Zahlungspflicht der Kinder

Es ist die Kehrseite der steigenden Lebenserwartung: Immer mehr Menschen können im Alter ihren Alltag nicht mehr allein bewältigen. Über 800.000 Senioren in Deutschland benötigen sogar vollstationäre Unterbringung in einem Pflegeheim. Die Kosten für eine solche Betreuung können gut und gerne 3000 EUR im Monat und mehr betragen. Einen großen Teil davon übernimmt die gesetzliche Pflegeversicherung.

Zusätzlich haben manche Betroffene während ihres Erwerbslebens mit einer privaten Versicherung vorgesorgt. Auch die eigene Rente, die Hinterbliebenenrente und eventuell eigenes Vermögen müssen die Senioren für die Kosten eines Heimplatzes opfern. Reicht das nicht aus, springt der Sozialträger ein. Er streckt die Kosten allerdings nur vor und überprüft im nächsten Schritt, ob möglicherweise enge Familienangehörige für die fehlenden Kosten aufkommen können.

Ob Söhne oder Töchter für ihre Eltern zahlen müssen, und wenn ja in welcher Höhe, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören in erster Linie

  • Nettoeinkommen
  • laufende Kosten für den eigenen Lebensunterhalt
  • die persönliche Altersvorsorge
  • Unterhaltsverpflichtungen für Ehepartner oder eigene Kinder
  • Kreditraten.

Da keine Familie mit der anderen vergleichbar ist, entscheiden Gerichte anhand des konkreten Einzelfalls, welcher Grundbetrag nicht angetastet werden darf.

Müssen Kinder in jedem Fall für Kosten ihrer Eltern aufkommen?

Der Unterhaltsanspruch nach § 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist an folgende Bedingungen geknüpft:

  • Es liegt eine Bedürftigkeit vor. Das heißt in diesem Fall: Die Eltern sind auf Pflege oder Unterbringung angewiesen, können sie aber nicht allein finanzieren
  • Es liegt eine Leistungsfähigkeit vor. Das heißt in diesem Fall: Die Kinder können sich finanziell an den Kosten für die Eltern beteiligen, ohne ihren eigenen Lebensunterhalt zu gefährden

Bevor das Sozialamt Forderungen stellt, muss es also die Einkommensverhältnisse von Eltern und Kindern genau prüfen. Beide Seiten müssen in diesem Fall die notwendigen Auskünfte erteilen.

Zunächst muss der Bedarf für den pflegebedürftigen Elternteil ermittelt werden. Der richtet sich einerseits nach medizinischen Gesichtspunkten, andererseits nach dem bisherigen Lebensstandard.

Zu berücksichtigen sind hierbei folgende Punkte:

  • Kommt eine Betreuung durch die Kinder in den eigenen vier Wänden des Bedürftigen infrage? Dann ist von einem Grundbedarf in Höhe des Existenzminimums auszugehen, also rund 800 EUR.
  • Müssen Vater oder Mutter im Heim betreut werden? Dann sind monatlich fixe Kosten zu bezahlen. Die Art der Unterbringung muss dabei dem bisherigen Lebensstandard entsprechen. Zu den Ausgaben für Zimmer und Pflege haben die Senioren außerdem Anspruch auf einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung von mindestens 100 EUR.

Zu berücksichtigende Einnahmen der Eltern

Grundsätzlich sollen Pflegebedürftige ihren Bedarf natürlich selbst finanzieren. Dafür kommen verschiedene Einkommensquellen infrage:

  • die staatliche Pflegeversicherung
  • die staatliche Rente
  • Leistungen aus einer privaten Pflegeversicherung
  • Leistungen aus einer privaten Rentenversicherung
  • weitere Einnahmen, zum Beispiel aus Grundbesitz oder Kapital
  • Grundsicherung im Alter
  • Vermögen

Alle genannten Einnahmen müssen Eltern für ihre Unterbringung und Pflege einsetzen. Sogar ein angespartes Vermögen ist aufzubrauchen, bevor Kinder unterhaltspflichtig werden. Ausgenommen ist lediglich ein sogenannter Schonbetrag von 2600 EUR pro Person, der als Vermögensreserve beiseite gelegt werden darf.

Bekommen bedürftige Eltern Sozialhilfe?

Mit dem Beginn der Rente können Menschen bei Bedarf die sogenannte “Grundsicherung im Alter” beantragen. Sie beträgt derzeit 446 EUR für Alleinstehende. Bei Ehepaaren erhält der Haushaltsvorstand ebenfalls 446 EUR, an Partner oder Partnerin werden weitere 356 EUR gezahlt.

Bei Pflegebedürftigkeit können außerdem die Miete für eine angemessene Wohnung und die Heizkosten übernommen werden. Hat ein bedürftiger Elternteil Anrecht auf die Grundsicherung, muss er sie auch beantragen und auf sein Einkommen anrechnen lassen. Diese Zahlungen dürfen nicht von den Kindern zurückgefordert werden.

Tipp: Grundsicherung beantragen

Ein bedürftiger Elternteil ist verpflichtet, Grundsicherung in Anspruch zu nehmen, bevor Unterhalt bei den Kindern eingefordert werden kann.

Ab welchem Einkommen müssen Sie für Ihre Eltern zahlen?

Grundsätzlich sollen Kinder nur in dem Maß für die Kosten ihrer Eltern aufkommen, wie es ihre Lebensverhältnisse zulassen. Eine dauerhafte Verschlechterung des eigenen Lebensstandards soll verhindert werden. Bei der Berechnung einer etwaigen Unterhaltspflicht geht man vom sogenannten “bereinigte Nettoeinkommen” aus. Es umfasst

  • bei Arbeitnehmern: der Durchschnitt des Nettogehalts der letzten zwölf Monate vor Eintreten des Unterhaltsbedarfs
  • bei Selbstständigen: der Durchschnitt des Nettoeinkommens der vergangenen drei Jahre
  • gegebenenfalls weitere Einnahmen aus Vermietung, Kapitalanlagen, Renten etc.

Von dieser Summe sind gegebenenfalls folgende Ausgaben abzuziehen:

  • Unterhaltsansprüche an eigene Kinder oder Ehepartner
  • Kinderbetreuungskosten
  • Kosten für einige Versicherungen (private Pflege-, Kranken-, Renten-, Kfz-Versicherung)
  • Private Altersvorsorge bis zu 5 % des Bruttoeinkommens
  • Zinsen oder Tilgungsraten für Haus- oder Wohnungskredit
  • Fahrtkosten zur Arbeit
  • Fahrtkosten für die Besuche ihres pflegebedürftigen Elternteils
  • und andere Ausgaben

Empfehlung: Rechtsanwalt konsultieren

Bei der Berechnung des bereinigten Nettoeinkommens sind viele verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Es kann deshalb sinnvoll sein, beim Beantworten der Fragen des Sozialamts einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen.

Geschwister, Schwiegerkinder und andere Familienangehörige – Wer kommt noch für Unterhaltszahlungen infrage?

Verfügen mehrere Kinder über ein ausreichendes Einkommen, müssen sich alle an der Unterstützung für die Eltern beteiligen. Die Höhe der Zahlung hängt dabei von den finanziellen Voraussetzungen jedes einzelnen ab. So kann es durchaus vorkommen, dass ein Sohn oder eine Tochter einen höheren Beitrag leisten müssen, als Bruder oder Schwester.

Die Ehepartner der Kinder – also die Schwiegersöhne und -töchter der bedürftigen Personen – werden nicht direkt zur Kasse gebeten. Allerdings werden ihre finanziellen Verhältnisse bei der Berechnung von

  • Einkommen
  • Selbstbehalt
  • und Schonvermögen

berücksichtigt.

Unterhaltspflichtig sind dabei nur Personen, die unmittelbar voneinander abstammen. Zahlen müssen also die Söhne und Töchter, nicht aber Schwiegerkinder, Geschwister, Enkelkinder oder Cousins und Cousinen von pflegebedürftigen Personen.

