Probearbeiten: Definition, Einordnung und Abgrenzung
Das Probearbeiten, auch Einfühlungsverhältnis genannt, dient dem gegenseitigen Kennenlernen von Arbeitnehmer:in und Arbeitgeber in der Praxis. Viele Unternehmen bedienen sich dieser Möglichkeit, um nach einem erfolgreichen Bewerbungsgespräch den positiven Eindruck zu festigen. So klar die Idee dahinter jedoch erscheint, so schmal ist mitunter der Grat zwischen einem pflichtfreien Reinschnuppern und dem Schließen eines Arbeitsverhältnisses.
Arbeitnehmer:innen wissen oft nicht, was ihr potenzieller Arbeitgeber von ihnen verlangen darf – und wann ein Überschreiten der arbeitsrechtlichen Regelungen zu Ansprüchen aufseiten des Bewerbers bzw. der Bewerberin führt. Wir liefern Ihnen alle relevanten Informationen.
Hinweis: gesetzliche Regelungen
Einen eigenen Gesetzesabschnitt zum Thema Probearbeit sieht das Arbeitsrecht zwar nicht vor. Gleichwohl ist definiert, wann von einem Arbeitsverhältnis auszugehen ist. Diese Regelungen setzen dem Einfühlungsverhältnis klare Grenzen.
Wichtig für Sie sind dabei in erster Linie die Unterschiede zwischen:
- Probearbeiten,
- Probearbeitsverhältnis,
- Probezeit.
Im Rahmen von Probearbeit erhalten Sie über einen gewissen Zeitraum – in der Regel zwischen einem und drei Tagen – Einblicke in die Arbeitsabläufe bei einem potenziellen Arbeitgeber. Dabei bestehen keinerlei arbeitsrechtliche Rechte und Pflichten zwischen Ihnen und dem Unternehmen.
Der Vollständigkeit halber gehen wir in diesem Ratgeber auch auf das Probearbeitsverhältnis und die Probezeit ein. In erster Linie wird jedoch das Probearbeiten thematisiert, insbesondere vor dem Hintergrund eines bestehenden Arbeitsverhältnisses bei einem anderen Arbeitgeber, dem Versicherungsschutz, der Dauer und den Verpflichtungen bei Bezug von ALG I.
Anders verhält es sich beim Probearbeitsverhältnis und während der Probezeit. Wenngleich alle drei Maßnahmen ein ähnliches Ziel verfolgen – es dient der Feststellung, ob Bewerber:in und Job bzw. Unternehmen zueinander passen – ist das Arbeitsverhältnis hier an Rechte und Pflichten geknüpft, die vertraglich festgehalten werden. So besteht bspw. ein Anspruch auf Vergütung. Beim Probearbeiten ist keine Bezahlung vorgesehen. Auf das Thema Vergütung gehen wir im Weiteren noch genauer ein.
Ein Probearbeitsverhältnis kann als befristetes wie auch unbefristetes Arbeitsverhältnis geschlossen werden. Letzterem wird oft eine Probezeit vorgeschaltet. Die beträgt in der Regel sechs Monate und findet sich in einer Vielzahl von Arbeitsverträgen.
Wichtig: Vertrag für Probearbeiten
Probearbeiten ist ohne Vertrag möglich. Es empfiehlt sich jedoch, die Rahmenbedingungen festzuhalten, um Klarheit auf beiden Seiten zu schaffen. Aufgrund der fehlenden Verpflichtung zwischen dem bzw. der Bewerber:in und dem Unternehmen sind die Rechte und Pflichten stark eingeschränkt.
In der folgenden Tabelle haben wir die Unterschiede zwischen Probearbeiten, Probearbeitsverhältnis und Probezeit noch einmal gegenübergestellt.
Dauer und Bezahlung: Das gilt beim Probearbeiten
Es gibt keine gesetzliche Regelung, die die Dauer von Probearbeit genau definiert. Üblich sind in der Praxis allerdings ein bis drei Tage, oft auch nur wenige Stunden. Sollen Sie über einen längeren Zeitraum ran, ist Vorsicht geboten: Unter Umständen entsteht ein richtiges Arbeitsverhältnis – auch ohne Unterzeichnung eines Vertrags. Damit hätten Sie Anspruch auf eine Bezahlung.
Probearbeiten muss nicht bezahlt werden. Da diese Maßnahme lediglich einem Kennenlernen dient, ist keine Vergütung vorgesehen. Gleichwohl ist es Ihrem potenziellen Arbeitgeber freigestellt, ob er Sie bezahlt oder mindestens eine Aufwandsentschädigung für z.B. Fahrtkosten und/oder Verpflegung leistet.
Wie bereits angeschnitten, wird aus einem Einfühlungsverhältnis jedoch schnell ein Arbeitsverhältnis mit Vergütungsansprüchen. Um das zu verhindern, sollten gewisse Maßstäbe eingehalten werden.
