Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Viel zu oft werden Menschen am Arbeitsplatz diskriminiert. Dies kann bewusst herbeigeführt werden, teils geschieht es sogar nach wie vor unbewusst. Egal, was die Motivation hinter der Diskriminierung sein mag, eines ist sie immer: Sie ist belastend und verletzend für den, der durch die Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen ist.
Bereits im Grundgesetz (GG) im Artikel 3 ist ein Diskriminierungsverbot enthalten. Dieses gilt jedoch vorrangig für den Staat. Das Verhältnis seiner Bürger untereinander ist durch diesen Erlass nicht betroffen. Dennoch wurde bereits in der Vergangenheit vom Bundesarbeitsgericht der Art. 3 GG als Maßstab für das Verhalten im Arbeitsleben angesehen.
Nicht zuletzt deshalb wurde mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vom 14.08.2006 ein Regelwerk erlassen, das über den Art. 3 GG hinausgehend einer Diskriminierung Einhalt gebieten soll.
Für wen gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)?
Die Paragraphen 6-18 des AGG sind Grundlagen im Arbeitsrecht. Sie gelten für Arbeitgeber in der Privatwirtschaft gegenüber Arbeitnehmern und Auszubildenden. Ebenso finden diese Vorschriften für Stellenbewerber Anwendung.
Eine entsprechende Regelung für Richter, Beamte und Beschäftigte bei Bund und Länder steht unter § 24 des Dienstrechtes.
Das AGG gilt darüber hinaus auch teilweise im Privatrecht. Die §§ 19-21 AGG regeln hier einzelne Bereiche.
Was beinhaltet das AGG?
Das AGG sagt aus, dass niemand Nachteile wegen
- seiner Rasse
- der ethnischen Herkunft
- des Geschlechts
- der sexuellen Identität
- einer Behinderung
- des Alters
- der Religion
- oder seiner Weltanschauung
erleiden darf. Verstoßen Arbeitgeber gegen das AGG, das auch Antidiskriminierungsgesetz genannt wird, so haben die betroffenen Personen die Möglichkeit, Rechtsansprüche gegen Arbeitgeber und Vorgesetzte, aber auch gegen Kollegen geltend zu machen.
Wie hoch ist die Zahl der Diskriminierungen?
Auf Fragen gibt jeder dritte Arbeitnehmer in Deutschland an, dass er in jüngerer Zeit selbst schon direkt mit einer Diskriminierung in einem Lebensbereich konfrontiert wurde. Folgende Zahlen sagen aus, wie wichtig der Kampf gegen Diskriminierungen ist:
- Wegen ihres Alters, unabhängig, ob jung oder alt, wurden nach Angaben bereits 14,8 % aller Befragten diskriminiert.
- Die Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechtes sahen 9,2 % gegeben.
- Das Arbeitsleben erwies sich hier als Hauptschauplatz, denn 48,9 % gaben ihn als “Tatort” an.
Noch unternehmen jedoch viel zu wenig Betroffene etwas dagegen. So handelten sie laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017):
In Anbetracht dessen, dass diese ständigen Benachteiligungen zu erheblichen seelischen Belastungen führen können, muss mehr zum Schutz der Betroffenen getan werden. Jeder Einzelne, der den Mut hat sich zu wehren, trägt zu mehr Aufmerksamkeit bei und schützt dadurch sich und andere.
Mittelbare und unmittelbare Diskriminierung
Vordergründig betrachtet sieht es aus, als ob mittelbare und unmittelbare Diskriminierung leicht voneinander zu unterscheiden wäre. Und auch Mobbing wird im Ansatz anders definiert. In der Praxis verwischen jedoch die Grenzen häufig. Selbst die Rechtsprechung betrachtet, je nach Gericht und Instanz, jeden Sachverhalt unter einem anderen Aspekt.
Was versteht man unter einer mittelbaren Diskriminierung?
Eine mittelbare Diskriminierung betrifft keine einzelne Person, sondern schließt eine ganze Gruppe aus. Eine Diskriminierungsabsicht muss dabei ebenso wenig gegeben sein wie ein besonderer Diskriminierungszusammenhang.
