Einmal mehr sorgen Thermofenster im Dieselskandal für ordentlich Tumult. Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stellte jetzt in seinem Schlussantrag klar: Bei Thermofenstern handelt es sich um europarechtswidrige Abschalteinrichtungen. Folgt der EuGH seinen Schlussanträgen, könnte das “Schlupfloch Thermofenster” für die Automobilhersteller zum Nadelöhr verkommen. Der Grund – das Kraftfahrt Bundesamt (KBA) darf das nicht ignorieren.

Thermofenster verstoßen gegen EU-Recht

Das Thermofenster ist für die Automobilhersteller bislang das Schlupfloch schlechthin im Abgasskandal. Zwar hat der EuGH bereits Ende 2020 entschieden, dass es sich dabei um eine illegale Abschalteinrichtung handelt. Der Bundesgerichtshof (BGH) aber entschied, dass es keinen rechtlichen Automatismus gäbe, der den Schluss zuließe, dass die Autobauer mit Verwendung von Thermofenstern vorsätzlich sittenwidrig gehandelt hätten.

Bestätigung wäre Beleg für Mangelhaftigkeit

Und doch: Winkt der EuGH den Schlussantrag durch, kann das eine regelrechte Rücktritts-Lawine bei Kaufverträgen auslösen. Denn damit wäre sicher, dass ein Wagen mit eingebautem Thermofenster rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Bedeutet im Klartext: Das gekaufte Auto ist mangelhaft. Käufer können unter Umständen von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch machen.

Dass der EuGH der Auffassung seines Generalanwalts folgt, ist sehr wahrscheinlich. Die deutschen Behörden, insbesondere das KBA, würde das zum Nachjustieren verpflichten. Zahlreiche Rückrufe von Fahrzeugen unterschiedlicher Hersteller könnten die Folge sein.

Hinweis: EuGH-Generalanwält*innen

Die Generalanwält*innen unterstützen die Richter*innen des Europäischen Gerichtshofs in ihrer Entscheidungsfindung. Ihre Rechtsgutachten (Schlussanträge) sind gänzlich unabhängig und neutral.

Die Automobilkonzerne könnten sich bei Bestätigung des Schlussantrags wahrscheinlich vorerst noch in Sicherheit wiegen. Eine Garantie für Schadensersatzansprüche ginge damit jedenfalls nicht einher. Und doch würde das Eis für die Konzerne immer dünner. Denn es kann damit gerechnet werden, dass Gerichte intensivere Prüfungen der Sachlagen vornehmen werden. Ob das den einen oder anderen Autobauer in die Enge treibt? Das bleibt abzuwarten.

Entscheidungsgrundlage des Generalanwalts

Generalanwalt Rantos sieht im Thermofenster eine illegale Abschalteinrichtung. Als Grund nannte er, dass insbesondere im Prüfstand die optimale Außentemperatur herrsche, die eine einwandfreie Abgasrückführung herbeiführe. In dessen Folge würden gesetzliche Abgasgrenzwerte eingehalten. Bei Temperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius funktioniere die Abgasrückführung einwandfrei. Die Außentemperaturen in Zentraleuropa lägen im Durchschnitt aber deutlich unter 15 Grad Celsius.

Im Normalfall fahre das Thermofenster also die Abgasrückführung herunter. In der Folge stießen betroffene Fahrzeuge deutlich mehr Stickoxide aus, als der Hersteller angebe und als rechtlich erlaubt sei. Das mache Thermofenster per Definition zu illegalen Abschalteinrichtungen.

Thermofenster dienen nicht dem Motorschutz

Rantos stellt in seinem Schlussantrag zudem klar, dass die in den Verordnungen vorgesehenen Ausnahmeregelungen zu Abschalteinrichtungen ebenfalls nicht greifen. Demnach können Abschalteinrichtungen zulässig sein, wenn sie dazu dienen, den Motor vor Schäden zu schützen. Das sei bei Thermofenstern aber nicht der Fall. Sie sollen lediglich Anbauteile des Abgasrückführungssystems schonen, nicht aber den Motor.

Der Schlussantrag des Generalanwalts zeigt einmal mehr: Das letzte Wort im Dieselskandal ist noch längst nicht gesprochen. Die Rechtsprechung kann sich aufgrund der aktuellen Entwicklungen beim EuGH für Verbraucher durchaus verbessern. Wir bleiben für Sie dran am Thema und begleiten Sie auf dem Weg zu Ihrem Recht.

Quellen: