Daimlers Fassade im Abgasskandal bröckelt einmal mehr: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun ein Urteil eines Berufungsgerichts zur Neuverhandlung zurückgewiesen. Der Grund: Die Darlegung eines Klägers lieferte stichhaltige Hinweise darauf, dass es sich bei der in seinem Fahrzeug befindlichen Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung (KSR) um eine manipulative Abschalteinrichtung handeln könnte. Das Berufungsgericht sei dem nicht ausreichend nachgegangen, so der BGH.
Berufungsgericht setzt KSR mit Thermofenster gleich
Für den Halter eines Mercedes-Benz E 350 D Avantgarde Night steht fest: Sein Fahrzeug, ausgestattet mit einem Dieselmotor des Typs OM642, ist vom Abgasskandal betroffen. Er wirft der Daimler AG, jetzt Mercedes-Benz Group AG, Manipulationen an der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung vor und reichte Klage ein.
Hinweis: KSR
Bei der KSR handelt es sich um eine Software, die mithilfe des Kühlmittels die Abgasreinigung beeinflusst. Aktiviert, wird der Kühlmittelkreislauf künstlich heruntergekühlt, das Fahrzeug stößt weniger Schadstoffe aus.
In erster Instanz gescheitert, legte der Kläger Berufung gegen das Urteil ein. Doch auch das Berufungsgericht fegte mögliche Ansprüche auf Schadensersatz vom Tisch. Der Grund: Die Richter:innen stellten die KSR dem Thermofenster gleich. Dabei ist das Thermofenster rechtlich – auch nach Auffassung des BGH – nicht als manipulative Abschalteinrichtung zu bewerten.
Nicht eindeutig geklärt ist indes, ob die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung in ihrer Funktionsweise eine manipulative Abschalteinrichtung darstellt. Gerichte fällen durchaus unterschiedliche Urteile. Das Berufungsgericht entschied, dass keine Manipulation vorläge und sprach dem Kläger in seinem Urteil auch das Recht auf Revision ab.
BGH widerspricht Berufungsgericht
Trotz des Scheiterns in zweiter Instanz ließ der Mercedes-Halter nicht locker: Im Zuge einer Nichtzulassungsbeschwerde ging er gegen das Urteil des Berufungsgerichtes vor, woraufhin der Fall beim Bundesgerichtshof landete. Der bewertet den Fall anders, widerspricht dem Berufungsgericht in seiner Auffassung und hebt das Urteil zur Neuverhandlung auf.
Die Argumentation des Klägers sei so stichhaltig, dass ein Schadensersatzanspruch nicht ausgeschlossen werden könne, so die BGH-Richter:innen. Das Berufungsgericht habe dem Kläger nicht ausreichend Recht auf Gehör geschenkt und sei leichtfertig davon ausgegangen, dass KSR und Thermofenster in der Rechtsprechung stets gleichwertig zu behandeln seien.
Wichtig: Vorangegangene Urteile
In der Vergangenheit wurde die Daimler AG bzw. Mercedes-Benz Group immer wieder vom Vorwurf der Manipulation in Verbindung mit der KSR freigesprochen. Der Grund hierfür war oftmals ein nicht ausreichender Vortrag vonseiten der Kläger:innen.
Für Daimler ist noch nichts entschieden
Der Kläger hat glaubhaft vorgetragen, dass die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung den Prüfzyklus erkennt und den Kühlmittelkreislauf dementsprechend anpasst. Der BGH hält Schadensersatzansprüche aufgrund vorsätzlich sittenwidriger Schädigung für möglich. Nun liegt es beim Berufungsgericht, die vorgelegten Beweise eingehend zu prüfen und ggf. weitere zu erheben. Für den Autobauer ist also längst noch nichts entschieden, einmal mehr wird an der makellosen Darstellung Daimlers gekratzt.
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