Nach ewigem Hin und Her bei der Frage, ob der „Verjährungsjoker” § 852 BGB auch auf Gebrauchtwagen Anwendung findet, hat sich nun der Bundesgerichtshof (BGH) eingeschaltet. Er lehnt eine Entschädigung nach dieser Vorschrift ab und wies diesbezügliche Revisionen zurück.
§852 BGB – Der „Verjährungsjoker” im Abgasskandal
Die Manipulation der Abgaswerte verschiedener Fahrzeuge durch Volkswagen wurde 2015 – also vor fast sieben Jahren – bekannt. Das führt dazu, dass heute ein Großteil der Ansprüche von Verbraucher:innen verjährt sein dürfte. Trotzdem stehen geprellte Kund:innen nicht schutzlos da.
§ 852 BGB ist eine Norm, die seit der Verjährungsdebatte im Abgasskandal immer mehr in den Fokus von Justiz und Öffentlichkeit gerückt ist. Sie dehnt nämlich die Verjährung bei Ansprüchen aus einer unerlaubten Handlung auf bis zu zehn Jahre aus. Sollte diese Vorschrift bei Diesel-Fällen also Anwendung finden, können Klagen je nach Fristbeginn noch bis ins Jahr 2025 und darüber hinaus eingelegt werden.
Rechtsprechung über Anwendbarkeit bisher uneins
Lange Zeit war die Anwendbarkeit von § 852 BGB auf Gebrauchtwagen umstritten. Sowohl Landes- als auch Oberlandesgerichte bewerteten solche Fälle unterschiedlich, sodass ein regelrechter „Flickenteppich” bei den deutschen Zivilgerichten entstand.
Dreh- und Angelpunkt war, inwieweit der Gewinn der Fahrzeughersteller noch mit dem Kaufpreis der Kund:innen in Verbindung gebracht werden konnte. Denn § 852 fordert eine Vermögensverschiebung zulasten der Kund:innen, die durch das schädigende Verhalten von VW und Co. entstanden sein muss. Während einige Gerichte eine solche Vermögensverschiebung auch bei Gebrauchtwagenkäufen als gegeben sahen, fehlte anderen Gerichten eine enge Verbindung von Kaufpreis und Gewinn.
Hinweis: § 852 bei Neuwagen
Deutlich weniger problematisch ist die Anwendung von § 852 BGB bei Neuwagen. Hier müssen Gerichte nicht detailliert prüfen, ob zwischen Kaufpreis und Gewinn der Hersteller ein hinreichend enges Verhältnis besteht.
BGH fordert direkte Vermögensverschiebung
Der BGH hat mit seiner Entscheidung jetzt für Klarheit gesorgt. Das höchste deutsche Zivilgericht hält die Anwendbarkeit des § 852 auf Gebrauchtwagen für unzulässig. Denn der Senat bezweifelt einen direkten Vermögenszufluss der Hersteller aus dem Gebrauchtwagengeschäft.
Sinn und Zweck des § 852 sei es, dass Schädiger die Vorteile ihrer unerlaubten Handlung nicht allein deshalb behalten, weil Ansprüche der Geschädigten verjährt sind. Das setze allerdings eine tatsächliche Vermögensverschiebung zwischen Schädiger und Geschädigten voraus. Mit anderen Worten: Was der:die Kund:in verliert, muss dem Fahrzeughersteller im Umkehrschluss zugutekommen.
Genau daran hapere es laut BGH aber bei einem Gebrauchtwagenkauf. VW und Co. seien weder direkt, noch indirekt an solchen Geschäften beteiligt. Der Vertrag – und damit einhergehend die Zahlungen des Kaufpreises – werde nur zwischen Gebrauchtwagenhändler und Kund:in abgewickelt. Der Hersteller erlange somit überhaupt nichts, das er wieder herausgeben könnte. „Deshalb scheidet in diesen Fällen ein Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB aus”, so das Gericht abschließend.
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