Um Arbeitszeitbetrug nachzuweisen, nutzen einige Arbeitgeber den Einsatz von Videokameras. Doch Beweis ist nicht gleich Beweis, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen jetzt entschied. Die wenigsten Videoaufzeichnungen können eine Kündigung rechtfertigen.

Fristlose Kündigung dank Videoaufnahmen

Im Zentrum des Streits stand ein Arbeitnehmer, der bei einem Metallverarbeitungsunternehmen als Gießer beschäftigt war. Nachdem sein Arbeitgeber im Juni 2019 einen anonymen Hinweis erhielt, dass der Kläger das Betriebsgelände mehrfach schon vor Schichtende verließ, ging sein Vorgesetzter der Sache auf den Grund. Dazu nutzte er unter anderem das Videomaterial einer Kamera, die am Werksgelände angebracht war.

Obwohl das Gerät die Mitarbeitenden ursprünglich gar nicht überwachen sollte, konnte man dennoch sehen, wer wann das Werksgelände betrat. Aus den Kameraaufnahmen ging hervor, dass Anwesenheit und angebliche Arbeitszeit des Beschäftigten tatsächlich voneinander abwichen. Es folgte die fristlose Kündigung.

Hinweis: Zweckgebundenheit und Löschungspflicht für Videoaufnahmen
Jeder Einsatz von Überwachungskameras muss dem Bundesdatenschutzgesetz zufolge einem bestimmten Zweck dienen. Sobald die Videoaufnahmen nichts mehr zur Erreichung des Zwecks beitragen können oder andere Gründe einer Speicherung der Aufnahmen entgegenstehen, sind sie unverzüglich zu löschen. Eine feste Frist zur Löschung gibt es jedoch nicht.

Ist das Videomaterial verwendbar?

Der Metallgießer wehrte sich dagegen mit einer Kündigungsschutzklage. Das Videomaterial habe nicht als Beweis gewertet werden dürfen. Weder er noch der Betriebsrat hätten der Aufzeichnung zum Zweck der Arbeitszeiterfassung gebilligt. Das sei aber angesichts der höchstpersönlichen Daten des Mannes notwendig gewesen.

Das LAG gab dem Arbeitnehmer Recht. Eine Videokamera, die die Mitarbeitenden beim Betreten und Verlassen des Werksgeländes aufzeichnet, sei weder geeignet noch erforderlich, um Arbeitszeiten zu erfassen. Denn die Arbeitszeit beginne nicht zwingend mit dem Betreten der Betriebsstätte und höre umgekehrt auch nicht immer mit dessen Verlassen auf.

Hinweis: Einwilligung zur Videoaufzeichnung jederzeit widerrufbar
Als Betroffene:r haben Sie jederzeit das Recht, Ihre Einwilligung grundlos zu widerrufen.

Verstoß gegen Datenschutz

Außerdem versicherte der Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung, dass die Aufnahmen der Kamera alle 96 Stunden gelöscht würden. Die dem Gericht vorgelegten Aufnahmen waren aber deutlich älter. Damit habe der Arbeitgeber gegen seine eigenen Datenschutzrichtlinien verstoßen.

Infolgedessen dürfe er die Erkenntnisse aus dem Überwachungsvideo nicht verwenden, um seinen Beschäftigten zu kündigen. Da ein Arbeitszeitbetrug auch nicht anderweitig nachgewiesen werden konnte, sei weder eine ordentliche noch eine fristlose  Kündigung gerechtfertigt, so die Richter:innen.

Dann ist Videoüberwachung zulässig

Videoüberwachung am Arbeitsplatz kann – wenn auch unter sehr strengen Voraussetzungen – zulässig sein. Erforderlich ist, dass:

  • es kein gleich geeignetes, milderes Mittel gibt
  • für jede Überwachungsmaßnahme genau dokumentiert ist, welchen Zweck sie erfüllt
  • die Aufnahme nicht zweckentfremdet wird
  • Mitarbeitende sowie der Betriebsrat der Überwachung zustimmen

Selbst wenn all diese Voraussetzungen erfüllt sein sollten, gibt es Bereiche, in denen unter keinen Umständen gefilmt werden darf. Eine Überwachung in WC- und Sanitäranlagen sowie in Umkleide- und Schlafräumen sind immer rechtswidrig, da das einen Eingriff in die Intimsphäre der Arbeitnehmer:innen bedeuten würde.

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