Nach Quiet und Loud Quitting schwappt der nächste Arbeitstrend aus den USA zu uns herüber: Das Live Quitting. Dabei filmen sich Mitarbeitende während eines Kündigungsgesprächs selbst und stellen das Video dann ins Netz. Unser Anwalt im Arbeitsrecht, Hannes Jürgens, nimmt den Trend genauer unter die Lupe.
Live Quitting soll Menschen beim Kündigen zeigen. Ist eine Kündigung in mündlicher Form überhaupt wirksam?
In Deutschland wird das eher schwierig. § 623 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sieht für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen die Schriftform vor. Eine mündlich ausgesprochene Kündigung ist daher unwirksam.
Es gibt zwar vereinzelte Gerichte wie das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, die eine Kündigung – wie es so schön heißt –„per Sprechakt“ als wirksam ansehen, wenn sich der Gekündigte treuwidrig auf das Schriftformerfordernis beruft. Darauf verlassen sollten sich als Arbeitnehmer:innen aber nicht. Wer wirklich und ernsthaft seinen Arbeitsplatz verlassen will, muss sich (zusätzlich) an ein Schreiben setzen.
Gibt es daneben nicht auch datenschutzrechtliche Probleme? Schließlich wird der Arbeitgeber ja meist ohne dessen Wissen aufgenommen.
Stimmt, das kommt noch hinzu. Schon das Aufzeichnen und Mitschneiden eines Gesprächs, egal ob in Person oder über Zoom, dürfte einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des bzw. der Gesprächspartner:in darstellen – von der Veröffentlichung im Internet mal ganz abgesehen.
Das Ganze kann neben strafrechtlichen Konsequenzen auch Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers nach sich ziehen. Übrigens sind heimliche Aufzeichnungen in einem Prozess als Beweismittel unzulässig und können sowohl eine ordentliche als auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Für die Live Quitter ist das aber natürlich eher uninteressant.
Drohen noch andere Konsequenzen?
Na ja, es gilt die eiserne Regel des Internets: Was einmal dort landet, bleibt für immer dort. Potenzielle Arbeitgeber können bei einem Background-Check auf besagtes Video stoßen und sich dann gegen den bzw. die Urheber:in entscheiden. Schließlich will niemand unfreiwillig irgendwo im Internet landen. Im Regelfall schießen sich Arbeitnehmer:innen damit also ins eigene Bein.
Außerdem sollte man sich immer auch bewusst machen, dass dieser Trend aus den USA kommt – ein Land, in dem andere rechtliche und gesellschaftliche Regeln gelten, die nicht eins zu eins auf Deutschland übertragbar sind.
Was hältst du abseits von deiner Rolle als Anwalt persönlich von diesem Trend?
Nun als Arbeitsrechtler, der ausschließlich Arbeitnehmer:innen vertritt, begrüße ich es grundsätzlich immer, wenn Mitarbeitende ihren Wert kennen und ein Arbeitsverhältnis, in dem sie nicht glücklich sind, verlassen möchten.
Beim Live Quitting stelle ich mir aber die Frage nach dem Warum. Was veranlasst Menschen dazu, einen so vertraulichen Moment zwischen ihnen und ihren Chefs aufzuzeichnen und zu veröffentlichen? Likes und Zuspruch zu bekommen fühlt sich gut an; keine Frage, aber ist es das wert, sich deswegen so unsensibel zu verhalten oder sogar Straftaten dafür in Kauf zu nehmen? Ich persönlich denke nicht.