Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Eigenkündigung
Selbst kündigen? Viele Arbeitnehmer sehen davon aufgrund einer drohenden Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I (kurz ALG 1, ALG I) ab. Dabei kann eine Eigenkündigung unter Umständen durchaus legitim sein. Immerhin setzt eine Sperre versicherungswidriges Verhalten voraus.
Die Agentur für Arbeit ist zuständig für die Bearbeitung von Arbeitslosengeld 1. Da es sich dabei um eine Versicherungsleistung handelt, prüft die Behörde im Falle von (bevorstehender) Arbeitslosigkeit ganz genau, ob eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld verhängt werden kann.
Bei Eigenkündigung ist eine Sperrzeit möglich, sofern Arbeitnehmer ihr Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund beendet haben. Das stellt nach Ansicht der Arbeitsagentur versicherungswidriges Verhalten dar. Und so ist es auch im Sozialgesetzbuch verankert: § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III.
Berechtigte Gründe für Arbeitsaufgabe
Bei eigenständiger Arbeitsaufgabe haben Sie unter „normalen“ Umständen also erst einmal keine Zahlung von ALG I zu erwarten. Anders verhält es sich aber, wenn Sie einen wichtigen Grund vorzubringen haben. Doch auch dann sollten Sie nicht auf eine vorherige Rücksprache mit der Agentur für Arbeit verzichten.
Triftige Gründe für Arbeitsaufgabe können bspw. vorliegen, wenn:
- Sie Ihrer Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nachkommen können
- an Ihrem Arbeitsplatz widrige Umstände vorherrschen – etwa aufgrund von Mobbing, Bossing, Nichteinhalten von Unfallvorschriften
- Ihre Arbeitssituation Sie nachweislich überfordert
- Sie mit Ihrem Ehepartner einen gemeinsamen Haushalt gründen wollen und deshalb umziehen müssen (Einschränkungen sind hier allerdings möglich)
- Sie zusammen mit dem anderen Elternteil eine Erziehungsgemeinschaft gründen möchten und daher umziehen müssen
- der Grund für Ihre Arbeitsaufgabe auf ausbleibendem Lohn basiert und eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist
- eine ernstzunehmende Aussicht auf eine neue Anstellung besteht und Sie deshalb kündigen
- Sie einen Aufhebungsvertrag unterschreiben, da Ihnen ansonsten eine betriebliche oder personenbedingte Kündigung droht
Liegt einer dieser Gründe bei Ihnen vor, ist es wichtig, dass Sie der Arbeitsagentur das auch nachweisen. Ein ärztliches Attest, Gesprächsdokumentationen, schriftliche Schilderungen sowie Lohnabrechnungen und/oder Kontoauszüge können dazu dienen.
Wichtig: Haushaltsgründung mit Ehepartner
Der Zusammenzug stellt nur einen wichtigen Grund dar, wenn es sich um Eheleute handelt. Bei unehelichen Partnerschaften droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I.
Aufhebungsvertrag: Dann droht Sperrzeit beim Arbeitslosengeld 1
Eine Abfindung lockt – und doch sollte ein Aufhebungsvertrag nicht leichtfertig unterschrieben werden. Immerhin droht auch hier eine Sperrzeit beim ALG I. Der Grund: Die Arbeitsagentur setzt einen Aufhebungsvertrag oftmals mit einer Eigenkündigung gleich.
Droht Ihnen jedoch eine betriebsbedingte oder personenbedingte Kündigung, können Sie die Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses in aller Regel nicht abwenden – ein Aufhebungsvertrag stellt in dem Fall einen wichtigen Grund dar.
Grundsätzlich gibt es drei Fälle, in denen die Arbeitsagentur von einer Sperrzeit absieht:
Drohende Kündigung: Ihr Arbeitgeber hat Ihnen bereits offenbart, dass eine betriebsbedingte oder personenbedingte Kündigung droht, sofern der Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet wird.
Wichtig: Rechtmäßigkeit der Kündigung unerheblich
Bei einer angedrohten Kündigung als Alternative zum Aufhebungsvertrag ist es unerheblich, ob die Kündigung rechtmäßig gewesen wäre. Die bloße Androhung genügt in diesem Fall.
Berücksichtigung der Kündigungsfrist: Der Aufhebungsvertrag wahrt die Kündigungsfrist, die für Sie bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte. Missachtet Ihr Arbeitgeber diese Voraussetzung, kommt es zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld und möglicherweise zum Ruhen nach § 158 SGB III.
Abfindung ist Pflicht: Um eine Sperrzeit nach einem Aufhebungsvertrag zu vermeiden, muss eine Abfindung gegeben sein. Dabei sollte diese nicht höher sein als ein halbes Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit. Anderenfalls kann es zur Anzweiflung der Rechtmäßigkeit der angedrohten Kündigung kommen.
Haben Sie einen Aufhebungsvertrag erhalten, empfiehlt es sich grundsätzlich, diesen von einem Fachanwalt bzw. einer Fachanwältin für Arbeitsrecht prüfen zu lassen. Zum einen können Sie so eine mögliche Sperrzeit beim ALG I vermeiden. Zum anderen erhalten Sie eine reelle Bewertung der Höhe Ihrer Abfindung und können ggf. nachverhandeln, sollte sich herausstellen, dass Ihr Arbeitgeber hier zu niedrig angesetzt hat.
