Erstmals hat sich ein Oberlandesgericht ausführlich mit dem Nachfolgemodell des „Skandalmotors“ EA189 befasst. Dabei hat das OLG Naumburg bestätigt, dass auch der neuere Motortyp EA288 unzulässige Abschalteinrichtungen beinhaltet. Auf VW könnte somit eine neue Klagewelle zurollen.

Enthält der EA288-Motor eine Zykluserkennung?

Der Kläger in dem Verfahren war Besitzer eines VW Golf 2.0 TDI Highline, den er 2017 als Gebrauchtwagen erworben hatte. Er warf dem Wolfsburger Autobauer vor, eine sogenannte Zykluserkennung in seinen EA288-Motoren verbaut zu haben.

Diese Vorrichtung erkennt, ob sich der Wagen auf dem Prüfstand oder im realen Fahrbetrieb befindet und wechselt dementsprechend den Betriebsmodus der Motorsteuerung. Dadurch arbeitet der Motor im Prüfmodus emissionssparender als im tatsächlichen Betrieb.

Der Kläger sieht darin eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Durch die Verwendung einer Abschalteinrichtung habe sich VW nicht nur die Zulassung der entsprechenden Fahrzeuge, sondern auch das Vertrauen seiner Kund*innen erschlichen. Er forderte daher Schadensersatz von VW.

Hinweis: VW will EA288-Klagen verhindern
Auf seiner Internetseite rät VW potenziellen Kläger*innen davon ab, wegen ihres EA288-Motors vor Gericht zu ziehen. Die Erfolgschancen stünden schlecht und auf Vergleiche lasse man sich seitens VW nicht ein. Viele verbraucherfreundliche Urteile in solchen Verfahren beweisen jedoch das Gegenteil.

VW belastet sich durch interne Dokumente selbst

Bislang hat VW eine Manipulation der Abgaswerte nur beim EA189-Motor zugegeben. Vor Gericht war der Automobilkonzern aber dazu gezwungen, Akten offenzulegen, aus denen sogar explizit hervorgeht, dass Fahrzeuge mit einem EA288-Motor erkennen können, ob sie geprüft werden oder tatsächlich fahren. Das geschieht mittels einer Kurvenerkennung. Denn auf dem Prüfstand fährt das Fahrzeug anders, als im echten Fahrbetrieb kontinuierlich geradeaus.

VW verteidigte sich mit der Behauptung, dass diese Kurvenerkennung keine unzulässige Abschalteinrichtung sei, weil die Grenzwerte für Abgase auch ohne Wechsel der Betriebsmodi eingehalten würden. Zudem habe das Kraftfahrt-Bundesamt die Fahrzeuge samt Motor zugelassen und auch nach der Zulassung keinen Handlungsbedarf für einen Rückruf gesehen.

OLG verurteilt VW wegen sittenwidriger Schädigung

Das OLG Naumburg ließ sich davon nicht beeindrucken und verurteilte VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zur Zahlung von insgesamt 20.885,71 EUR an den Kläger. Die Richter*innen sahen es als erwiesen an, dass auch Fahrzeuge mit einem EA288-Motor illegale Abschalteinrichtungen enthalten. VW habe sich auf Kosten der Käufer*innen bereichert, weil sie durch die geschönten Abgaswerte zum Kauf angeregt worden.

Signalwirkung ist für Betroffene bedeutend

Zwar hat das OLG Naumburg die Revision nicht zugelassen, das macht das Urteil aber nicht unanfechtbar. VW hat immer noch die Möglichkeit eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BGH zu erheben, um das Urteil letztendlich doch angreifen zu können. Die Signalwirkung, die das Urteil entfaltet, ist dennoch immens.

Denn die bisherigen EA288-Verfahren spielten sich entweder in Vorinstanzen ab oder haben sich beispielsweise aufgrund eines Versäumnisurteils ohne eine detaillierte Prüfung erledigt. Jetzt hat das OLG Naumberg mit einem verbraucherfreundlichen Urteil angefangen, den Weg für weitere EA288-Klage zu ebnen.

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