Was hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Abgasskandal in drei Musterverfahren bedeutende Entscheidungen gefällt. Die Richter:innen in Karlsruhe entschieden, dass Autokäufer:innen, in deren Dieselfahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist, Anspruch auf Entschädigung haben – sofern die Autobauer fahrlässig gehandelt haben.
In den zugrundeliegenden Fällen ging es um Thermofenster, die bei in Deutschland völlig üblichen Temperarturen die Abgasreinigung drosseln oder ausschalten und so die Gesundheit der Bevölkerung schädigen.
Diese Rechtsprechung ist übertragbar und gilt grundsätzlich für alle in Betracht kommenden Abschalteinrichtungen, wie z.B. das Thermofenster, wobei es immer auf die konkrete Ausgestaltung der Abschalteinrichtung ankommt.
Warum ändert der BGH seine bisherige Rechtsprechung?
Bisher hatte der BGH eine Haftung der Hersteller nur bei Abschalteinrichtungen angenommen, die auf die unmittelbare Täuschung der Typgenehmigungsbehörde ausgerichtet sind. Insbesondere bei der sog. Umschaltlogik (VW-Prüfstandserkennung) aus dem Motor des Typs EA189 des Volkswagen-Konzerns sah der BGH eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Käufer:innen verwirklicht.
EuGH und BGH erzielten im Abgasskandal bislang keine Einigkeit. Während sich die Richter:innen am EuGH den Verbraucher:innen zugewandt zeigten, enttäuschte der BGH geprellte Fahrzeughalter:innen mit seiner Rechtssprechung. Insgesamt glänzten die deutschen Gerichte nicht mit Verbraucherfreundlichkeit – schon gar nicht, wenn es um die Klärung von Haftungsvoraussetzungen ging. Das EuGH-Urteil zwang die hiesigen Richter:innen zum Umdenken.
Was hat der BGH nicht entschieden?
Ob die Fahrzeughersteller tatsächlich fahrlässig gehandelt haben, hatte der BGH nicht zu entscheiden. Diese Frage wird in dem jeweiligen Einzelfall zu entscheiden sein. Allerdings betonte der BGH, dass die Hersteller darlegen und beweisen müssen, dass sie weder vorsätzlich gehandelt noch fahrlässig verkannt haben, dass im Fahrzeug eine illegale Abschalteinrichtung verbaut ist.
Auch die Frage, ob die Hersteller möglicherweise einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlegen sind, musste der Bundesgerichtshof nicht entscheiden. Die Hersteller stellen sich auf den Standpunkt, dass die Haftung ausgeschlossen sein soll, da das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) selbst bei unterstellt vollständiger Information die Abschalteinrichtung als legal genehmigt hätte.
Diese Fragen sind durch die jeweiligen Tatgerichte zu klären.
In welcher Höhe ist ein Schadensersatz zu erwarten?
Statt großem Schadensersatz, also der Rückabwicklung des Kaufvertrages, soll es wegen Vermögensminderung stets einen Anspruch auf Rückzahlung von 5 bis 15 Prozent des Kaufpreises geben. Dies begründet der BGH mit der drohenden Betriebsuntersagung, die die Verfügbarkeit des Fahrzeuges in Frage stelle.
Weiterhin müssen Vorteile durch die lange Nutzung des Fahrzeugs nach allgemeinen Grundsätzen angerechnet werden (Nutzungsersatz im Rahmen des Vorteilsausgleichs). Generell gilt im Schadensersatzrecht das „schadensrechtliche Bereicherungsverbot“, welches besagt, dass der bzw. die Geschädigte über den Schadensersatz hinaus keine Bereicherung erlangen soll.