Beispiel: Mittelbare Diskriminierung
Ein Arbeitgeber schließt ausländische Stellenbewerber pauschal wegen mangelnder Deutschkenntnisse aus. Er erwähnt in seiner Stellenausschreibung, dass nur deutsche Muttersprachler für den Arbeitsplatz in Frage kommen. Ein ausländisch klingender Name, eine andere Nationalität oder ein Geburtsort im Ausland sagen jedoch nichts über die tatsächlichen Kenntnisse der deutschen Sprache aus.
Hier kann durchaus von einer Diskriminierung am Arbeitsplatz bzw. von Stellenbewerbern ausgegangen werden. Ganze Personengruppen sind hier von vornherein ausgeschlossen.
Wann liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor?
Bei einer unmittelbaren Diskriminierung am Arbeitsplatz oder bei einer Bewerbung kann sowohl eine einzelne Person oder ein bestimmte Personengruppe betroffen sein. In der Regel liegt hier gezielte Absicht vor. Der Arbeitgeber oder für die Personaleinstellung Verantwortliche schließt Personen dieses Kreises explizit für den Arbeitsplatz aus.
Beispiel: Unmittelbare Diskriminierung
Es kommt immer wieder vor, selbst noch in jüngster Zeit, dass Angehörige einer bestimmten Nation oder Religion diskriminiert werden. So finden sich Sperrvermerke auf Bewerbungen und internen Anweisungen “Bitte generell keine Bewerber aus diesem Land/mit dieser Religion einstellen.” Solche Hinweise sind ein ganz klarer Verstoß gegen das AGG. In entsprechenden Urteilen wurde dies von Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten bestätigt.
Was unterscheidet Mobbing von der Diskriminierung?
Beim Mobbing wird der Arbeitnehmer direkt zum Ziel. Die Ursache mag in einem der Kriterien liegen, die im AGG geschützt sind, wie eine andere Nationalität oder sexuelle Ausrichtung. Mobbing im Job geht aber noch einen Schritt weiter. Die gemobbten Mitarbeiter werden beharrlich und oft dauerhaft ausgegrenzt oder gar belästigt. Dies geschieht auf eine aktive Weise.
Mobbing soll die betroffene Person im Ansehen beschädigen. Sie wird unmöglich gemacht und Spott ausgesetzt oder durch Streiche persönlich geschädigt. Dabei muss Mobbing nicht immer von Kollegen ausgehen. Auch Vorgesetzte bedienen sich dieser Methoden. Hier wird das Verhalten Bossing genannt. Um gegen Mobbing rechtlich vorgehen zu können, muss es bereits über längere Zeit und mit einer gewissen Konstanz erfolgt sein.
Ihre Rechte bei Diskriminierung am Arbeitsplatz
Nach § 13 AGG hat jeder Arbeitnehmer das Recht, den Vorfall von einer als zuständig bekannten Stelle prüfen zu lassen. Jeder Arbeitgeber muss hierzu einen Ansprechpartner oder eine Abteilung benennen, die für die Entgegennahme der Beschwerde und ihre Überprüfung zuständig ist.
Tipp: Diskriminierung genau dokumentieren
Es ist ratsam, sich möglichst rasch nach dem Vorfall genaue Notizen zu machen. Wann erfolgte die Diskriminierung, wo fand sie statt, von wem wurden Sie benachteiligt, wie wurden Sie benachteiligt, gibt es Zeugen für den Vorfall?
Mit diesen Notizen können Sie sich später die Benachteiligung in Erinnerung rufen oder im Falle einer Klage dem Gericht gegenüber eindeutige Angaben machen.
Was tun bei sexueller Diskriminierung am Arbeitsplatz?
Diskriminierungen in Form von Belästigungen oder gar sexuellen Belästigungen sind Vorfälle, durch die Betroffene erhebliche psychische Nachteile erleiden können. Deshalb sieht § 14 AGG vor, dass in solchen Fällen unter Umständen ein Leistungsverweigerungsrecht besteht. Dies bedeutet in der Praxis, dass Betroffene solange ohne Lohnverzicht von ihrer Arbeit fernbleiben dürfen, bis der Arbeitgeber Abhilfe durch geeignete Maßnahmen geschaffen hat.