Während des Probearbeitens: Wichtige Maßstäbe
Entwickelt sich ein Probearbeiten zu einem Arbeitsverhältnis, ist oft von einem sogenannten stillschweigenden Vertragsschluss bzw. konkludenten Handeln die Rede. Durch unbedachtes Verhalten kommt ein Vertrag zustande. Beim Einfühlungsverhältnis müssen in dem Kontext bestimmte Maßstäbe eingehalten werden. Um Beispiele zu nennen:
- Arbeitspflicht und verwertbare Arbeitsleistung: Sie dürfen weder verpflichtet sein, beim Probearbeiten bestimmte Aufgaben zu erfüllen, noch dürfen diese einen wirtschaftlichen Wert für das Unternehmen haben.
- Bindung an Arbeits- und Pausenzeiten: Sie bestimmen, wann Sie mit dem Probearbeiten beginnen und wann Sie Pause machen. Ihr potenzieller Arbeitgeber hat Ihnen gegenüber kein Weisungsrecht.
- Vergütung: Probearbeiten wird nicht bezahlt. Lediglich eine Aufwandsentschädigung ist unter Umständen drin. Die basiert aber auf Freiwilligkeit.
- Arbeitskleidung: Das Tragen von Dienstkleidung darf für Sie nicht verpflichtend sein.
Verstößt Ihr potenzieller Arbeitgeber gegen eine dieser Vorgaben, können Sie das zu Ihrem Vorteil auslegen. Ob Sie sich und Ihrem künftigen Beschäftigungsverhältnis damit aber einen Gefallen tun, sollten Sie sorgfältig abwägen. Dass beispielsweise im Zuge eines Probetages Tätigkeiten verrichtet werden, die einen wirtschaftlichen Wert für das Unternehmen haben, ist nicht ungewöhnlich. Immerhin dient es dem Kennenlernen Ihrer zukünftigen Aufgaben.
Bestehendes Arbeitsverhältnis: Ist Probearbeiten erlaubt?
Probearbeit trotz Arbeitsverhältnis – klingt problematisch, ist es aber nicht zwingend. Maßgeblich ist vor allem die Situation, in der Sie sich befinden. Wir nehmen drei mögliche Szenarien in den Blick.
- Sie befinden sich in einem befristeten Arbeitsverhältnis: Hier besteht mitunter ein Anspruch auf Freistellung für Probearbeiten. Das geht aus § 629 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hervor. Hintergrund ist, dass Ihr aktueller Arbeitgeber Ihnen die Zeit geben muss, sich um eine neue Anstellung zu kümmern. Ist die an ein Probearbeiten gebunden, ist eine Freistellung zu gewähren.
- Ihr Arbeitsverhältnis wurde gekündigt: § 629 BGB greift auch, wenn Ihnen gekündigt wurde. Ihr Arbeitgeber muss Sie auf Verlangen für ein Probearbeiten freigeben.
Wichtig: Freistellung auf Verlangen
Eine Freistellung zum Probearbeiten müssen Sie gegenüber Ihrem Arbeitgeber ausdrücklich verlangen. Das sollte möglichst frühzeitig und unter Nennung der voraussichtlichen Dauer erfolgen. Ihren potenziellen neuen Arbeitgeber müssen Sie nicht nennen.
- Sie befinden sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis: Bei unbefristeter Anstellung besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Freistellung. Möglicherweise möchten Sie noch nicht einmal, dass Ihr (Noch-) Arbeitgeber davon Wind bekommt, dass Sie sich nach einer neuen Stelle umschauen. In diesem Fall bleibt Ihnen nur ein heimliches Probearbeiten. Das kann jedoch Konsequenzen nach sich ziehen – auch, wenn das Probearbeiten im Urlaub erfolgt. Nicht weniger problematisch sieht es beim Probearbeiten während einer Krankschreibung aus.
Heimlich Probearbeiten: Mögliche Konsequenzen
Probearbeiten während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses birgt Risiken für Ihre aktuelle Anstellung. Selbst wenn Sie sich dafür Urlaub nehmen, kann Ihr Arbeitgeber das „Fremdarbeiten“ als Verstoß gegen die Treuepflicht werten – vor allem, wenn Sie bei der Konkurrenz anheuern. Mögliche Folgen sind eine Abmahnung, unter bestimmten Umständen ist auch eine fristlose Kündigung denkbar.
Das gilt auch beim Probearbeiten trotz Arbeitsverhältnis und Krankschreibung. Eine fristlose Kündigung ist in einem solchen Fall wahrscheinlich. Immerhin handelt es sich dabei um einen schweren Vertrauensbruch.
Wichtig: Probearbeiten während Krankschreibung
Grundsätzlich ist es erlaubt, während einer Krankschreibung auf Probe zu arbeiten, sofern Sie sich dazu in der Lage fühlen und es Ihre Genesung nicht gefährdet. Ihr Versicherungsschutz bleibt beim Probearbeiten bestehen. Das gilt sowohl für die Kranken- als auch für die Unfallversicherung.
