Das bedeutet Versorgungsausgleich bei einer Scheidung

In den Jahren einer Ehe oder eingetragenen Lebensgemeinschaft teilen sich die Partner die Aufgaben des täglichen Lebens – und das auf sehr individuelle Art und Weise. Oft genug fungiert einer als Hauptverdiener, während sich der andere bevorzugt um die Familie kümmert. Das ändert sich schlagartig, wenn Sie die Scheidung einreichen.

Die Folge: Die Einkommen sind ebenso unterschiedlich wie die Anwartschaften, die in dieser Zeit erworben werden. Aus diesem Grund ist der Versorgungsausgleich bei der Scheidung vorgesehen: Hier werden die in der Zeit der Ehe oder Lebensgemeinschaft erworbenen Anwartschaften zwischen den beiden Partnern ausgeglichen. Die Güterstände in der Ehe werden neu verteilt.

Dabei spielt naturgemäß eine Rolle, ob einer der Partner wegen Kindererziehung eine bestimmte Zeit nicht oder nur in Teilzeit berufstätig war, ob es Zeiten der Arbeitslosigkeit gab oder eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst – all diese Faktoren wirken sich auf die relevanten Rentenanwartschaften aus.

Was besagt das Versorgungsausgleichsgesetz?

Die Grundlage dafür bietet das Versorgungsausgleichsgesetz, das einem einfachen Prinzip folgt: Jede während der Ehe oder Lebensgemeinschaft erworbene Anwartschaft wird halbiert, um sie beiden Beteiligten zu jeweils 50 % zuzuschreiben.

Das Gesetz versteht unter der relevanten Ehezeit den Zeitraum, der mit dem Monatsbeginn der Eheschließung startet und bis zum Monatsende der Zustellung des Scheidungsantrages endet. In Ausnahmefällen, wenn die Trennungsphase ungewöhnlich lang dauert, kann der Versorgungsausgleich auf den Zeitraum bis zum Trennungsjahr vor der Scheidung gekürzt werden.

Versorgungsausgleich als Teil des Scheidungsverfahrens

Grundsätzlich wird der Versorgungsausgleich bei einer Scheidung automatisch vom Gericht erhoben, ein spezieller Antrag ist dafür nicht notwendig. Sollte die Ehe jedoch nur weniger als drei Jahre bestanden haben, besteht in der Regel kein Anspruch auf den Versorgungsausgleich.

Tipp: Beantragen Sie trotzdem den Versorgungsausgleich

Sie können in diesem Fall jedoch trotzdem einen Versorgungsausgleich bei der Scheidung beanspruchen. Konsultieren Sie dazu am besten einen Fachanwalt, um rechtzeitig einen entsprechenden Antrag an das Gericht zu stellen.

Wie läuft das Verfahren zum Versorgungsausgleich bei Scheidung ab?

Im Zuge des Scheidungsverfahrens erhalten beide Partner einen Fragebogen, in dem sie alle Versicherungen und Anwartschaften, die entsprechenden Versicherungsnummern und eine eventuelle abweichende Regelung beantworten sollen. So lässt sich der Versorgungsausgleich für die Scheidung nämlich im Rahmen eines Ehevertrages ausschließen. Diese Formulare sind auszufüllen und an das Gericht zurückzusenden.

Hinweis: Nicht zu lange warten

Sollte einer der Beteiligten säumig sein, verzögert sich das gesamte Scheidungsverfahren. Im Extremfall verhängt das Gericht deswegen ein Zwangsgeld.

Sollte sich die Scheidung wegen fehlender Unterlagen über drei Monate hinziehen, kann das Gericht die Verfahren trennen. Es wird zunächst die Scheidung verhandelt, der Versorgungsausgleich wird dann nachträglich durchgeführt.

Auf der Grundlage der von beiden Parteien übermittelten Informationen fragt das Gericht die entsprechenden Versorgungsträger an, um die genaue Höhe der relevanten Anwartschaften zu ermitteln. Diese Auskunft braucht erfahrungsgemäß einige Zeit, weil oft genug Details wie Versicherungszeiten fehlen. Sobald die Auskünfte der Versorgungsträger vorliegen, erhalten die beiden Parteien die Dokumente zur Prüfung und Stellungnahme.

Wie wird der Versorgungsausgleich berechnet?

Sobald Sie die Unterlagen vorliegen haben, sollten Sie diese mit Hilfe eines Spezialisten prüfen. Auch den Versorgungsträgern unterlaufen Fehler, die sich für Sie unter dem Strich finanziell bemerkbar machen können.

Beispiel: Berechnung des Versorgungsausgleichs

Partner A hat zum Zeitpunkt der Eheschließung in der gesetzlichen Rentenversicherung bereits eine Anwartschaft von 150 EUR im Monat erworben. Diese hat sich bis zur Scheidung auf 650 EUR monatlich erhöht, zusätzlich konnte er in dieser Zeit eine Zusatzversorgung mit 60 EUR im Monat erwerben.

Partner B ging mit einer Anwartschaft von 200 EUR monatlich aus der Beamtenversorgung in die Ehe, bis zur Scheidung erhöht sich diese auf 900 EUR im Monat. Darüber hinaus besparte er einen Riester-Vertrag, der zum Zeitpunkt der Scheidung eine Anwartschaft von 160 EUR monatlich aufweist.

Der Ausgleich:

  • A erhält 350 EUR Anwartschaft aus der Beamtenversorgung und 80 EUR aus dem Riester-Vertrag.
  • B erhält 250 EUR Anwartschaft aus der gesetzlichen Rente und 30 EUR aus der Zusatzversorgung.

In Sonderfällen: Verzicht auf Versorgungsausgleich bei Scheidung

Dem Grundsatz nach können Sie verzichten, wenn

  • Sie eine anderweitige Regelung in einem Ehevertrag getroffen haben,
  • die Ehe weniger als drei Jahre bestanden hat oder
  • die Bagatellgrenze nicht überschritten wird.

Was ist unter Bagatellgrenze zu verstehen?

Wurden während der Ehe oder Lebensgemeinschaft nur geringfügige Anwartschaften erworben, ist ein Versorgungsausgleich bei Scheidung nicht erforderlich. Es gelten hier bestimmte Mindestgrenzen, für das Jahr 2020 sind folgende Werte verbindlich:

  • westliche Bundesländer: Kapitalwert 3.822 EUR
  • östliche Bundesländer: Kapitalwert 3.612 EUR

Bei monatlichen Angaben sollte die erworbene Anwartschaft nicht größer als 1 % der monatlichen Bezugsgröße ausmachen, was für 2020 einer Monatsrente von 31,85 EUR in den westlichen und 30,10 EUR in den östlichen Bundesländern entspricht.

Wann wird der Versorgungsausgleich bei Scheidung außerdem überflüssig?

Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof weitere Kriterien festgelegt, die den Versorgungsausgleich bei Scheidung überflüssig machen. Er kann unterbleiben, sollte

  • die Anwartschaft bedeutungslos,
  • der Verwaltungskostenaufwand höher als die Anwartschaft,
  • der Empfangsberechtigte nicht auf den Wert angewiesen und
  • das gesamte Verfahren nicht wirtschaftlich sein.

Tipp: Prüfen Sie Ihre Ansprüche

Bevor Sie auf den Versorgungsausgleich bei der Scheidung verzichten, sollten Sie die Fakten genau prüfen. Ein Fachanwalt wird Ihnen dazu Auskunft geben, ob sich das Verfahren in Ihrem Fall lohnt.

Welche Anwartschaften werden im Versorgungsausgleich berücksichtigt?

