Europäische Eisenbahn-Fahrgastrechte-Verordnung
Die Mitgliedsländer der Europäischen Union haben sich in einer Verordnung über die Fahrgastrechte der Eisenbahnen auf einen gemeinsamen Standard geeinigt. In der EG-Verordnung Nr. 1371/2007 sind die Vorschriften über die Rechte und die Pflichten der Fahrgäste zu finden. Die Deutsche Bundesbahn sowie eine große Anzahl weiterer deutscher Eisenbahnunternehmen nehmen am gemeinschaftlichen Entschädigungsverfahren der Europäischen Union wegen Zugverspätungen teil.
Neben der Deutschen Bundesbahn fahren in den einzelnen Bundesländern zahlreiche private Eisenbahnunternehmen im klassischen Schienennetz. Auf diese Weise soll im gesamten Land die Grundversorgung mit öffentlichem Verkehr gegeben sein. Viele dieser Unternehmen haben sich gemeinsam mit der Deutschen Bundesbahn im “Tarifverband der Bundeseigenen und Nichtbundeseigenen Eisenbahnen in Deutschland”, kurz TBNE, organisiert.
Der TBNE bietet ein einheitliches Verfahren für die Abwicklung von Entschädigungsansprüchen an. Außerdem können Sie Ihre mögliche Ansprüche gegen jedes Mitglied des TBNE direkt bei der Deutschen Bahn beim Servicecenter Fahrgastrechte geltend machen. Die Deutsche Bahn gilt hierfür als zentraler Dienstleister. Das Servicecenter Fahrgastrechte hat seinen zentralen Sitz in Frankfurt am Main.
Nehmen alle Eisenbahnunternehmen am Entschädigungsverfahren der Europäischen Union teil?
Ihre Fahrgastrechte bei einer Bahn Verspätung sind grundlegend in der Verordnung Nr. 1371/2007 der Europäischen Union geregelt. In einigen Regionen fahren jedoch Eisenbahnunternehmen im öffentlichen deutschen Schienennetz, die nicht Mitglied im TBNE sind. Natürlich können Sie auch wegen einer Verspätung eines Zuges Ärger gehabt haben, der von einem nicht im TBNE organisierten Unternehmen betrieben wird. Dann müssen Sie direkt bei diesem Dienstleister wegen der möglichen Regulierung Ihres Schadens nachfragen.
Auch Eisenbahnunternehmen, die nicht im TBNE sind, können die EU-Regelungen zur Grundlage einer Entschädigung machen. Im Einzelnen kann sich die Abwicklung der Schadensregulierung anders gestalten.
Bedingungen für eine Entschädigung wegen Zugverspätung
Ihre Fahrgastrechte bei einer Bahn Verspätung sind wesentlich besser als Ihre Rechte als Fluggast, wenn Ihr Flieger zu spät startet oder landet. Luftfahrtunternehmen sind Ihnen gegenüber nicht zu einer Entschädigung verpflichtet, wenn der Grund für die Verspätung ein außergewöhnlicher Umstand ist. Höhere Gewalt wie Unwetter, wilde Streiks oder auch Unfälle schließen eine Entschädigungsleistung aus.
Die Eisenbahnunternehmen erstattet Ihnen auch in diesen Fällen einen Teil oder den kompletten Preis für das von Ihnen gekaufte Bahnticket. Die mögliche Erstattungsleistung wegen der Verspätung eines Zuges ist von verschiedenen Aspekten abhängig. Die beiden wichtigen Faktoren, die die Höhe der Entschädigung bestimmen, sind:
- die Dauer der Verspätung
- die Art des Tickets
Ab welchem Betrag werden Entschädigungen ausgezahlt?
Damit die Kosten für die Deutsche Bahn für Entschädigungsleistungen im Rahmen des gemeinschaftlichen Entschädigungsverfahrens der Europäischen Union nicht ausufern, zahlt das Servicecenter Fahrgastrechte in Frankfurt nur Beträge über 4 EUR aus. Für Einzeltickets kann Ihr Anspruch auf eine pauschale Entschädigung aber unter diesem Betrag liegen. Daher lohnt es sich gegebenenfalls mehrere Schadensereignisse gleichzeitig bei der Deutschen Bundesbahn einzureichen.
Tipp: Bewahren Sie grundsätzlich immer alle Tickets auf
Wenn Sie Ihre Fahrgastrechte bei einer Bahn Verspätung geltend machen möchten, dann sollten Sie die Originaltickets vorlegen können. Sammeln Sie daher Ihre Nachweise für den Kauf von Bahnfahrkarten für eine zügige Abwicklung der Entschädigung.
Ab welchem Verspätungszeitraum können Sie von der Deutschen Bundesbahn eine Entschädigung fordern?
Hinsichtlich Ihrer Fahrgastrechte bei einer Bahn Verspätung sind Zeiträume ab 60 Minuten von Interesse. Für eine Entschädigungsleistung durch die im “Tarifverband der Bundeseigenen und Nichtbundeseigenen Eisenbahnen in Deutschland” organisierten Eisenbahnunternehmen sind aber nur Verspätungen relevant, die auch am Zielort noch existieren.
Beispiel: Verspätung ohne Entschädigungsanspruch
Sollten Sie in Hamburg zwei Stunden zu spät in Ihren ICE einsteigen und kommen Sie an Ihrem Ziel in München mit einer Verspätung von nur noch 30 Minuten an, dann handelt es sich nicht mehr um einen für eine Entschädigung relevanten Zeitraum.
Zudem gibt es auch immer nur eine Entschädigungsleistung für die von der Verzögerung betroffene Fahrt. Wenn Sie auf der Hinfahrt 90 Minuten zu spät am Zielort angekommen sind und auf der Rückfahrt pünktlich wieder zuhause waren, dann können Sie nur eine Entschädigung für ein halbes Ticket verlangen.
Wie hoch sind die pauschalen Erstattungsleistungen?
Für Inhaber einer Zeitkarte (z. B. Schönes-Wochenende-Ticket, Monatskarte oder Länder-Ticket) oder einer Bahncard 100 gewährt die Deutsche Bundesbahn bereits ab einer Verspätung von 60 Minuten immer eine Pauschale als Erstattung. Für Karten der 2. Klasse erhalten Fahrgäste zwischen 1,50 EUR und 10 EUR. In der 1. Klasse werden zwischen 2,25 EUR und 15 EUR erstattet.
In welchem Zeitraum muss die Entschädigungsleistung in Anspruch genommen werden?
Die Frist für die Geltendmachung Ihrer Rechte als Fahrgast im öffentlichen Nah- und Fernverkehr ist auf ein Jahr festgelegt worden. Sie können daher ganz bequem einmal im Jahr die Erstattung beim Servicecenter Fahrgastrechte der Deutschen Bundesbahn in Frankfurt am Main beantragen. Als Nutzer einer Jahreskarte haben Sie sogar fast zwei Jahre Zeit Ihre Ansprüche durchzusetzen.
Fahrgastrechte-Formular der Deutschen Bundesbahn im Internet
Auf der Homepage der Deutschen Bundesbahn finden Sie das offizielle Fahrgastrechte-Formular. Ihre Daten können Sie direkt online eingeben. Das komplett ausgefüllte Formular drucken Sie aus, damit Sie es mit der Kopie Ihrer Fahrkarte an das Servicecenter Fahrgastrechte in 60647 Frankfurt am Main senden können.
Für das Einreichen von Handytickets müssen Sie die Buchungsbestätigung, die Ihnen das Eisenbahnunternehmen per E-Mail geschickt hat, ausdrucken. Alternativ zu dieser Bestätigung können Sie einen Ausdruck Ihres Onlinetickets für den Antrag auf Entschädigung wegen einer Verspätung bei der Deutschen Bundesbahn verwenden.
