Im größten Betrugsskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte hat jetzt James Freis, der ehemalige Übergangschef von Wirecard, ausgesagt. Für ihn ist klar: Beim FinTech-Unternehmen aus Aschheim ging einiges nicht mit rechten Dingen zu.

Betrugsprozess gegen Wirecard geht in die heiße Phase

Im Juni ist es genau drei Jahre her, seit das riesige Finanzloch bei Wirecard aufgedeckt wurde. Bis heute sind rund 1,9 Milliarden Euro unauffindbar. Zurück bleiben viele Fragen und noch mehr Geschädigte. Mittlerweile läuft vor dem Landgericht München I ein Strafverfahren gegen drei ehemalige Vorstandsmitglieder – darunter auch Freis’ Vorgänger und Hauptangeklagter Markus Braun.

Nun hat mit James Freis einer der wichtigsten Zeugen im Prozess ausgesagt. Er war nach dem Rücktritt Brauns knapp drei Monate lang Vorstandschef von Wirecard. Erst unter seiner Führung gab der Finanzdienstleister sein frei erfundenes Vermögen zu und meldete wenige Wochen später Insolvenz an.

Hinweis: Schaden des Wirecard-Betrugs auf 20 Milliarden Euro geschätzt
Die Insolvenz Wirecards traf Gläubiger und Anleger:innen vollkommen unerwartet. Der durch den Betrug entstandene Schaden wird auf 20 Milliarden Euro geschätzt.

Wirecard-Übergangschef stützt Anklage

Für den Ex-Interimschef steht fest, dass es bei Wirecard nicht mit rechten Dingen zuging. So habe man beispielsweise weder Zinsen noch Gebühren für Firmenkonten gezahlt. Glatte Beträge waren an der Tagesordnung. Das sei nach Freis Angaben „wirtschaftlich unvorstellbar“.

Ebenfalls suspekt war eine Handy-Überweisung in Höhe von rund 400 Millionen Euro. Dass eine so große Summe per Mobiltelefon überweisen wird, sei in der Branche – gelinde gesagt – ungewöhnlich. Dennoch beharrte Braun bis zum Schluss darauf, dass das Geld existiere.

Ende des Wirecard-Prozesses nicht in Sicht

Die Aussage Freis dürfte einen nicht ganz unerheblichen Einfluss auf den Ausgang des Prozesses nehmen. Denn der Jurist kennt sich mit Wirtschaftsverbrechen aus: Bevor er Braun als Vorstandschef von Wirecard ablöste, war Freis leitender Beamter des US-Finanzministeriums in den Bereichen Geldwäsche und Finanzkriminalität. Schon kurz nach Amtsantritt wurde ihm klar, dass es viele Geschäfte wohl nie gegeben hat.

Geschädigte Anleger:innen erhoffen sich durch ein Strafurteil bessere Chancen für ihre Klagen gegen die Wirtschaftsprüfer von EY. Doch bis zur Entscheidung der Richter:innen wird es noch dauern. Knapp 100 Verhandlungstage sind für den Prozess angesetzt. Vermutlich wird erst 2024 ein Urteil gesprochen.

Fest steht nur, dass die juristische Aufarbeitung auch nach Prozessende noch weitergeht. Zahlreiche Zivilklagen sowie eine Musterklage sind momentan vor deutschen Gerichten anhängig, die nun entscheiden müssen, ob Anleger:innen einen Entschädigungsanspruch haben und wie hoch dieser ausfällt.