Baustellenbetreiber müssen nicht vor jeder einzelnen Unebenheit auf ihrer Baustelle warnen, um ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen. Das hat das Landgericht (LG) Koblenz entschieden und die Klage einer verletzten Fußgängerin abgewiesen. Solange die Baustelle als solche gut ausgeschildert ist, müssen die Verantwortlichen nicht für verursachte Schäden aufkommen.

Fräskante lässt Fragen zu Verkehrssicherungspflicht aufkommen

Die Unfallgefahr auf Baustellen ist hoch. Um die Verletzungsgefahr für Vorbeigehende zu minimieren, sind die Betreiber rechtlich dazu verpflichtet, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Wie weit diese Verkehrssicherungspflicht geht, beschäftigt die Zivilgerichte immer wieder. So auch in dem Koblenzer Fall:

Die Klägerin ist eine Anwohnerin der Kleinstadt Remagen in Rheinland-Pfalz. Im Februar 2022 stürzte sie auf dem Weg nach Hause über eine Fräskante, die durch Bauarbeiten an einer nahegelegenen Straße entstanden ist, und brach sich dabei ihr linkes Handgelenk. Die Baustelle selbst war den behördlichen Vorgaben entsprechend ausgeschildert.

Trotzdem verlangte die Frau nun Schadensersatz und Schmerzensgeld, da die Beschilderung am Unfallort nur auf eine Baustelle, nicht aber auf die Fräskante selbst hingewiesen habe. Die Baustellenleitung hingegen vertrat die Auffassung, dass sie ihrer Verkehrssicherungspflicht auf der Baustelle ausreichend nachgekommen sei.

Hinweis: Schadensersatz und Schmerzensgeld
Das zivile Schadensrecht unterscheidet in Entschädigungsfragen immer zwischen Schadensersatz und Schmerzensgeld. Während der Schadensersatz als Ausgleich von materiellen Schäden zu verstehen ist, dient das Schmerzensgeld als Entschädigung für immaterielle Schäden wie körperliche oder psychische Leiden.

Inhalt der Verkehrssicherungspflicht hängt vom Einzelfall ab

Nun musste das LG entscheiden, was genau die Sorgfaltspflicht der Beklagten beinhaltet und wo eine Grenze gezogen werden muss. Die Richter:innen kamen zu dem Ergebnis, dass die Verantwortlichen alles Notwendige zur Sicherung der Baustelle getan hätten.

Entscheidend für den Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht seien die äußeren Gesamtumstände. „Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginne erst
dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend
eintrete und nicht rechtzeitig erkennbar sei“, stellte das Gericht zu Beginn seiner Urteilsfindung fest.

Beschilderung der Baustelle reicht in der Regel

Im vorliegenden Fall sei die Gefahrenlage für die Klägerin weder überraschend noch unvorhersehbar gewesen. Dafür sprechen laut Gericht gleich mehrere Punkte:

  1. Der Baustellenbereich wurde eindeutig gekennzeichnet und war für Fahrzeuge sogar komplett abgesperrt,
  2. Fräskante, seien typische Unebenheiten auf einer Baustelle, mit denen zu rechnen sei,
  3. die Straße, auf der die Klägerin unterwegs war, besaß keinen Gehweg und sei zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht durchgängig beleuchtet gewesen, weshalb die Frau besonders sorgsam hätte sein müssen,
  4. der Klägerin hätte der schlechte Zustand der Straße und die damit verbundenen notwendigen Fräsarbeiten bekannt sein müssen.

Die Beklagte hingegen sei durch die Beschilderung der Baustelle ihrer Verkehrssicherungspflicht vollumfänglich nachgekommen. Mehr hätte die Klägerin nicht von ihr erwarten dürfen. Deshalb wies das LG Koblenz die Klage letztendlich ab.

Der Fall aus Remagen zeigt, dass es bei Verkehrssicherungspflichten immer auf den Einzelfall ankommt. In der Regel dürften Baustellenbetreiber mit einer ausreichend gute Beschilderung jedoch auf der sicheren Seite sein.

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