Sperrzeit bei verhaltensbedingter Kündigung
Die Gewährung von Arbeitslosengeld 1 setzt voraus, dass Arbeitnehmer nicht versicherungswidrig gehandelt und so die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses herbeigeführt haben. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung ist aber genau das oftmals der Fall: Das Beschäftigungsverhältnis wird aufgrund eines Fehlverhaltens aufgelöst.
Hinweis: Verhaltensbedingte Kündigung muss gerechtfertigt sein
Eine Sperrzeit beim ALG I nach verhaltensbedingter Kündigung setzt voraus, dass die Kündigung berechtigt war. Es muss also zu einer erheblichen Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer gekommen sein.
Wurde Ihnen unrechtmäßig verhaltensbedingt gekündigt, sollten Sie im Zuge einer Kündigungsschutzklage dagegen vorgehen, um die Unwirksamkeit der Kündigung gerichtlich feststellen zu lassen. Das empfiehlt sich im Übrigen auch bei jedem anderen Kündigungsgrund.
Kündigungsschutzklage und ihre Bedeutung für mögliche Sperrzeit
Mit einer Kündigungsschutzklage symbolisieren Sie der Arbeitsagentur, dass Sie Ihr Arbeitsverhältnis nicht leichtfertig aufgeben. Das kann sich vor allem bei einer verhaltensbedingten Kündigung sprichwörtlich auszahlen. Denn nicht selten geht die mit einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I einher. Eine Kündigungsschutzklage kann Sie bestenfalls davor bewahren.
Dauer der Sperrzeit beim Arbeitslosengeld 1
Die Sperrzeit beim Arbeitslosengeld 1 kann bis zu zwölf Wochen betragen. Schon ein Meldeversäumnis bzw. die verspätete Arbeitssuchendmeldung bei der Agentur für Arbeit kann dabei bares Geld kosten. Grundsätzlich gilt: Sobald ein Arbeitnehmer von einer bevorstehenden Arbeitslosigkeit erfährt, bedarf es binnen drei Tagen einer Meldung bei der Behörde.
Hinweis: Frühzeitige Kenntnis über Ende des Arbeitsverhältnisses
Arbeitnehmer müssen sich spätestens drei Monate vor Ablauf ihres Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend melden, sofern sie frühzeitig Kenntnis über das Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses haben.
Haben Sie einen befristeten Arbeitsvertrag, rechnen aber mit einer Verlängerung, sollten Sie sich dennoch bei der Arbeitsagentur melden – sofern Ihnen eine Weiterbeschäftigung (noch) nicht schriftlich vorliegt.
Je nach Grund für eine Sperrzeit kann sich diese unterschiedlich lang hinziehen. Im Folgenden haben wir Ihnen eine Übersicht zusammengestellt.
Sperrzeit wegen fehlender Eigenbemühung
Wie in der Tabelle ersichtlich, droht nicht nur bei Eigenkündigung, verhaltensbedingter Kündigung oder bei Aufhebungsvertrag eine Sperrzeit beim ALG 1. Auch fehlende Eigenbemühung kann die Arbeitsagentur dazu veranlassen, eine Sperre zu verhängen.
Wer vor der Arbeitslosigkeit steht oder bereits arbeitssuchend ist, ist grundsätzlich dazu angehalten, sich rechtzeitig um ein neues Arbeitsverhältnis bzw. um Wiederaufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses zu bemühen. Die Agentur für Arbeit unterstützt dabei mit unterschiedlichen Angeboten. Schlagen Sie diese aus, kann es ebenfalls zu einer Sperre kommen.
Wichtig: Keine Sperre bei fehlender Belehrung
Die Arbeitsagentur muss Sie über eine mögliche Sperrzeit bei Ablehnung von Vermittlungsvorschlägen belehren. Ein pauschaler Hinweis auf einem Merkblatt genügt dabei nicht aus. Hat es keine ausreichende Belehrung gegeben, kann auch keine Sperre beim ALG I verhängt werden.
Um konkrete Beispiele zu nennen:
- Ihnen wird eine Beschäftigung angeboten, doch Sie lehnen ab oder verhindern gar, dass ein Arbeitsverhältnis geschlossen wird.
- Sie bemühen sich selbst nicht aktiv um die Wiederaufnahme einer Beschäftigung und versenden dementsprechend auch keine Bewerbungsschreiben.
- Sie lehnen eine berufliche Eingliederungsmaßnahme, einen Integrationskurs oder eine Deutschsprachförderung ab.
- Eine berufliche Eingliederungsmaßnahme, einen Integrationskurs oder eine Deutschsprachförderung wird von Ihnen vorzeitig beendet.
Auswirkungen der Sperrzeit auf die Bezugsdauer
Während der Sperrzeit haben Sie keinerlei Anspruch auf die Zahlung von ALG 1. Dabei ruhen Ihre Bezüge nicht bloß – Ihr Anspruch verringert sich tatsächlich um die Dauer der Sperre.
