der Rechtsprechung zur Haftbarkeit der Autobauer im Abgasskandal.

Es lohnt sich in zweierlei Hinsicht:

  • Sie erfahren umgehend, wenn neue Urteile im Abgasskandal gefällt werden.
  • Sie erhalten eine Handlungsempfehlung zu einem möglichen Vorgehen gegen Ihren Fahrzeugbauer.
Wir machen Ihre Ansprüche geltend

Unser Kanzlei-Team vertritt Sie im Abgasskandal und setzt Ihre Interessen gegenüber Autobauer und/oder Verkäufer durch.

Kostenlose Ersteinschätzung
Anwälte