Versicherungsschutz beim Probearbeiten
Auf Versicherungsschutz müssen Sie beim Probearbeiten nicht verzichten: Sie sind gesetzlich unfallversichert. Das bestätigt auch ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2019 (Az. B 2 U 1/18 R). Als sogenannte „Wie-Beschäftigte“ sind Bewerber:innen unfallversichert, sofern Sie Tätigkeiten ausüben, die einem Beschäftigungsverhältnis ähneln.
Ebenso bleibt der Schutz Ihrer Krankenversicherung beim Probearbeiten bestehen. Das gilt auch, wenn Sie eigentlich krankgeschrieben sind. Wichtig ist, dass Sie sich fit genug fühlen, um Ihrem Einfühlungstag gerecht zu werden. Zudem gibt es keine Bescheinigung, die Ihre Arbeitsunfähigkeit wieder aufhebt. Ob Sie arbeiten oder nicht, bleibt Ihnen überlassen.
Neben der Kranken- und Unfallversicherung ist beim Probearbeiten noch eine weitere Versicherung von Belang: die Haftpflichtversicherung. Missgeschicke passieren! Beschädigen Sie im Zuge eines Probearbeitstages etwas im Betrieb Ihres potenziellen Arbeitgebers, kommt dafür in aller Regel die Haftpflichtversicherung auf.
Probearbeiten anmelden: Wer muss informiert werden?
Da es sich beim Probearbeiten lediglich um ein unverbindliches Kennenlernen handelt, bestehen keinerlei Meldepflichten gegenüber Ämtern und Behörden wie dem Finanzamt oder Sozialversicherungsträgern.
Sind Sie allerdings arbeitslos beziehungsweise arbeitssuchend gemeldet, ist es wichtig, dass Sie ein Einfühlungsverhältnis der Bundesagentur für Arbeit oder dem Jobcenter melden. Je nachdem, ob Sie Arbeitslosengeld (ALG) oder Bürgergeld beziehen.
Insbesondere beim Erhalt von ALG kann nicht gemeldetes Probearbeiten vonseiten des Arbeitsamts zu einer Rückforderung führen. Hintergrund ist, dass Sie für die Dauer des Kennenlernens nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Bei Bürgergeld hingegen unterstützt Sie das Jobcenter unter Umständen hinsichtlich anfallender Fahrtkosten, Kinderbetreuung oder Arbeitskleidung.
Probearbeiten: Vertrag ja oder nein?
Für das Probearbeiten gibt es keine gesetzliche Regelung, die einen Vertrag vorschreibt. Dennoch ist es ratsam, gewisse Bedingungen zu vereinbaren und festzuhalten. Das schafft Klarheit und rechtliche Sicherheit auf beiden Seiten – insbesondere für Sie als Arbeitnehmer:in.
Hinweis: fehlender Vertrag
Ohne vertragliche Vereinbarungen ist nicht auszuschließen, dass Probearbeiten im Nachhinein als Arbeitsverhältnis eingestuft wird. Das hat in erster Linie Konsequenzen für den potenziellen Arbeitgeber. Mögliche Folgen sind: eine nachträgliche Vergütungspflicht und die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Folgende Punkte sollten sich im Vertrag finden:
- Namen beider Parteien,
- Ort und Dauer des Einfühlungsverhältnisses,
- Zweck der Maßnahme,
- Hinweis, dass keine Arbeitsverpflichtung besteht,
- Ausschluss einer Vergütung,
- ggf. Aufwandsentschädigung,
- Vermerk zum Hausrecht,
- Beendigungsmöglichkeiten,
- Ausschluss des Anspruchs auf eine Festanstellung.
Tipps für ein gelungenes Probearbeiten
Damit Ihr Probearbeiten zu einem erfolgreichen Ende führt, gibt es einige Tipps, die Sie berücksichtigen können.
- Unternehmen kennen: Informieren Sie sich möglichst gut über Ihren potenziellen Arbeitgeber. Das zeigt echtes Interesse.
- Pünktlichkeit & Vorbereitung: Seien Sie pünktlich und verzichten Sie am Tag Ihrer Probearbeit möglichst auf weitere Termine. Konzentrieren Sie sich ganz auf Ihre mögliche zukünftige Stelle.
- Kleidung: Fragen Sie bei Unsicherheiten, ob es einen Dresscode gibt.
- Kein Perfektionismus: Probearbeiten bedeutet nicht, alles zu können und zu wissen. Arbeitgeber wissen, dass Einarbeitung nötig ist. Das Einfühlungsverhältnis dient dem gegenseitigen Kennenlernen. Seien Sie neugierig und fragen Sie nach.
- Chance nutzen: Das Probearbeiten ermöglicht es Ihnen, das Unternehmen zu “testen”. Achten Sie auf die Atmosphäre und ob das Team und die Aufgaben zu Ihnen passen.
Quellen: