Kaum veröffentlichte der Immobilienkonzern Adler-Group seinen Jahresabschlussbericht ohne Testat, reichte ein Anleger schon die erste Klage gegen das Unternehmen ein. Anwälte wittern scheinbar nach Wirecard den nächsten Finanzskandal. Doch lohnt sich eine so schnelle Klage überhaupt?
Aktionär beantragt Musterverfahren gegen die Adler-Group
Am 30. April veröffentlichte die Adler-Group ihren Jahresabschlussbericht für 2021 – ohne Testat, dafür aber mit einem Versagungsvermerk der Wirtschaftsprüfer:innen von KPMG. Nur drei Tage später ging beim Landgericht Frankfurt am Main (LG) eine Klage gegen das Unternehmen aus Luxemburg ein. Ein Anleger wirft dem Immobilienkonzern vor, Ad-hoc-Pflichten verletzt zu haben, indem er relevante Informationen über den bevorstehenden Versagungsvermerk nicht mit Anleger:innen geteilt habe.
Nun soll das LG in einem Musterverfahren klären, ob Aktionärinnen und Aktionäre Ansprüche auf Schadensersatz haben. Bereits vor dem fehlenden Testat stand die Adler-Group in der Kritik. Sie soll die Bewertung einzelner Immobilien gezielt manipuliert haben. Zudem gab es immer wieder Hinweise auf dubiose Transaktionen.
Hinweis: BaFin schaltet sich ein
Der Versagungsvermerk der Wirtschaftsprüfer:innen von KPMG hat die Bundesanstalt für Finanzdienstaufsicht (BaFin) auf den Plan gerufen. Sie guckt der Adler-Group jetzt genau auf die Finger.
Ist es sinnvoll, jetzt zu klagen?
Nun stellt sich unweigerlich die Frage, ob es aus Anlegersicht überhaupt klug ist, so schnell eine Klage gegen Adler einzureichen. Schließlich kommt der Fall gerade erst ins Rollen – viele Details sind nach wie vor unklar. Der Versagungsvermerk bestätigt lediglich einen Zweifel der Wirtschaftsprüfer:innen an der Richtigkeit von Adlers Finanzen, ist aber noch lange kein Beweis für illegale Machenschaften.
Hinzu kommt das nicht gerade geringe Kostenrisiko, das mit einem übereilten Prozess einhergeht. Die Adler-Group kann jederzeit während oder nach den Verfahren pleitegehen. Im schlimmsten Fall gehen Kläger:innen leer aus oder der Insolvenzverwalter holt sich das erstrittene Geld von den Aktionärinnen und Aktionären zurück.
Geschädigte sollten weiteren Verfahrensgang abwarten
Wir raten daher, erst einmal abzuwarten und gegebenenfalls später zu klagen. Bis das Landgericht über den Verfahrensantrag entschieden hat, dürfte es noch einige Zeit dauern, und selbst dann können sich Wertpapierbesitzer:innen noch bis zum Start der mündlichen Verhandlung der Klage anschließen. In dieser Zeit dürfte noch so einiges über den luxemburger Immobilienkonzern ans Licht kommen.