Vor gut zwei Wochen hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil klargestellt, dass geprellte Dieselhalter:innen im Abgasskandal Schadensersatzansprüche geltend machen können, wenn der jeweilige Autobauer mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung fahrlässig gehandelt hat. Offen blieb dagegen, ob auch Motorenhersteller in die Pflicht genommen werden können. Nun hat das höchste deutsche Zivilgericht auch diese Frage beantwortet.
Porsche-Kunde verklagt Audi
Spätestens seit dem Urteil des BGH vom 26. Juni sind die Chancen auf Entschädigungen für Autofahrer:innen deutlich gestiegen. Eine neue Entscheidung aus Karlsruhe zeigt aber, dass der Erfolg einer Klage davon abhängen kann, wen genau Sie verklagen. Zum Hintergrund:
Kläger im Verfahren war ein Porsche-Fahrer, der seinen Wagen 2019 bei einem Gebrauchtwagenhändler gekauft hat. Zum damaligen Zeitpunkt hatte der Wagen bereits einen Rückruf inklusive Software-Update hinter sich. Nach knapp zwei Jahren entschloss sich der Käufer dann doch zu einer Klage. Das Besondere an dem Fall: Klagegegner war nicht etwa Porsche als Fahrzeughersteller, sondern Audi als Entwickler und Hersteller des Schummelmotors.
Hinweis: Fast jeder Wagen vom Abgasskandal betroffen
So gut wie jeder Wagen, der zwischen 2008 und 2020 gebaut wurde, enthält ein Thermofenster. Wenn Sie zu dieser Zeit einen neuen oder gebrauchten Diesel gekauft haben, sollten Sie Ihre Ansprüche prüfen lassen.
Haftung für Thermofenster liegt bei Autobauern
Nun musste der BGH entscheiden, wer unter welchen Voraussetzungen für das Verwenden eines Thermofensters haftet. Ausgangspunkt für die Überlegungen des Gerichts war zunächst das eigene Urteil Ende Juni. Darin stellte der sechste Hilfssenat klar, dass Autobauer sich durch den (fahrlässigen) Einbau von Thermofenstern in ihre Fahrzeuge schadensersatzpflichtig machen. Begründet wurde das mit der europarechtlichen Übereinstimmungsbescheinigung, die neben einer Typenzulassung vorliegen muss, damit Fahrzeuge überhaupt verkauft werden dürfen.
Diese Übereinstimmungsbescheinigung bestätigt, dass das jeweilige Fahrzeug allen rechtlichen Vorgaben entspricht. Ist nun ein europarechtswidriges Thermofenster im Wagen verbaut, so wird die Übereinstimmungsbescheinigung bei betroffenen Fahrzeugen automatisch falsch. Und genau dieser Rechtsverstoß befähigt die Käufer:innen, die im Vertrauen auf die Richtigkeit des Fahrzeugs den Kaufvertrag geschlossen haben, eine Entschädigung zu verlangen.
Herstellerhaftung nur in Ausnahmefällen
Ohne Pflicht zur Übereinstimmungsbescheinigung gibt es also keine fahrlässige Haftung. Diese Pflicht trifft aber nur Autobauer, nicht die Hersteller des Motors, weshalb in dem Kontext die rechtliche Argumentation hinter der bisherigen Rechtsprechung des BGH nicht greift. Trotzdem kann laut Karlsruher Richter:innen auch eine Haftung der Motorenbauer gegeben sein, wenn sie:
- selber vorsätzlich sittenwidrig handeln
- vorsätzliche Beihilfe zum vorsätzlichen Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit falscher Übereinstimmungsbescheinigung geleistet haben
Beides dürfte – wie in diesem Fall – nur schwer nachweisbar sein. Aus der Vergangenheit wissen wir bereits, wie zögerlich der BGH mit der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung umgeht. Die rechtlichen Hürden dafür sind immens hoch, was nicht zuletzt an den vielen Klageabweisungen der Vergangenheit erkennbar ist.
Die Beweisbarkeitsproblematik überträgt sich auch auf die Beihilfe-Konstellationen. Nicht nur die Beihilfe als solche müsste nachweislich vorsätzlich begangen worden sein, um Schadensersatzansprüche zu begründen. Auch das Inverkehrbringen eines mangelhaften Fahrzeugs durch den Fahrzeughersteller erfordert Vorsatz und einen entsprechenden Nachweis. Einer so hohen Beweislast nachzukommen, grenzt an Unmöglichkeit.
Geprellte Autofahrer:innen sollten sich daher bei ihrer Klage also auf die Fahrzeughersteller konzentrieren. Sie sind vom Abgasskandal betroffen? Dann vereinbaren Sie jetzt eine kostenlose Ersteinschätzung. Wir sagen Ihnen, ob sich eine Klage für Sie lohnen kann.
Unser Kanzlei-Team vertritt Sie im Abgasskandal und setzt Ihre Interessen gegenüber Autobauer und/oder Verkäufer durch.
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