Was der Europäische Gerichtshof (EuGH) schon längst entschieden hatte, scheint nun auch beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angekommen zu sein. In einem Schreiben an das Landgericht (LG) Berlin bezeichnete die Bundesbehörde Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtungen. Bahnt sich eine neue Rückrufwelle an?

KBA ändert Wording zu Thermofenstern

Manchmal reicht nur ein kleiner Satz, um eine große Wende im Dieselskandal einzuläuten. Das LG Berlin verhandelt aktuell eines von zahlreichen Abgasverfahren in ganz Deutschland. Im Mittelpunkt steht ein Mercedes B 180 CDI, der vom KBA bereits wegen zu hohen Schadstoffausstoßes zurückgerufen wurde. Jetzt verlangt der Kläger vom Hersteller Schadensersatz.

So weit, so normal. Doch das Besondere an diesem Verfahren ist die Stellungnahme des KBA, um die das Gericht im Prozess gebeten hat. Darin bewertete die Behörde nämlich das im Streitfahrzeug eingebaute Thermofensters als eine „unzulässige Abschalteinrichtung“. Bislang nutzte das KBA immer den Begriff „Konformitätsabweichung“, wenn es von Thermofenstern sprach.

Hinweis: Klage gegen KBA wegen Thermofenster
Neben den Herstellern muss sich vielleicht auch das KBA bald vor einem Gericht für das Thermofenster verantworten. Aktuell klagt die Deutsche Umwelthilfe vor dem Verwaltungsgericht Schleswig gegen zahlreiche Typengenehmigungen der Behörde.

Verfahren werden immer verbraucherfreundlicher

Woher aber kommt der plötzliche Sinneswandel? Das KBA liefert die Antwort in seiner Stellungnahme gleich mit. Begründet wurde das neue Wording mit den zunehmenden verbraucherfreundlichen Urteilen der Gerichte.

Insbesondere der EuGH habe in der Vergangenheit immer wieder klargestellt, dass Thermofenster gegen geltendes Unionsrecht verstoße, heißt es in dem Schriftsatz. Langsam aber sicher scheint selbst das KBA einzusehen, dass es keinen Sinn mehr hat, die massenhaften Manipulationen von Abgaswerten schönzureden.

Wichtiges EuGH-Urteil erwartet

Zudem fällt der EuGH bald eines der wohl wichtigsten Urteile im Abgasskandal seit dessen Bekanntwerden im Jahr 2015. Es geht um die Frage, ob Autobauer auch dann für illegale Abschalteinrichtungen haften, wenn sie diese nur fahrlässig in ihre Fahrzeuge haben einbauen lassen. Der BGH sowie ein Großteil der deutschen Gerichte verneinen das und fordern nach wie vor Vorsatz.

Der EuGH-Generalanwalt Athanasios Rantos dagegen plädiert für eine Schadensersatzpflicht, die auch bei Fahrlässigkeit greifen soll. Wenn sich die Richter:innen den Ausführungen Rantos’ anschließen – und das passiert relativ häufig – dürften die Karten im Dieselskandal noch einmal neu gemischt werden. Betroffene Autofahrer:innen hätten dann deutlich bessere Erfolgsaussichten vor Gericht, als ohnehin schon. Wir halten Sie natürlich weiterhin auf dem Laufenden.