Sollte Ihnen das Zugpersonal im verspäteten Zug eine schriftliche Bestätigung gegeben haben, dann können Sie Ihre Fahrgastrechte für die Bahn Verspätung auch direkt im DB-Reisezentrum am Zielort geltend machen. Gegen Übergabe des Originaltickets erhalten Sie Ihre Entschädigungsleistung in bar ausbezahlt.
Was passiert bei Ausfall eines Zuges?
Der Ausfall eines Zuges ist eine Nichtleistung, die das Recht Entschädigung für den Zugausfall nach sich zieht. Diese erfolgt in Form der Erstattung des Fahrpreises. Angekündigte Verspätungen werden zum Teil einem Zugausfall gleichgestellt. Schon bei einer angekündigten Verzögerung von 20 Minuten auf dem Bahnsteig sind Sie nicht mehr an den von Ihnen gebuchten Zug gebunden. Sie können direkt in den nächsten ICE einsteigen und an Ihr Ziel fahren.
Wenn Ihnen das Eisenbahnunternehmen vor Antritt Ihrer Zugfahrt mitteilt, das Sie Ihren Zielort unter Garantie mit einer Verspätung von 60 oder mehr Minuten erreichen werden, dann können Sie
- umgehend eine komplette Preiserstattung verlangen
- Ihr Ticket für eine spätere Fahrt nutzen
- sich für eine andere Streckenführung entscheiden.
Bei einer Verspätung von über 60 Minuten dürfen Sie die Fahrt auch gegen Erstattung der Ticketkosten abbrechen und eine kostenlose Fahrt zurück zum Ausgangsbahnhof verlangen. Zudem stehen Ihnen Erfrischungsgetränke sowie entsprechend der Dauer der Verspätung kleine Mahlzeiten zu, die Sie direkt beim Zugpersonal einfordern können.
Besonders ärgerlich sind verspätete Abfahrten in der Nacht. Damit Sie Ihre Zeit nicht auf dem Bahnsteig verbringen müssen, übernimmt die Deutsche Bahn gegebenenfalls Hotelkosten inklusive der Transferkosten für den Hin- und Rückweg zum Hotel. Die Deutsche Bahn bestimmt über die Wahl des Hotels.
Können Fahrgastrechte bei einer Bahnverspätung auch ohne Bestätigung geltend gemacht werden?
Wenn Sie wegen einer angekündigten Verspätung einen anderen Zug nehmen, dann müssen Sie den Zugschaffner bei der Kontrolle nur auf die Freigabe Ihres Tickets hinweisen. Dies gilt auch für einen Zug, der als Ersatz für den ursprünglichen Anschlusszug gewählt wird. Der Zugbegleiter im verspäteten Reisezug hat vermutlich nicht ausreichend Zeit für alle Fahrgäste eine Bestätigung über die Verspätung auszustellen.
Zudem liegen alle Daten über Ausfälle und Verzögerungen im Rechenzentrum der Deutschen Bundesbahn vor. Ein Foto mit den Verspätungsdaten auf der Anzeigetafel im Bahnhof und Screenshots der Bahnauskunft im Internet können auch ein Beweis für den Antrag auf Entschädigung wegen Zugverspätung sein.
Darf der Reisende nachts eine Taxifahrt anstelle einer Übernachtung im Hotel verlangen?
Für alle Fahrgäste von Eisenbahnunternehmen, die nur noch eine kurze Strecke auf ihrer Reise vor sich haben, kann eine Taxifahrt verlockend sein. Fällt Ihr fahrplanmäßiger Zug aus oder liegt die verspätete Ankunftszeit in den frühen Morgenstunden zwischen 0 und 5 Uhr, dann dürfen Sie bereits nach einer Stunde Verspätung mit dem Taxi weiterreisen.
Allerdings erstattet das Servicecenter Fahrgastrechte der Deutschen Bundesbahn Kosten für eine Taxifahrt nur in Höhe von maximal 80 EUR. Den Betrag von 80 EUR erhält jeder einzelne Fahrgast zur Verfügung gestellt. Um weitere Strecken zurück zu legen, kann es sich lohnen, dass Sie Fahrgemeinschaften bilden.
