Erfasst ein Auto eine auf dem Bordstein stehende Person, haftet größtenteils der*die Fahrer*in des Wagens. Das hat das OLG Zweibrücken entschieden. Kraftfahrzeugführerende müssen demnach das Risiko für Fußgänger*innen minimieren, indem sie einen gewissen Abstand zum Bordstein halten.

Elfjähriges Kind am Bordstein erfasst

Kläger und Opfer im Verfahren vor dem OLG Zweibrücken war ein elfjähriger Junge. Als er eines morgens auf dem Weg zur Schule an einer roten Ampel wartete, stellte er sich auf die Bordsteinkante. Dann passierte es: Die beklagte Autofahrerin fuhr mit ihrem Wagen am äußersten Rand der Fahrbahn am Jungen vorbei, erfasste ihn und verletzte ihn schwer.

Daraufhin zog der Junge; vertreten durch seine Eltern; vor Gericht und verlangte von der Fahrerin des Fahrzeugs bzw. deren Versicherung Schadensersatz und Schmerzensgeld. Das LG Kaiserslautern gab ihm Recht und sprach ihm beides zu. Die Beklagte jedoch legte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein. Die Sache kam zum OLG Zweibrücken.

Hinweis: Mitverschulden und Haftung nach § 254 BGB
Oft haben Opfer und Schädiger*in einen Unfall gemeinsam zu verschulden. In solchen Fällen kommt der § 254 BGB zum Einsatz. Er regelt das Mitverschulden der geschädigten Person und teilt die Haftung für entstandene Schäden anteilig auf das Verschulden der Parteien auf.

Autofahrerin haftet mehrheitlich

Die Berufung hatte vorm OLG aber keinen Erfolg. Völlig zu Recht müsse die Fahrerin für einen Großteil des entstandenen Schadens aufkommen. Die Fahrbahn bis an den Bordstein heran zu befahren berge ein hohes Risiko für Fußgänger*innen; erst Recht, wenn es sich dabei um Kinder handle. Ganz klar hätte die Beklagte hier mehr Abstand zum Bordstein halten sollen.

Zwar erkennt das Gericht auch eine Mitschuld des Jungen an, es begrenzt seine Haftung aber auf maximal 20 % des verursachten Schadens. Dem Kind muss klar gewesen sein, dass das Warten auf der Bordsteinkante einer viel befahrenen Straße gefährlich ist. Insoweit hatte das Gericht keinen Zweifel an der Einsichtsfähigkeit des Schülers. Dennoch sei das Verhalten der Autofahrerin hier rechtlich mehr zu missbilligen.

Einsichtsfähigkeit von Kindern entscheidend

Sind Kinder an Unfällen beteiligt, richtet sich ihr Verschulden und ihre Haftung nach dem Alter und ihrer Einsichtsfähigkeit. Man unterscheidet grob drei Stadien:

  • Bis zum siebten Lebensjahr sind Kinder nicht deliktsfähig. Eine Haftung ist hier daher ausgeschlossen.
  • Zwischen dem siebten und dem zehnten Lebensjahr haften Kinder nur bei vorsätzlich verursachten Schäden im Straßenverkehr.
  • Ab dem zehnten Lebensjahr wird auf die Einsichtsfähigkeit des Kindes abgestellt. Die Frage ist dann, ob das Kind sich des Risikos im Straßenverkehr und den Konsequenzen seiner eigenen Handlungen bewusst ist. Die Haftung wird dann anteilig nach dem Verschulden aufgeteilt.

Gerade die Einsichtsfähigkeit ist eine Einzelfallfrage, die keinen festen Regeln unterliegt und immer wieder neu von Gerichten zu prüfen ist.

Quellen: