Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist nach wie vor ein Tabuthema. Ein Großteil der meist weiblichen Opfer traut sich nicht, die Tat gegenüber dem Arbeitgeber, geschweige denn der Polizei anzuzeigen. Umso wichtiger dürfte deshalb ein neues Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Berlin sein, welches zeigt, dass den Tätern Konsequenzen drohen.

Triggerwarnung: Im folgenden Artikel geht es um sexualisierte Gewalt. Er enthält konkrete Schilderungen einer sexuellen Belästigung, die auf Betroffene retraumatisierend wirken können. Wenn Sie sich mit dem Thema unwohl fühlen, lesen Sie den Text lieber nicht oder nicht alleine. Am Ende der Seite haben wir Hilfs- und Anlaufstellen für Menschen verlinkt, die von sexualisierter Gewalt betroffen waren oder sind.

Ungewollte Berührung am Arbeitsplatz

Jede elfte Person hat schon einmal Erfahrungen mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gemacht. Das geht aus einer 2019 veröffentlichten Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hervor. Trotz der verheerenden Folgen, die eine solche Tat bei den Opfern hinterlässt, kommen viele Täter ungestraft davon. Dabei zeigt ein Urteil des ArbG Berlin, dass es auch anders gehen kann.

Gegenstand des Prozesses war die Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers, der 19 Jahre lang bei einer Bundesbehörde beschäftigt gewesen war. Während einer Dienstschicht klagte seine Kollegin über Rückenschmerzen. Der Mann bot ihr daraufhin an, ihren Rücken für sie abzutasten. Sie willigte ein. Ebenfalls einverstanden war die Arbeitnehmerin damit, dass hierfür auch ihr Oberteil hochgeschoben und ihr BH geöffnet wird.

Nach dem Abtasten griff der Kläger dann ohne Einwilligung an die unbekleideten Brüste seiner Kollegin. Diese meldete den Vorfall bei ihrem gemeinsamen Arbeitgeber, worauf der Mitarbeiter eine fristlose Kündigung erhielt.

Hinweis: Arbeitgeber müssen Beschwerdestelle im Betrieb einrichten
Arbeitgeber sind nach § 13 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dazu verpflichtet, Beschwerdestellen und/oder Ansprechpartner:innen für ihre Mitarbeitenden einzurichten, an die sie sich im Falle einer Diskriminierung bzw. Belästigung wenden können.

Außerordentliche Kündigung nach sexueller Belästigung gerechtfertigt

Gegen die Kündigung wehrte sich der Mann und zog vor Gericht. Er behauptete, die Brust seiner Kollegin nur aus Versehen berührt zu haben, als er ihren BH wieder schließen wollte. Außerdem hätte sein Arbeitgeber gerade in Betracht seiner langen Dienstzeit zunächst eine Abmahnung erteilen müssen.

Das sah das Gericht anders: Es hielt das „Versehen“ des Klägers für eine billige Ausrede. Die Schilderungen der Kollegin seien dagegen deutlich glaubhafter. Zudem konnte das Gericht keine Anhaltspunkte dafür finden, warum die Frau ihn zu Unrecht beschuldigen sollte. Eine Abmahnung sei bei einer sexuellen Belästigung nicht erforderlich – im Gegenteil: Das Verhalten des Klägers stelle nicht nur eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, sondern sei mitunter auch strafbar. Trotz langer Betriebszugehörigkeit fiele die Interessenabwägung deswegen zu seinen Lasten aus. Die Kündigung sei rechtmäßig, so die Richter:innen.

Konsequenzen für Täter

Leider sind so deutliche Konsequenzen, wie das ArbG Berlin sie gegenüber dem Täter verhängt hat, eher selten. Umso wichtiger dürfte die Signalwirkung des Urteils sein. Es bleibt zu hoffen, dass dadurch mehr Betroffene solche Taten in Zukunft anzeigen. Denn: Wer den Mut hat, sich zu wehren, trägt zu mehr Aufmerksamkeit bei und schützt dadurch sich und andere.

Quelle:

Anlaufstellen für Opfer von sexualisierter Gewalt: