Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) hat innerhalb und außerhalb des Gerichtsprozesses einen hohen Beweiswert. Der „gelbe Schein“ darf selbst dann nicht angezweifelt werden, wenn Arbeitnehmer:innen sich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist krankmelden, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen-Bremen.
Krankschreibung und Kündigung am gleichen Tag
Geklagt hatte ein Mitarbeiter einer Zeitarbeitsfirma. Ende April 2022 hörte sein Arbeitgeber auf, ihn einzusetzen. Kurze Zeit später meldete sich der Beschäftigte krank. Am exakt selben Tag erhielt er auch seine Kündigung. Weitere Folgebescheinigungen führten schließlich dazu, dass der Leiharbeitsnehmer bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses dem Betrieb fernblieb.
Der Arbeitgeber witterte einen Betrug und zahlte dementsprechend kein weiteres Entgelt. Weil die Dauer der Krankschreibung auf den Tag genau mit dem Ende der Kündigungsfrist zusammenfällt, sei die Beweiskraft der AU erschüttert, so das Argument. Es kam zum Rechtsstreit zwischen den beiden Parteien.
Achtung: Kündigung wegen Krankheit möglich!
Eine dauerhafte Krankheit des Arbeitnehmers kann den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigen. Voraussetzung dafür sind unzumutbare Fehlzeiten (Mindestens 30 Tage pro Jahr), eine negative Zukunftsprognose und ein Kündigungsinteresse des Arbeitgebers, das die Interessen des Arbeitnehmers überwiegt.
AU kann erschüttert werden
Das LAG entschied zugunsten des Arbeitnehmers. Nur ganz ausnahmsweise könne die Beweiskraft der AU erschüttert werden, so die Begründung. Der Arbeitgeber müsse konkrete Tatsachen nennen, die ernsthafte Zweifel an der Krankschreibung begründen. Ein bloßes Bestreiten reiche nicht.
Wann die Krankschreibung tatsächlich ihre Beweiskraft verliert, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits in der Vergangenheit entschieden. Die AU allein reicht nicht mehr aus, wenn:
- der Arbeitnehmer kündigt oder gekündigt wird,
- sich direkt nach seiner Kündigung krankschreiben lässt
- der Zeitraum der Krankschreibung mit der Kündigungsfrist überein stimmt
Krankschreibung war vor Kündigung
So habe sich der Fall aber gerade nicht abgespielt – im Gegenteil: Der Kläger reichte seine Krankschreibung ein, bevor er die Kündigung erhalten hat. Zudem handelte es sich nicht um eine AU für den gesamten Zeitraum, sondern um mehrere Einzelbescheinigungen. Beide Punkte lassen den Schluss zu, dass es sich bei der Überlappung zwischen Krankheit und Kündigung wirklich um einen Zufall handelte.
Da der Arbeitgeber keine sonstigen Gründe vortrug, die diese Vermutung widerlegen konnten, sprachen die Richter:innen dem Kläger eine Entgeltfortzahlung zu. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat man jedoch eine Revision zum BAG zugelassen. Gut möglich also, dass bald das höchste deutsche Arbeitsgericht ein letztes Mal über den Fall entscheiden wird.
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