Bereits im Jahr 2019 hatte der EuGH entschieden, dass die Arbeitgeber innerhalb der jeweiligen Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung einzurichten. Es bestand Unklarheit, ob sich aufgrund dieses Urteils bereits Handlungsbedarf für die Arbeitgeber ergibt. Nun gibt es jedoch auch ein Urteil des Arbeitsgerichts Emden.
Welche Wirkung hatte die Entscheidung des EuGH?
Seit letztem Jahr gibt es bereits eine Entscheidung im Hinblick auf die Arbeitszeiterfassung. Das Urteil des EuGH sorgte jedoch für Aufregung innerhalb der Politik sowie bei den Unternehmern. Es stand die Frage im Raum, ob dieses Urteil überhaupt auf nationaler Ebene schon eine Wirkung für den Arbeitgeber entfaltet.
Aufgrund dieser Unklarheiten wurde dieses Urteil so interpretiert, dass dieses eher eine Handlungspflicht an den deutschen Gesetzgeber darstellen soll. Somit könne der Gesetzgeber zunächst entsprechende Regelungen für die Arbeitszeiterfassung entwickeln und erst dann müssten die Unternehmer handeln.
Arbeitsgericht Emden wartet nicht auf die Gesetzgeber
Diese Interpretation des EuGH-Urteils könnte jedoch nun fatale Folgen haben. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Emden ging es um eine Vergütungsklage eines Arbeitnehmers. Dieser behauptete, er habe mehr Stunden gearbeitet, als ihm tatsächlich vergütet wurden. Sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber legten privat geführte Stundenaufzeichnungen vor.
Das Arbeitsgericht gab der Klage des Arbeitnehmers statt. Der Vortrag des Arbeitgebers sei nach Ansicht des Gerichts unzureichend. Das privat geführte Bautagebuch des Arbeitgebers sei kein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit und entspräche daher nicht dem Grundgedanken der Rechtsprechung des EuGH.
Wie interpretiertes das Arbeitsgericht die EuGH-Entscheidung?
Das Arbeitsgericht Emden begründete seine Entscheidung damit, dass sich die Verpflichtung zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen System zur Arbeitszeiterfassung aus der unmittelbaren Anwendung von Art. 31 Absatz 2 der EU-Grundrechte-Charta ergibt. Es verwies insoweit bereits auf die bestehende EuGH-Entscheidung.
Diese Verpflichtung würde den Arbeitgeber zudem auch direkt treffen, ohne dass es hierfür eine Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber oder einer richtlinienkonformen Auslegung des § 16 Absatz 2 ArbZG bedarf.
Hinweis: Unionsrechtliche Grundsätze wirken direkt zwischen Privaten
Bereits in der Vergangenheit hatte der EuGH angedeutet, dass die unionsrechtlichen Grundsätze, wie sie in der Grundrechtscharta festgeschrieben sind, direkt zwischen Privaten wirken können.
Arbeitgeber müssen handeln
Ein arbeitsgerichtliches Urteil auf nationaler Ebene hat die Diskussion um die Arbeitszeiterfassung wieder aufleben lassen. Arbeitgeber täten nun gut daran, auch ohne eine nationale Regelung entsprechende Arbeitszeiterfassungssystem in die Betriebsabläufe einzuführen. Auch wenn das Urteil des Arbeitsgerichts bisher das einzige erstinstanzliche Urteil dieser Art ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich auch andere Gerichte dieser Auffassung anschließen.
Hinweis: Ausgestaltung bleibt unklar
Wie die geforderte Arbeitszeiterfassung ausgestaltet sein soll, um den Anforderungen der Gerichte zur Darlegungs- und Beweislast gerecht zu werden, bleibt jedoch offen. Eins ist jedoch klar, es muss eine Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit erfolgen.
Quellen:
- Arbeitsgericht Emden
- Az.: 2 Ca 94/19