Hier besteht jedoch eine gewisse Rechtsunsicherheit. Jeder Fall würde vor Gericht einzeln gewertet und entsprechend entschieden werden.
Tipp: Gehen Sie auf Nummer sicher!
Bitte entscheiden Sie sich nicht auf eigene Faust, dem Arbeitsplatz fernzubleiben und von Ihrem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Holen Sie den Rat eines Rechtsanwalts ein, ehe Sie sich zu diesem Schritt entschließen.
Gibt es für Diskriminierung Schmerzensgeld oder Schadensersatz?
Ist ein Arbeitnehmer unmittelbar von einer Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen, so kann er gegenüber seinem Arbeitgeber Schadensersatz verlangen. Auch bei mittelbarer Diskriminierung kann ein Anspruch auf Entschädigung erwachsen. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn eine Nichteinstellung aufgrund der ethnologischen Abstammung stattgefunden hat.
Bei einem sogenannten immateriellen Schaden, also einer psychischen Beeinträchtigung durch die Diskriminierung, dürfen Betroffene eine finanzielle Entschädigung verlangen. Dies gilt sogar dann, wenn sich der Arbeitgeber auch sonst nicht für eine Einstellung entschieden hätte.
Wie wird eine Entschädigung berechnet?
Die Entschädigung wird nach Monatsgehältern berechnet. War ausschließlich die Benachteiligung im Sinne des AGG der Fall für die Nichteinstellung, so entsteht ein Anspruch auf mindestens drei Monatsgehälter. Wäre es auch ohne diesen Grund nicht zur Einstellung gekommen, sind maximal drei Monatsgehälter als Entschädigung zu zahlen.
Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitgeber die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Bei der Anwendung kollektiver Vereinbarungen muss der Arbeitgeber nur eine Entschädigung leisten, wenn er grob fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt hatte.
Bei einem Bewerber reicht es aus, wenn er auf irgendeinem nachweisbaren Weg von der Diskriminierung erfahren hat. Er muss seinen Anspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten in Schriftform geltend machen. Der Beginn der Frist liegt dabei auf dem Tag, an dem er von der Benachteiligung erfahren hat. Nicht eingeklagt werden kann dagegen eine Anstellung oder ein Berufsausbildungsvertrag.
Ausnahmen im Diskriminierungsverbot: Hier greift es nicht
Nicht immer erfolgt jedoch eine Diskriminierung, wenn ein Arbeitgeber in einer Stellenausschreibung ein Geschlecht angibt oder im Einzelvertrag etwa einer Personengruppe mehr Urlaub gewährt. Sobald die vermeintliche Diskriminierung sachlich gerechtfertigt ist, kann der Tatbestand der Diskriminierung entfallen.
Beispiel: Kunstfreiheit und Gleichbehandlungsgesetz
Im Sommer 2019 hatte ein Mädchen, vertreten durch ihre Mutter, auf Zulassung in den Berliner Staats- und Domchor geklagt. Dieser Chor ist jedoch ein reiner Knabenchor. Mit Hinweis auf das typische Klangbild eines Knabenchors wurde die Klage abgewiesen. Die Mädchenstimme würde dem nicht entsprechen, das Recht auf Kunstfreiheit überwiege zudem das Gleichbehandlungsgesetz.
Eine Diskriminierung wäre es auch nicht, wenn eine kirchliche Institution Bewerber ablehnt, die keinem christlichen Glauben angehören.
Auch Maßnahmen, die zugunsten einer bestimmten Personengruppe angeordnet wurden, sind für Personen außerhalb dieser Gruppe nicht zwangsläufig eine Diskriminierung.
Beispiel: Altersdiskriminierung – oder doch nicht?
Ein Arbeitgeber hatte Mitarbeitern, die älter als 58 Jahre waren, zwei Tage Sonderurlaub gewährt. Eine jüngere Kollegin sah eine Altersdiskriminierung. Das Bundesarbeitsgericht entschied jedoch, dass in diesem Betrieb körperlich schwer gearbeitet werde und deshalb für die Mehrtage an Urlaub ein sachlicher Grund vorlag.