Wer zahlt das neue Ticket für einen verpassten Anschlussflug?
Da das Beförderungsunternehmen mit dem Ticketverkauf nur die Ankunft am Zielort garantiert, gibt es in der Regel keine Entschädigung für einen verpassten Anschlussflug nach der verspäteten Zugfahrt. Nur bei der Buchung eines sogenannten Rail&Fly-Tickets, das Reisebüros und Luftfahrtunternehmen anbieten, kann es für Sie zu einer Erstattung durch Ihren Vertragspartner kommen.
Ihr Reisebüro oder die Airline buchen Ihren Flug um oder übernehmen die Kosten für einen Ersatzflug, den eventuell eine andere Fluggesellschaft durchführt.
Hinweis: Zuständigkeiten bei einem Rail&Fly-Ticket
Ein Rail&Fly-Ticket kann auch Bestandteil einer Pauschalreise sein. Grundsätzlich ist aber das Servicecenter Fahrgastrechte der Deutschen Bundesbahn nicht für Ihren Flug zuständig.
Fahrgastrechte bei Bahn Verspätung für Geschäftsreisende
Geschäftsreisende unterscheiden sich auf ihrer Zugfahrt nicht von Privatreisenden. Dennoch kann es einen wesentlichen Unterschied hinsichtlich der möglichen Entschädigung für eine Verspätung geben. Für Geschäftsreisende im Angestelltenverhältnis zahlt der Arbeitgeber die Zugtickets. Selbstständige Unternehmer tragen die Kosten für ihre Zugfahrten wie Privatpersonen aber selbst. Sie können ihre Ausgaben aber möglicherweise als Betriebskosten bei der jährlichen Steuererklärung geltend machen.
Fraglich ist aber, wem eine Entschädigung für eine Zugverspätung auf einer Geschäftsreise zusteht. Einerseits erleidet der Arbeitgeber am Zielort normalerweise auch einen Verspätungsschaden, da der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung nicht pünktlich erbringen kann. Andererseits ist der Reisende immer der Leidtragende bei Verspätungen, denn er muss die langweilige Wartezeit an heißen wie an kalten Tagen ertragen.
Die Ansichten über die richtigen Anspruchsteller der Fahrgastrechte bei Bahn Verspätung gehen auseinander. Es gibt sogar schon Gerichte, die sich mit dem Thema befasst haben. In erster Linie kann ein Blick in die betrieblichen Vereinbarungen helfen. Dennoch hängt die Beurteilung dieser wichtigen Fragen immer von den Umständen im Einzelfall ab.
Tipp: Stimmen Sie Ihren Entschädigungsantrag mit Ihrem Arbeitgeber ab
Wenn Sie beruflich als Angestellter einer Firma wegen einer relevanten Verspätung einen Antrag auf Entschädigung stellen, dann sollten Sie diesen Schritt zur Vermeidung von Missverständnissen mit Ihrem Arbeitgeber besprechen.
Wie ist der Wortlaut der EU-Verordnung hinsichtlich der Fahrgastrechte von angestellten Geschäftsreisenden zu verstehen?
Sowohl der “Tarifverband der Bundeseigenen und Nichtbundeseigenen Eisenbahnen in Deutschland” als auch die EU-Verordnung fokussieren bei den Fahrgastrechten wegen Verspätung eines Zuges auf der persönlichen Betroffenheit des Reisenden. Daher steht eine Entschädigungsleistung wegen einer Zugverspätung in einem Zug mit kaputter Klimaanlage aufgrund der entstandenen Unannehmlichkeiten eindeutig dem Reisenden zu.
Solange aber die Oberlandesgerichte, der Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof sich nicht zu einem Standardfall über die Fahrgastrechte von Geschäftsreisenden bei Verspätungen ab einer Dauer von 60 Minuten geäußert haben, bleibt der gesamte Themenkomplex strittig.