Handwerker müssen ihre Kundinnen und Kunden ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehren. Tun sie das nicht, haben Auftraggeber:innen die Möglichkeit, sich durch einen Widerruf von ihrer Zahlungspflicht zu befreien. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Der Widerruf ist sogar dann noch möglich, wenn die Dienstleistung bereits erbracht wurde.
Keine Widerrufsbelehrung durch Handwerker erfolgt
Sowohl das deutsche als auch das europäische Recht verpflichten Handwerker und andere Unternehmer dazu, Verbraucher:innen umfassend über ihre Rechte aufzuklären. Was passiert, wenn sie dieser Informationspflicht nicht nachkommen, hat der EuGH anhand eines Rechtsstreits zwischen einem Hausbesitzer und einem Handwerksbetrieb entschieden:
Im Oktober 2020 schlossen beide Parteien einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation am Haus des Mannes. Eine Widerrufsbelehrung durch die Handwerker erfolgte dabei nicht. Nachdem die Arbeiten am Gebäude im Dezember 2020 abgeschlossen waren, erhielt der spätere Beklagte die Rechnung für die Elektroinstallation. Der Hausbesitzer weigerte sich zu zahlen und widerrief den Vertrag kurzerhand im März 2021.
Tipp: Widerrufsfrist verlängert sich bei fehlender Belehrung!
Klärt ein Unternehmer Verbraucher:innen nicht über ihre Widerrufsrechte auf, verlängert sich die Widerrufsfrist von zwei Wochen auf ein Jahr. Deswegen konnte der Hausbesitzer im vorliegenden Fall den Vertrag auch drei Monate später noch widerrufen.
EuGH muss Fragen zur Widerrufsbelehrung beantworten
Das Unternehmen versuchte daraufhin, gerichtlich gegen seinen ehemaligen Kunden vorzugehen und legte Klage ein. Vor dem Landgericht (LG) Essen berief sich der Handwerksbetrieb auf die europäische Verbraucherrechterichtlinie, die „verhältnismäßige“ Sanktionen für das Nichtbelehren von Verbraucher:innen vorsieht.
Dass die Handwerker wegen der fehlenden Widerrufsbelehrung auch dann leer ausgehen sollen, nachdem sie Arbeiten vertragsgemäß ausgeführt haben, sei nicht mehr verhältnismäßig. Der Ex-Kunde müsse wenigstens Wertersatz leisten, so die Argumentation.
Da das LG Essen Zweifel über Inhalt und Auslegung der Richtlinie hatte, legte es dem EuGH den Fall zur Einschätzung vor.
Hinweis: Vorlage an den EuGH
Sind nationale Gerichte sich bei der Auslegung oder Anwendung von Europarecht unsicher, haben sie die Möglichkeit, den EuGH anzurufen. Der entscheidet den Fall zwar nicht, klärt für das vorlegende Gericht aber bestimmte Teilaspekte, die das Europarecht betreffen. Anschließend geht die Rechtssache zur finalen Entscheidung an das ursprüngliche Gericht zurück.
Fehlende Widerrufsbelehrung kommt Handwerker teuer zu stehen
Der EuGH beantwortete die Vorlagefrage wie gewohnt verbraucherfreundlich. Die Widerrufsbelehrung sei ein wichtiger Teil des Verbraucherschutzes, der wiederum eine zentrale Rolle im europäischen Recht einnehme. Daraus folge, dass Verbraucher:innen keine Kosten entstehen dürften, wenn sie ihr Widerrufsrecht wahrnehmen – erst recht nicht, wenn sie vorher nicht ordnungsgemäß aufgeklärt wurden.
Stattdessen sollen die Kosten einer fehlenden Widerrufsbelehrung die Handwerker (oder andere Unternehmer) treffen. Da der Betrieb seinen Informationspflichten nicht nachgekommen sei, müsse er auch das Verlustrisiko tragen, so der EuGH.
Für Verbraucher:innen gilt nach dem Urteil: Achten Sie ganz genau darauf, ob Unternehmen, mit denen Sie Geschäfte machen, Sie über Ihr Widerrufsrecht belehren. Eventuell profitieren Sie nicht nur von längeren Widerrufsfristen, sondern können auch zusätzliche Kosten vermeiden!
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