Im Abgasskandal hat das Landgericht Münster im Dezember 2020 einen Hinweis- und Beweisbeschluss erlassen. In diesem ging es um die für die Herstellerhaftung aus § 826 BGB geltenden Grundsätze. Das Landgericht widerspricht hier mit guten Gründen gegen die bisherige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte.

Sittenwidrige Schädigung wegen Abschalteinrichtung

Der Hinweis- und Beweisbeschluss des Landgerichts Münster ist im Nachgang zu den Grundlagenentscheidungen des BGH und EuGH ergangen. In diesen ging es um den Motor der Reihe EA 189 und die für die Herstellerhaftung aus § 826 BGB geltenden Grundsätze.

Der EuGH entschied am 17.12.2020 in dem Verfahren C-693/18, dass Abschalteinrichtung wie beispielsweise das Thermofenster unzulässig sind. Der vorsätzliche Einsatz einer solchen Abschalteinrichtung stellt im Sinne des § 826 BGB nach europäischem und nationalem Recht eine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung dar, die einen Anspruch auf Schadensersatz auslöst.

Wie entscheiden die Oberlandesgerichte?

Das OLG Düsseldorf ließ die Frage, ob es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, offen (Urt. V. 08.10.2020, Az. I-8 U 169/19). Im Gegensatz zu einer nur für den Prüfbetrieb eingerichteten Abschalteinrichtung, könne man ein sittenwidriges Handeln beim Thermofenster nicht ohne Weiteres annehmen. Die Annahme einer sittenwidrigen Schädigung sei zudem nicht möglich, da eine Auslegung, wonach das Thermofenster ausnahmsweise eine nach dem Art. 5 Absatz 2 Satz 2 lit. a VO EG 715/2005 zulässige Abschalteinrichtung darstellt, durchaus vertretbar sei.

Landgericht Münster stützt sich auf EuGH-Entscheidung

Laut EuGH ist eine Abschalteinrichtung nur dann gerechtfertigt, wenn sie sich als notwendig erweist, um den Motor vor dem Auftreten plötzlicher Schäden zu schützen. Hierauf stützt sich auch das Landgericht Münster. Die Entscheidung des EuGH war zum Zeitpunkt der Entwicklung des Motors zwar noch nicht bekannt, es ergab sich jedoch bereits aus Art. 5 Absatz 1 und 2 der Verordnung, dass eine Abschalteinrichtung, die faktisch den gesamten Normalbetrieb erfasst, nicht von der Unzulässigkeit ausgenommen sein kann.

Eine Auslegung des Art. 5 Verordnung käme nur in Betracht, wenn die Abschalteinrichtung nicht verheimlicht wird, sondern vor der Prüfung offengelegt und eine Genehmigung erteilt worden ist.

Auch die Landgerichte Münster, Hagen und München entscheiden im Hinblick auf den Einsatz des Thermofensters verbraucherfreundlich. Betroffene Kunden haben hier ggf. die Möglichkeit, Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung geltend zu machen.