Hinweis: Abgrenzung zu Ruhenszeit
Die Ruhenszeit bewirkt, dass die Auszahlung von ALG 1 zu einem späteren Zeitpunkt beginnt. Der Auszahlungszeitraum verkürzt sich dadurch jedoch nicht – er verschiebt sich lediglich nach hinten.
Genauer: Haben Sie einen grundsätzlichen Anspruch auf ALG I von zwölf Monaten und eine Sperrzeit von zwölf Wochen, verkürzt sich Ihre Anspruchsdauer auf neun Monate.
Verkürzung der Sperrzeit – diese Optionen haben Sie
Ist es aufgrund einer Arbeitsaufgabe zu einer Sperrzeit gekommen, beträgt diese in aller Regel zwölf Wochen. Unter bestimmten Voraussetzungen sind Kürzungen drin:
- drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs ohnehin geendet hätte
- sechs Wochen, wenn das Beschäftigungsverhältnis binnen zwölf Wochen auch ohne Eigenkündigung geendet hätte
- ebenfalls sechs Wochen, wenn die Sperrzeit eine besondere Härte darstellt
Letzteres ist immer einzelfallabhängig. So kann eine besondere Härte gegeben sein, wenn die Arbeitsagentur vorab falsche Auskünfte gegeben hat, ein Irrtum über Rechtsvorschriften vorlag oder ein Aufhebungsvertrag die reguläre Kündigungsfrist unterschritten hat.
Krankenversicherung während der Sperrzeit – wer zahlt?
Wurde Ihnen eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld auferlegt, ist Ihnen der Krankenversicherungsschutz im ersten Monat der Arbeitslosigkeit aufgrund der gesetzlichen beitragsfreien Nachversicherungspflicht sicher. Die gesetzliche Grundlage dazu findet sich in § 19 (2) SGB V.
Hinweis: Nachversicherungspflicht
Krankenkassen sind bei einer zeitlichen Lücke im Versicherungsschutz dazu verpflichtet, beitragsfrei weiter zu versichern – über einen Zeitraum von bis zu vier Wochen.
Ab dem zweiten Monat springt dann die Agentur für Arbeit ein und übernimmt die Beiträge zur Krankenversicherung.
Ein Anspruch auf Krankengeld besteht indes nicht. Sind Sie während einer Sperrzeit länger als sechs Wochen krankgeschrieben, steht Ihnen für die Dauer der Sperrzeit kein Krankengeld zu.
Ebenso fließen keine Beiträge in die Rentenversicherung. Der Grund: Die Sperrzeit wird im Rentenverlauf als Fehlzeit gewertet.
Sperrzeit vermeiden – Ihre Möglichkeiten
Bei Eigenkündigung lässt sich eine Sperrzeit unter bestimmten Voraussetzungen umgehen. Sofern Ihnen ein wichtiger Grund gegeben ist, sollten Sie in jedem Fall versuchen, der Arbeitsagentur diesen auch nachzuweisen.
Eine Sperrzeit lässt sich bspw. vermeiden, wenn:
- Sie bereits eine neue Stelle in Aussicht haben und das auch belegen können – unerheblich ist dabei, ob es letztlich tatsächlich mit der neuen Anstellung klappt
- auch eine fristlose Eigenkündigung in Ihrem Fall legitim gewesen wäre
- Sie das Arbeitsverhältnis aufgrund von Überforderung beenden wollen bzw. müssen – dafür braucht es in aller Regel ein Attest
- Ihre Eigenkündigung der Familienzusammenführung geschuldet ist – das kann sich auf den Zusammenzug von Eheleuten beziehen, sowie auf den Zusammenzug zweier Partner zur Gründung einer Erziehungsgemeinschaft
- Sie Ihr Arbeitsverhältnis aufgeben, um ein Familienmitglied zu pflegen
Sperrzeit verhängt? So legen Sie Widerspruch ein
Eine Sperre beim ALG müssen Sie nicht widerspruchslos hinnehmen. Nach Erhalt des Bescheids über die Sperrzeit haben Sie einen Monat Zeit, um mit einem Widerspruch dagegen vorzugehen. Schildern Sie dabei möglichst eindeutig, welcher wichtige Grund Ihnen Anlass zur Eigenkündigung gegeben hat, weshalb Sie einen Aufhebungsvertrag unterschrieben haben oder Sie Ihre Mitwirkungspflichten nicht erfüllen konnten.
Legen Sie Ihrem Widerspruch alle Belege bei, die Sie entlasten und Ihre Angaben stützen. Die Nachweise können ganz unterschiedlicher Natur sein:
- ärztliches Attest
- E-Mail, die belegt, dass Ihnen eine neue Anstellung zugesagt wurde
- Gesprächsprotokolle
Den Widerspruch können Sie schließlich schriftlich einreichen oder beim zuständigen Mitarbeiter bei der Arbeitsagentur zur Niederschrift vortragen. Achten Sie dabei in jedem Fall auf die einmonatige Frist.