Der Führerscheinentzug ist in vielen Köpfen vor allem mit Alkoholfahrten und Verkehrsunfällen verbunden. Doch unser Verkehrsstrafrecht kennt noch weitere, weitaus weniger bekannte Situationen, in denen der Lappen ganz schnell weg ist. Unser Anwalt Thorsten Köhn erklärt, wann Autofahrer:innen noch um ihren Führerschein bangen müssen.

Was ist der Unterschied zwischen einer Entziehung der Fahrerlaubnis und einem Fahrverbot?

Auch wenn beide Begriffe oft synonym verwendet werden, unterscheiden sie sich in ihrer Bedeutung doch sehr voneinander. Das Fahrverbot ist nur temporär: Betroffene müssen ihren Führerschein bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde abgeben, bekommen ihn nach Ablauf des Fahrverbotes aber wieder. Die Fahrerlaubnis als solche wird nicht entzogen.

Bei der tatsächlichen Entziehung der Fahrerlaubnis verlieren die Betroffenen das Recht, ein Kfz zu fahren, dauerhaft. Diese Berechtigung muss nach Ablauf einer Sperrfrist neu beantragt und von der entsprechenden Behörde genehmigt werden. Und dort kommt dann häufig die berühmt-berüchtigte Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU), weitläufig bekannt als Idiotentest, ins Spiel.

Konzentrieren wir uns mal nur auf die Fahrerlaubnis: Wann darf sie generell entzogen werden?

Es gibt mehrere Rechtsgrundlagen, auf die der Entzug der Fahrerlaubnis gestützt werden kann – je nachdem, ob ein Gericht oder eine Behörde handelt. Die haben natürlich auch unterschiedliche Anwendungsvoraussetzungen, zielen im Grunde aber auf dieselbe Frage ab: Ist die Person für das Autofahren geeignet?

Es gibt zwar keine allgemeingültige Antwort auf diese Frage. Spätestens bei Alkohol oder Drogen am Steuer wird aber davon ausgegangen, dass der bzw. die Fahrer:in ungeeignet ist. Aber eben nicht nur dann. Es gibt genug Fälle, in denen die Fahrerlaubnis auch ohne Rauschmittel-Verstoß futsch war. Einige davon sind recht kurios.

Spann uns nicht auf die Folter. Was für Fälle meinst du denn?

Ich denke da beispielsweise an einen Fall, in dem ein Autofahrer innerhalb von viereinhalb Jahren ganze 118 Mal gegen Parkverbote verstoßen hat. Das Verwaltungsgericht (VG) Saarlouis hat daraufhin das von der Behörde ausgesprochene Fahrverbot und den Führerscheinentzug bekräftigt. Die häufigen und penetranten Verstöße gegen die Verkehrsordnung ließen erkennen, dass der Autofahrer offenbar kein Interesse an einem geordneten Straßenverkehr hat. So jemanden sollte man nach Auffassung des Gerichts besser nicht auf die Straße lassen.

Normalerweise führen bloße Parkverstöße nicht zum Entzug der Fahrerlaubnis. In diesem zugegebenermaßen sehr extremen Fall wurde aber eine Ausnahme gemacht.

Irgendwie verständlich. Aber zumindest irgendeine Art von Verkehrsverstoß ist Voraussetzung für den Entzug der Fahrerlaubnis, oder?

Tatsächlich nicht einmal das. Auch aus anderen Straftaten, die überhaupt nichts mit dem Straßenverkehr zu tun haben, kann abgeleitet werden, dass sich eine Person nicht zum Autofahren eignet. Ein Beispiel: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte in der Vergangenheit die Klage eines Autofahrers abgewiesen, der allein schon wegen seines hohen Aggressionspotentials nicht mehr fahren durfte.

Zum Zeitpunkt des Verfahrens war der Kläger schon seit Jahrzehnten immer wieder durch Kneipenschlägereien, Sachbeschädigungen, Beleidigungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und seiner Mitgliedschaft in einer Neonazigruppe negativ aufgefallen. Auch wenn es nie zu einem Verkehrsunfall oder Ähnlichem gekommen ist, war es aus Sicht des Gerichts ein zu hohes Risiko, jemanden mit einer „so kurzen Lunte“ hinters Steuer zu lassen.

Und wie sieht es abseits dieser doch schon sehr krassen Ausnahmefälle aus? Gibt es etwas, vor dem sich auch Durchschnittsbürger hüten sollten?

Tatsächlich ja. Das Stichwort hier heißt Fahrerflucht oder in Juristendeutsch: Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Das passiert täglich und bedeutet ein Risiko für den Führerschein – und zwar nicht nur, wenn eine Person verletzt ist. Auch bei hohen Sachschäden kann der Lappen schnell mal weg sein.

Dazu gibt es auch ein recht aktuelles Urteil des Landgerichts (LG) Hamburg. Konkret ging es um die Frage, wie hoch ein Sachschaden sein muss, um einen Entzug der Fahrerlaubnis rechtfertigen zu können. Die Richter:innen setzten hierfür 1.800 EUR an. Dieser Betrag wird aber alle paar Jahre von der Rechtsprechung angepasst, um der Inflation und Preisschwankungen gerecht zu werden.

Am besten bleiben Sie also nach einem Unfall – selbst wenn Sie diesen nur vermuten – an Ort und Stelle, schauen sich genau an, ob und was beschädigt wurde, informieren die Polizei und warten dann auf die Beamtinnen und Beamten oder den bzw. die Geschädigte:n. So stellen Sie nicht nur sicher, dass Sie sich nicht wegen Fahrerflucht strafbar machen, behalten so ebenfalls Ihre Fahrerlaubnis.