Eine 89-jährige Mieterin darf in ihrer Wohnung bleiben. Das Landgericht Berlin hat eine entsprechende Eigenbedarfskündigung ihrer Vermieterin für unwirksam befunden. Eine Interessenabwägung gehe zugunsten der älteren Dame aus, die durch die Kündigung ihres Mietvertrags viel mehr zu verlieren habe, als ihre Vermieterin.
Mieterin erhält nach 18 Jahren eine Eigenbedarfskündigung
Die beklagte Mieterin lebte bereits seit 1997 in der Wohnung und mietete sie zusammen mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann von den Vorgängern ihrer jetzigen Vermieterin an. 2015 erhielten sie dann die erste von vielen Eigenbedarfskündigungen. Die Mieter widersprachen der Kündigung und verwiesen dabei auf:
- Ihr hohes Alter
- Ihren schlechten Gesundheitszustand
und
- Ihre beschränkten finanziellen Mittel, um sich eine neue Wohnung zu suchen.
Daraufhin klagte die Vermieterin auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Ein jahrelanger Rechtsstreit entbrannte, in dem sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht den Mietern Recht gaben und die Klage der Vermieterin zurückwiesen. Beide Gerichte waren der Auffassung, dass allein das hohe Lebensalter des Ehepaares ausreiche, um das Mietverhältnis nach § 574 Abs. 1 BGB auf unbestimmte Zeit fortzusetzen.
Hohes Alter ist keine unzumutbare Härte
Die Vermieterin gab nicht auf legte mit Erfolg Revision gegen das Urteil des LG Berlin ein. Der BGH entschied, dass ein hohes Lebensalter allein noch keine unzumutbare Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 BGB darstellt. Vielmehr müsse in solchen Fällen geprüft werden, wie die konkreten Folgen für die Betroffenen aussehen. Ein pauschaler Schutz von älteren Mietern ergebe sich nicht aus dem Gesetz.
Auch auf eine tiefe Verwurzelung könne man sich nicht so einfach berufen. Die hänge nicht nur von der Dauer des Mietverhältnisses, sondern auch von der ‘individuellen Lebensführung des jeweiligen Mieters ab’. Ein langer Bezugszeitraum sei noch lange kein Beweis für eine Verwurzelung. Deshalb hob der BGH das Berufungsurteil teilweise auf und wies die Sache an das Landgericht zur erneuten Überprüfung zurück.
Kündigung gefährde die Menschenwürde
Das Landgericht prüfte den Fall also noch ein zweites Mal und kam zum selben Ergebnis: Die Kündigung des Mietverhältnisses sei nach wie vor unwirksam. Mittlerweile sehe das Gericht eine tiefe Verwurzelung der Mieterin als gegeben an. Zusammen mit dem hohen Lebensalter ergebe sich ein großes Schutzbedürfnis für die Rentnerin.
Die Richter*innen gingen sogar so weit, eine Verletzung der Menschenwürde aus Art. 1 Abs.1 GG anzunehmen, wenn die Mieterin tatsächlich die Wohnung hätte räumen müssen. Daher gehe eine Interessenabwägung zwischen den Parteien eindeutig zu lasten der Vermieterin. Denn für sie wäre die Eigennutzung der Wohnung bloßer Komfort. Für die Mieterin jedoch ist die Wohnung eine regelrechte Existenzgrundlage, die man ihr nicht wegnehmen könne und dürfe.
Quellen: