Die Vorfälligkeitsentschädigung

Wenn Sie ein Immobiliendarlehen bei einer Bank oder Sparkasse in Anspruch nehmen, dann ist für die Laufzeit dieses Darlehens ein Zinssatz festgelegt. Somit kann das von Ihnen gewählte Kreditinstitut für diesen Zeitraum mit festen Zinseinnahmen rechnen. Wenn Sie das Immobiliendarlehen jedoch vorzeitig, also vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit, zurückzahlen möchten, dann erleidet das Kreditinstitut einen Zinsverlust. Um diesen Verlust im Rahmen zu halten, verlangen die Kreditinstitute bei einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens eine Vorfälligkeitsentschädigung.

Welche Faktoren spielen bei der Vorfälligkeitsentschädigung eine Rolle?

Bei Ratenkrediten, die nach dem 11.06.2010 abgeschlossen wurden, ist die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 502 BGB auf maximal 1 % der Restschuld begrenzt. Sollte die Laufzeit unter einem Jahr liegen, darf die Vorfälligkeitsentschädigung maximal 0,5 % der Restschuld betragen.

Ausgenommen von dieser gesetzlichen Deckelung der Vorfälligkeitsentschädigung sind Baufinanzierungsdarlehen sowie Ratenkredite die vor dem 11.06.2010 geschlossen wurden. Für die Höhe der anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung spielen daher folgende Faktoren eine Rolle:

  • die Höhe der noch ausstehenden Darlehenssumme
  • der Zinssatz der bei Abschluss des Darlehens vereinbart wurde
  • sowie das aktuelle Zinsniveau

Was versteht man unter der Aktiv-Aktiv-Methode?

Die Aktiv-Aktiv-Methode ist einer der zwei Methoden zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. Bei dieser Methode geht die finanzierende Bank bei der Berechnung davon aus, dass die Bank das zurückerhaltene Darlehen an einen neuen Darlehensnehmer vergibt. Somit wird bei der Berechnung der aktuelle Zinssatz vergleichbarer Darlehen herangezogen. Diese Methode ist für Sie als Darlehensnehmer dann günstig, wenn der aktuelle Zinssatz höher ist als der Zinssatz bei Abschluss des Darlehens.

Beispiel: Zinsen sind seit der Kreditvergabe gesunken

Wenn das Zinsniveau nun niedriger ist als beim Abschluss des Kredites, dann kann die Bank dieses Darlehen nur mit einem Verlust an einen anderen Darlehensnehmer vergeben.

Zinssatz bei Abschluss des Darlehens: 3,50 %

Aktuelles Zinsniveau: 2,00 %

Zinsverlust: 1,50 %

Was versteht man unter der Aktiv-Passiv-Methode?

Diese Methode stellt die zweite Möglichkeit zur Berechnung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung dar. Hier wird nicht von einer Neuvergabe des Darlehens ausgegangen. Vielmehr nutzt die Bank die frei gewordenen Mittel zur Investition auf dem Kapitalmarkt. Bei der Aktiv-Passiv-Methode wird daher die Rendite einer gleich lang laufenden Wiederanlage herangezogen. Die Rechtsprechung fordert hier, dass die Rendite von Hypothekenpfandbriefen herangezogen werden muss.

Daten dienen als Grundlage für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

Wenn Sie planen, Ihr Darlehen vorzeitig abzubezahlen, sollten Sie vorab die Vorfälligkeitsentschädigung berechnen lassen. Die Vorfälligkeitsrechner im Internet werden in der Regel die Aktiv-Passiv-Methode zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung heranziehen. Alle hierfür wichtigen Daten ergeben sich in der Regel aus Ihrem Darlehensvertrag.

  • Der Vertragsbeginn: Dies ist das Datum, an dem Sie das Darlehen abgeschlossen haben. Wenn Sie das Darlehen bereits einmal verlängert haben, ist der Vertragsbeginn des verlängerten Darlehens anzugeben.
  • Restschuld: Die Vorfälligkeitsentschädigung soll die entfallenden Zinsen für die noch bestehende Restschuld kompensieren. Je höher die Restschuld ausfällt, desto höher ist auch die zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung.
  • Restlaufzeit: Die Zinsen für das Darlehen fallen immer jährlich an. Je länger die Restlaufzeit, desto höher ist auch der Zinsverlust der finanzierenden Bank. Somit müssen Sie bei einer längeren Restlaufzeit auch mit einer höheren Vorfälligkeitsentschädigung rechnen.
  • Aktuelle Zinsniveau: Das aktuelle Zinsniveau wirkt sich auf die Hypothekenpfandbriefe sowie auf die Zinsen für die Baufinanzierung aus. Je höher das Zinsniveau im Vergleich zum Zinsniveau bei Abschluss der Finanzierung ist, desto geringer fällt die Vorfälligkeitsentschädigung aus.
  • Auszahlung des Darlehens: Dieser Punkt spielt lediglich dann eine Rolle, wenn Sie eine Baufinanzierung mit einer Zinsbindung von mehr als zehn Jahren abgeschlossen haben. Gemäß § 489 BGB ist zehn Jahre nach der Vollauszahlung des Darlehens eine kostenfreie Kündigung möglich. Die Kündigungsfrist beträgt dann sechs Monate und ist jederzeit möglich. Eine Vorfälligkeitsentschädigung fällt dann nicht an.

Gibt es Faktoren, die die Vorfälligkeitsentschädigung reduzieren können?

Folgende Faktoren können sich im positiven Sinne auf die Vorfälligkeitsentschädigung auswirken, sprich die zu zahlende Entschädigungszahlung reduziert sich:

  • Sondertilgungen: Durch die Möglichkeit der Sondertilgung können Sie durch zusätzliche Rückzahlungen neben den normalen Tilgungszahlungen die Darlehenssumme reduzieren. Die Möglichkeit der Sondertilgung reduziert daher auch die Vorfälligkeitsentschädigung. Hierbei spielt es auch keine Rolle, ob Sie die Möglichkeit der Sondertilgung in Anspruch genommen haben. Grund hierfür ist, dass Sie als Darlehensnehmer in der Zukunft diese Möglichkeit hätten in Anspruch nehmen können.
  • Risikoersparnis: Da immer das Risiko besteht, dass Sie als Darlehensnehmer das Darlehen doch nicht zurückzahlen können, erhebt die finanzierende Bank auf die Zinsen einen Risikoausschlag. Wenn Sie das Darlehen vorzeitig zurückzahlen, besteht dieses Risiko nicht mehr, weshalb die Bank diese Kosten abziehen muss.
  • Verwaltungskostenersparnis: Wenn der Kredit vorzeitig abbezahlt wird, dann hat die finanzierende Bank auch weniger Verwaltungsaufwand. Diese Kosten müssen bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ebenfalls abgezogen werden. Wie hoch diese Kosten sind, ist von Bank zu Bank unterschiedlich.

Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung der Bank überprüfen

Wenn Ihnen Ihre Bank die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung hat zukommen lassen, dann sollten Sie diese Berechnung nicht einfach ungeprüft hinnehmen. In vielen Fällen unterlaufen den Banken nämlich Fehler bei der Berechnung. Die häufigsten Fehler sind in diesem Fall:

  • Zu hohe Bearbeitungsgebühren:

Für die Höhe der Bearbeitungsgebühr gibt es keine vorgeschriebene gesetzliche Deckelung. Jedoch hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main abgeurteilt, dass eine solche Gebühr unzulässig ist. Die Bank nimmt die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nämlich im eigenen Interesse vor und kann daher diese Kosten nicht einfach auf den Darlehensnehmer umlegen. Ein endgültiges Urteil des Bundesgerichtshofs steht jedoch nicht aus. Aus diesem Grund gilt das Urteil des OLG Frankfurt am Main nur für Kunden der Commerzbank

  • Es wurde keine individuelle Risikokostenberechnung vorgenommen:

Wenn Sie ein Darlehen bei einer Bank aufnehmen, dann wird bei der Höhe des Zinssatzes mit berücksichtigt, dass Sie das Darlehen eventuell nicht zurückzahlen können. Dieser Risikoaufschlag gilt für die gesamte Laufzeit des Darlehens. Wenn Sie das Darlehen jedoch vorzeitig zurückzahlen, besteht dieses Risiko nicht mehr. Die Bank darf daher diesen Risikozuschlag deshalb nur anteilig nach der in Anspruch genommenen Laufzeit bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung berücksichtigen. Dies kann in der Regel zu einer Ersparnis zwischen 0,01 und 0,1 % führen.

  • Der Stichtag für die Rückzahlung wird nicht beachtet:

Da bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung häufig die Aktiv-Passiv-Methode angewandt wird, spielt für die Berechnung der Entschädigung die Umlaufrendite der Hypothekenpfandbriefe eine Rolle. Jedoch wird die Bank nicht sofort nach der Rückzahlung des Darlehens die Berechnung vornehmen. Sind die Zinsen für die Hypothekenpfandbriefe bis zum Zeitpunkt der Berechnung wieder gestiegen, muss die Bank die Vorfälligkeitsentschädigung nach unten korrigieren.

Können Sie die Vorfälligkeitsentschädigung von der Bank zurückfordern?

Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob die Berechnung der Bank im Hinblick auf die Vorfälligkeitsentschädigung richtig ist, können Sie diese auch überprüfen lassen. Hierzu können Sie entweder die Verbraucherzentrale oder einen Anwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in Anspruch nehmen. Sollte der Bank ein Fehler unterlaufen sein, reicht es meist aus, dass Sie dieser die korrigierte Berechnung zukommen lassen. Kommt die Bank der Reduzierung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht nach, müssen Sie ggf. einen Rechtsanwalt mit der Angelegenheit beauftragen.

Hinweis: Kosten für einen Rechtsanwalt im Blick haben

Wenn Sie keine Rechtsschutzversicherung haben, müssen Sie für die Kosten des Rechtsanwaltes ggf. selbst aufkommen. Sie sollten daher in Erfahrung bringen, wie hoch diese Kosten ausfallen und diese dann im Verhältnis zur Vorfälligkeitsentschädigung setzen. Die Rechtsanwaltskosten können die Ersparnis bei der Vorfälligkeitsentschädigung nämlich noch einmal reduzieren.

Die Vorfälligkeitsentschädigung umgehen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um die Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen. So entfällt zum Beispiel die Vorfälligkeitsentschädigung, wenn die Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag fehlerhaft ist oder Sie machen als Darlehensnehmer von Ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch.

Warum fällt keine Vorfälligkeitsentschädigung bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung an?

Ihr Bankdarlehen wird eine Widerrufsbelehrung haben. Viele Banken verwenden jedoch bis heute fehlerhafte Widerrufsbelehrungen in ihren Bankkrediten. Wenn Sie so einen Fehler entdecken, dann können Sie den Darlehensvertrag auch nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist widerrufen.

Wurde der Darlehensvertrag widerrufen, dann ist er so zu behandeln, als wäre er nie da gewesen. Aus diesem Grund fällt auch keine Vorfälligkeitsentschädigung an, denn die Bank kann keine Entschädigung für einen nicht existierenden Vertrag verlangen.

Die häufigsten Fehler sind:

  • Die Widerrufsbelehrung ist im Hinblick auf den Fristbeginn undeutlich formuliert.
  • Die Widerrufsbelehrung enthält irreführende Angaben zur Verpflichtung bzw. den Abschluss einer Gebäudeversicherung und die dafür anfallenden Kosten.
  • Die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben zum Kündigungsrecht fehlen bzw. sind fehlerhaft.
  • Die Belehrung enthält einen fehlerhaften Hinweis auf die zuständige Aufsichtsbehörde.
  • In der Widerrufsbelehrung sind zwei Fristen für den Widerruf enthalten.

Hinweis: Ewiges Widerrufsrecht

Sollten Sie Ihr Immobiliendarlehen zwischen dem 11.06.2010 und 20.03.2016 abgeschlossen haben, dann können Sie Ihr Darlehen womöglich noch heute widerrufen. Für Baufinanzierungskredite, die nach dem 20.03.2016 abgeschlossen wurden, beträgt die Widerrufsfrist in der Regel bis zu 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss.

Was versteht man unter dem Vorfälligkeitsjoker?

Am 21.03.2016 ist eine Gesetzesänderung in Kraft getreten. Die Banken dürfen keine Vorfälligkeitsentschädigung mehr verlangen, wenn sie ihre Kunden nicht richtig über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung informiert haben.

Aus § 502 Absatz 2 Nr. 2 BGB ergibt sich:

Der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist ausgeschlossen, wenn im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.

Die häufigsten Fehler sind:

  • Falscher Berechnungszeitraum:

Die Bank darf nur so lange mit Zinseinnahmen rechnen, bis Sie als Darlehensnehmer den Vertrag ordentlich kündigen können. Dies ist gemäß § 489 Absatz 1 Nr. 2 BGB in jedem Fall nach zehn Jahren Vorauszahlung mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten. Geht die Bank bei der Berechnung bis zum Ende der Zinsbindungsfrist aus, dann stellt dies ein Fehler dar.

  • Keine Berücksichtigung der Sondertilgungsrechte:

Bei einer Sondertilgung sinkt mit jeder Tilgung die offene Darlehenssumme. Mit einer niedrigeren Darlehenssumme sinkt auch die Zinsbelastung und somit auch die Höhe der Zinsen, die die Bank einbehalten kann. Deshalb muss die Bank bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung davon ausgehen, dass Sie dieses Sondertilgungsrecht jedes Jahr ausgeübt haben, auch wenn Sie dies nicht getan haben. Dies gilt jedoch nur, wenn Sie auch das Recht haben, Sondertilgungen zu leisten.

Fällt eine Vorfälligkeitsentschädigung an, wenn die Bank das Darlehen kündigt?

Die Vorfälligkeitsentschädigung stellt eine Entschädigung für die vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrages dar. Wenn die Bank den Darlehensvertrag jedoch selbst kündigt, weil Sie beispielsweise mit Zahlungen im Verzug sind, dann darf die Bank von Ihnen keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.

Das Gleiche gilt, wenn Sie Ihr Darlehen einvernehmlich mit der Bank kündigen. Eine solche Zustimmung wird Ihnen die Bank in der Regel dann erteilen, wenn Sie Ihr altes Darlehen durch ein höheres Darlehen bei der selben Bank ersetzen möchten.

Fällt eine Vorfälligkeitsentschädigung auch bei variabel vereinbarten Zinsen an?

Wenn Sie bei Abschluss des Darlehens vereinbart haben, dass die Zinsen variabel sind, dann werden die Zinsen regelmäßig an das aktuelle Marktniveau angepasst. Die Bank kann also nicht voraussehen, welchen Verlust bei einer vorzeitigen Beendigung des Darlehens überhaupt entstehen würde. Für diese Darlehensform gilt daher eine gesetzliche Kündigungsfrist von drei Monaten und eine Vorfälligkeitsentschädigung fällt ebenfalls nicht an.