Diskriminierung am Arbeitsplatz: Pflichten des Arbeitgebers
Der Gesetzgeber verlangt von jedem Arbeitgeber, dass er auf die Einhaltung des Gleichstellungsgesetzes achtet. Dabei hat er sowohl Unterlassungs- als auch Handlungspflichten. Reagiert der Arbeitgeber nicht im Sinne des AGG, so haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, dies gerichtlich einzuklagen.
Welche Unterlassungspflichten im Sinne des AGG haben Arbeitgeber?
Jeder Arbeitgeber muss darauf achten, dass er in seinen Stellenausschreibungen, in Arbeitsverträgen und im Arbeitsalltag nicht gegen die im AGG festgehaltenen Grundsätze verstößt. Dies gilt nicht nur für absichtlich begangene Benachteiligungen. Auch gegen unabsichtliche Benachteiligungen sollte sich ein Arbeitgeber schützen, indem er gegebenenfalls seine Anweisungen einem fachlich versierten Rechtsanwalt zur Überprüfung vorlegt.
Welche Handlungspflichten haben Arbeitgeber?
Jeder Arbeitgeber trägt nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Mitarbeiter Rechnung. Es muss sichergestellt sein, dass kein Arbeitnehmer gegen das Gleichbehandlungsgesetz verstößt. Sofern die Größe des Betriebes es erfordert, hat er eine Person oder Abteilung zu benennen, die auf die Einhaltung des AGG achtet und als Beschwerdestelle dient.
Wird einem Arbeitgeber eine Benachteiligung bekannt, so hat er so rasch wie möglich Abhilfe zu schaffen. Dies kann neben einer Belehrung des oder der Betreffenden durch eine Versetzung innerhalb des Betriebes geschehen oder aber, wenn es keinen anderen Weg gibt, durch eine Kündigung derjenigen Person, die andere diskriminiert.
Gilt die Handlungspflicht nur betriebsintern?
Nicht immer sind es die eigenen Mitarbeiter, die andere Arbeitnehmer diskriminieren. Eine Benachteiligung kann auch durch Dritte stattfinden. Dazu zählen Lieferanten ebenso wie Kunden. Hier hat der Arbeitgeber die Pflicht, diese Personen auf ihr Vergehen hinzuweisen.
Wird die Benachteiligung immer weiter fortgesetzt, so kann und muss der Arbeitgeber Hausverbote aussprechen oder vom Lieferanten oder Kunden verlangen, dass er mit seinen Geschäften eine andere Person beauftragt. Sogar die vorzeitige Kündigung eines Liefervertrages kann in diesem Fall notwendig werden und vor dem Gesetz berechtigt sein.
So schützen Sie sich bei Diskriminierung am Arbeitsplatz
Sowohl bei Mobbing als auch bei Diskriminierung sollten Sie nicht tatenlos zusehen. Sich so früh wie möglich zu wehren bedeutet auch für die andere Seite die Chance, das Miteinander besser zu gestalten. Dabei muss nicht sofort zum großen Geschütz gegriffen werden. Nicht immer steckt böse Absicht dahinter, manchmal ist es nur Unüberlegtheit. Deshalb ist es besser, nach Plan vorzugehen:
- Notieren Sie sich die Benachteiligung.
- Sprechen Sie die Person direkt und sofort darauf an.
- Ziehen Sie vertrauenswürdige Kollegen hinzu.
- Verständigen Sie den Betriebsrat, falls vorhanden.
- Melden Sie die Diskriminierung Ihrem Vorgesetzten.
- Dringen Sie auf Abhilfe.
- Holen Sie sich juristischen Rat.
- Beschreiten Sie notfalls den Klageweg.
Und nicht zuletzt: Hinterfragen Sie Ihre eigenen Handlungen und Bemerkungen und suchen Sie das Gespräch mit Kollegen, ehe Menschen und das Betriebsklima leiden.