Vor wenigen Tagen veröffentlichte das Bundesarbeitsgericht (BAG) einen Beschluss, der für Aufruhr sorgte: Arbeitgeber:innen müssen in Zukunft ein System zur Arbeitszeiterfassung in ihren Betrieben einführen. Was bedeutet das für Arbeitnehmer:innen?
BAG-Urteil bestätigt Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
Selten hat eine Entscheidung des BAG eine direkte Auswirkung auf alle rund 41 Millionen Arbeitnehmer:innen in Deutschland. Dabei ging es am Dienstag ursprünglich um etwas weniger Bedeutungsvolles: Ein Betriebsrat wollte eigenmächtig eine elektronische Zeiterfassung im Unternehmen einführen. Die Arbeitgeberin war jedoch dagegen. Es kam zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, die schließlich die Erfurter Richter:innen auf den Plan rief.
Das BAG entschied, dass den Betriebsräten i.d.R. kein solches Initiativrecht zustehe. Denn es gebe mit § 3 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz bereits eine gesetzliche Regelung, die die Erfassung der Arbeitszeit zur Aufgabe des Arbeitgebers erkläre. Dieser sei dazu verpflichtet, die Arbeitszeiten in seinem Betrieb genauestens festzuhalten.
Hinweis: Vertrauensarbeitszeit besonders betroffen
Das Modell der sog. Vertrauensarbeitszeit, bei dem Arbeitnehmer:innen ihr zu leistendes Arbeitspensum eigenständig einteilen, könnte durch eine verpflichtende Zeiterfassung zur rechtlichen Grauzone werden.
Arbeitszeiterfassung als europäische Pflicht
Den Stein ins Rollen gebracht hat der Europäische Gerichtshof (EuGH). Er forderte bereits im Mai 2019 eine flächendeckende Arbeitszeiterfassung in den Mitgliedsstaaten. Diese Forderung hat sich das BAG nun zu Herzen genommen und das Arbeitsschutzgesetz entsprechend ausgelegt.
Erfassung der Arbeitszeit muss gesetzlich geregelt werden
Nun muss der Bundestag diese Pflicht für die Arbeitgeber:innen gesetzlich konkretisieren. Fragen bezüglich der Umsetzung einer solchen Pflicht gibt es nämlich viele:
- Muss die Arbeitszeit elektronisch oder analog erfasst werden?
- Wann genau beginnt und endet der aufzeichnungspflichtige Zeitraum?
- Wer kontrolliert die Erfassung?
- Was passiert bei Verstößen?
Ein entsprechender Gesetzentwurf sei sogar schon in Arbeit, versichert das Bundesarbeitsministerium.
Arbeitnehmer:innen können sich freuen
Für Arbeitnehmer:innen ist der Beschluss des BAG ein Grund zur Freude. Eine verpflichtende Zeiterfassung hat zur Folge, dass Überstunden leichter nachgewiesen und deren Vergütung besser gerichtlich eingeklagt werden kann. Zudem spielt insbesondere bei Abfindungsverhandlungen die geleistete Arbeitszeit eine entscheidende Rolle. Hier dürfte sich das Machtverhältnis zugunsten der Mitarbeitenden verschieben.
Auch Gewerkschaften blicken positiv auf die Entscheidung des BAG. „Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften begrüßen diese Entscheidung“, heißt es in einer Pressemitteilung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. „Arbeitszeiterfassung ist kein bürokratischer Selbstzweck, sondern Grundbedingung, damit Ruhe- und Höchstarbeitszeiten eingehalten werden – was heutzutage viel zu oft nicht der Fall ist.“
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