Der Versorgungsausgleich bei Scheidung zielt darauf ab, die Rentenansprüche der Partner gerecht aufzuteilen. Dementsprechend gehören alle Versicherungen, die eine Altersrente zum Gegenstand haben, auf den Prüfstand. Ausnahme: Sollte eine private Altersversorgung mit einem Einmalbeitrag finanziert worden sein, muss die daraus abzuleitende Anwartschaft im Rahmen des Zugewinnausgleichs aufgeteilt werden.

Im Versorgungsausgleich werden also Anwartschaften berücksichtigt aus:

  • der gesetzlichen Rentenversicherung anhand der Entgeltpunkte
  • berufsständischen Versorgungswerken für Ärzte, Apotheker, Anwälte u.a.
  • privaten Rentenversicherungen mit unwiderruflich festgelegtem oder zwingendem Rentenbezug
  • der betrieblichen Altersversorgung
  • Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes
  • Riester- und Rürup-Verträgen
  • Erwerbsunfähigkeitsversicherungen

Irrelevant sind hingegen Kapital- und Risikolebensversicherungen sowie Rentenversicherungen ohne Bezug zur Altersversorgung, wie zum Beispiel private Unfallrenten oder Opferrenten.

Der Unterschied zwischen Versorgungsausgleich und Unterhalt

Der Versorgungsausgleich bei Scheidung bezieht sich explizit auf die Anwartschaften, die die Eheleute oder Partner während ihrer gemeinsamen Zeit für die Altersversorgung erwerben. Es geht also nicht darum, den aktuellen finanziellen Verhältnisse nach der Trennung auszugleichen. Für diesen Zweck gibt es das Unterhaltsrecht, das nicht nur den Kindes – sondern auch den Ehegattenunterhalt oder Partnerunterhalt regelt.

Wann wird der Ausgleich fällig?

Ein klares Unterscheidungsmerkmal ist der Zeitpunkt der Fälligkeit. In der Regel findet der Ausgleich nämlich unter den Versorgungsträgern statt, sodass Sie erst mit Beginn des Rentenbezuges die Auswirkungen bemerken.

Es gibt aber auch hier eine Ausnahme: Ehegatten oder Partner können sich auf eine Ausgleichszahlung einigen – steuerpflichtig. Damit können die Partner, die deutlich höhere Anwartschaften erworben haben, den Versorgungsausgleich bei Scheidung umgehen. Wie der Bundesfinanzhof bestätigt, darf der abgebende Partner die Aufwendungen als Sonderausgabe geltend machen, während der empfangende den Betrag als sonstige Einkünfte zu deklarieren hat.

Tipp: Konsultieren Sie einen Experten

Bevor Sie die Möglichkeit einer Ausgleichszahlung in Erwägung ziehen, besprechen Sie mit einem Rechtsanwalt die möglichen Konsequenzen.

Können Sie den Ausgleich anfechten oder nach Tod rückabwickeln?

Hier eröffnen sich neue Möglichkeiten: Sollte die ausgleichsberechtigte Partei versterben, kann ein Rückausgleich durchgeführt werden. Zur Prüfung reicht eine formlose Nachricht an die Versorgungsträger unter Angabe der relevanten Versicherungsnummern aus. Der Hinterbliebene würde dann seine volle Rente erhalten, wenn der Ausgleichsberechtigte weniger als 36 Monate eine Rente aus den entsprechenden Anwartschaften erhalten hat.

Tipp: Schnelles Handeln lohnt sich

Da keine Rückzahlung vorgenommen wird, zählt jeder Monat: Ausschlaggebend ist die Antragstellung, ab diesem Monat könnten Sie die ungekürzte Rente erhalten.

Sollte der Ausgleichsberechtigte schon zu lange seine Rente bezogen haben, wird der Antrag meist vom Versorgungsträger abgelehnt. Dann lohnt sich jedoch der Gang zum Fachanwalt, der beim Familiengericht die Neuberechnung des Versorgungsausgleichs beantragen kann.