Was Ihnen zusteht: Selbstbehalt und Schonvermögen

Das berechnete bereinigte Nettoeinkommen ist aber noch nicht ausschlaggebend für Ihre Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern. Ein gewichtiger Teil der Summe wird als Selbstbehalt für Sie und gegebenenfalls Ihren Ehepartner und eventuell vorhandene Kinder abgezogen. Die Höhe dieses Selbstbehalts kann in der sogenannten “Düsseldorfer Tabelle” abgelesen werden. Zurzeit liegt er bei monatlich

  • 2000 EUR für einen Menschen mit einem bedürftigen Elternteil
  • 3600 EUR für einen Unterhaltspflichtigen mit Familie.

Verdienen Sie als Alleinstehender 2000 EUR netto oder weniger, müssen Sie generell nicht für den Unterhalt der Eltern aufkommen. Gleiches gilt, wenn Sie mit Ihrem Ehemann oder Ihrer Ehefrau unter einem Nettoeinkommen von 3600 EUR bleiben. Liegt Ihr Gehalt höher, wird der Selbstbehalt angerechnet. Nur die Hälfte des schließlich verbleibenden Zusatzeinkommens müssen Sie für den Elternunterhalt aufwenden.

Ebenfalls unangetastet bleibt das sogenannte Schonvermögen. Dazu gehören beispielsweise die Altersvorsorge und selbst genutztes Wohneigentum. So soll verhindert werden, dass Kinder im Alter selbst zum Bedürftigen werden, nachdem sie ihr Angespartes für die eigenen Eltern ausgeben mussten. Für die Höhe des Schonvermögens gelten nur grobe Richtwerte; es kann deshalb von Familie zu Familie mitunter zu beträchtlichen Unterschieden kommen.

Verlust des Anspruchs auf Unterhalt

Grundsätzlich wendet sich das Sozialamt bei bedürftigen älteren Menschen mit seinen Forderungen immer an die Kinder. Nicht immer allerdings sind die zur Zahlung bereit. Wer selbst von den Eltern seit Jahren keine finanzielle oder sonstige Unterstützung erhalten hat, kann die Unterhaltspflicht kaum nachvollziehen.

Ein schlechtes Verhältnis zu den bedürftigen Eltern schützt nicht grundsätzlich vor Unterhaltspflicht. Weder ein heftiger Streit noch völliger Kontaktabbruch entlassen Kinder grundsätzlich aus ihrer rechtlichen Verantwortung. Anders sieht das aus, wenn Vater oder Mutter früher selbst ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem eigenen Nachwuchs vernachlässigt haben.

Tatsächlich können Menschen das Recht auf Unterhalt von ihren Kindern verwirken. Dieser Fall tritt allerdings nur ein, wenn die Eltern sich erheblicher Verfehlungen schuldig gemacht haben. Deutsche Gerichte haben hier in der Vergangenheit nicht immer einheitlich geurteilt.

Beispiele: Wann Kinder nicht zahlen müssen

Fall 1: Ein Vater trennt sich von seiner Familie und bricht jeglichen Kontakt ab. Er weigert sich außerdem, Unterhalt für seine bedürftige Tochter zu zahlen. Weil der Mann seine finanziellen und emotionalen Beistandspflichten grob verletzt hat, kann die erwachsene Tochter später nicht zu Unterhaltszahlungen verpflichtet werden.

Fall 2: Ein Vater bricht jeglichen Kontakt zu seinem erwachsenen Sohn ab und streicht ihn sogar aus seinem Testament. 40 Jahre später will das Sozialamt Kosten für den Aufenthalt im Pflegeheim zurückfordern.

Zwar wird eine Verfehlung des Vaters anerkannt, sie ist jedoch nicht so schwer, dass der Sohn völlig von seiner Verantwortung befreit ist. Ausschlaggebend ist dabei, dass der Mann seine Vaterpflichten bis zum Erwachsenenalter des Sohnes erfüllt hat.