Mehr Power, erleichterte Meldepflichten und kaum mehr Veto-Recht für Vermieter: Die Photovoltaik-Strategie, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) kürzlich vorgelegt hat, soll den Umstieg auf erneuerbare Energien vereinfachen. Was klimabewusste Mieterinnen und Mieter jetzt wissen sollten, um Konflikte mit Vermietern und Nachbarn zu vermeiden, weiß die Verbraucherrechtskanzlei rightmart.
Heizplan, Wärmewende, Energiekrise: Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher machen sich Gedanken über explodierende Strompreise und wollen ihren Teil zum Klimaschutz beitragen. Wem das nötige Kleingeld für eine klassische Photovoltaik-Anlage (PV) fehlt, eine Eigentumswohnung besitzt oder zur Miete wohnt, für den sind Balkonkraftwerke – also steckerbetriebene Mini-Photovoltaik-Anlagen für Balkon und Terrasse – eine vergleichsweise preisgünstige und angesichts der simplen Installation unkomplizierte Möglichkeit, um die eigenen Stromkosten zu senken. Sie bestehen aus einem oder zwei Solarmodulen, einem Wechselrichter zur Umwandlung von Gleich- in Wechselstrom sowie einem Anschluss für das häusliche Stromnetz. Allein 2020 und 2021 sollen einer aktuellen Marktstudie der HTW Berlin und der nordrhein-westfälischen Verbraucherzentrale zufolge bundesweit bis zu 128.000 Geräte installiert worden sein. In Anbetracht fallender Preise – eine Anlage ist aktuell bereits ab 500 Euro zu haben – dürfte diese Zahl in Zukunft noch deutlich steigen.
(Noch) kein genereller Anspruch auf Balkon-PV
Wer mit Balkon-PV liebäugelt, sollte nicht nur die gesetzlich vorgeschriebene Einspeise-Limitierung von maximal 600 Watt kennen und um etwaige Meldepflichten im Marktstammdatenregister (MaStR) der Bundesnetzagentur sowie beim Verteilnetzbetreiber wissen, sondern sich auch bewusst sein, dass Eigentümerinnen und Eigentümer ebenso wie Mietende – zumindest aktuell – keinen generellen Anspruch auf den Betrieb eines Balkonkraftwerks haben.
Ob Vermieter über eine Anlage informiert oder gar ihre Zustimmung geben müssen, hängt maßgeblich davon ab, wo die Module installiert werden. Doch wer seinen mitunter begrenzten Platz auf Balkon und Terrasse nicht für eine aufgeständerte Anlage opfern möchte, sollte vor der Anschaffung unbedingt das Gespräch suchen und sich die Genehmigung schriftlich geben lassen. „Wird die Anlage an der Balkonbrüstung, an der Außenwand oder auf dem Dach montiert, handelt es sich um eine bauliche Veränderung. Hier ist zweifelsfrei die Zustimmung des Vermieters bzw. der Eigentümergemeinschaft erforderlich, wobei in Bezug auf letztere die einfache Mehrheit genügt”, erklärt Sükrü Sekeryemez, Rechtsanwalt in der Verbraucherrechtskanzlei rightmart.
„Eventuell beantwortet aber bereits der Mietvertrag die Frage, ob Solarmodule an Fassaden oder Balkonen gestattet sind oder der Zustimmung bedürfen – und an welche Voraussetzungen diese geknüpft ist, etwa die Installation durch einen Fachbetrieb oder einen Tragfähigkeitsnachweis des Balkons”, so Sekeryemez. Eine Zustimmung ist ebenfalls vonnöten, wenn für den Betrieb der Anlage eine neue Steckdose gesetzt oder der Stromzähler getauscht werden muss, da in die Elektroinstallation eingegriffen wird.
Streitthema Balkon-PV: Gerichte urteilen uneinheitlich
Der Mehrheit der gerichtlichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Balkonkraftwerken liegt entweder eine nicht vorhandene Genehmigung durch Vermieter bzw. der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) oder eine optische Beeinträchtigung der Fassade zugrunde. Dabei urteilten die Gerichte in der Vergangenheit durchaus unterschiedlich. Das Amtsgericht Konstanz etwa gab im Februar 2023 der WEG Recht, weil die von den Eigentümern installierte PV-Anlage auf dem Balkon die Optik der Fassade beeinträchtige. Bauliche Veränderungen bedürfen laut Abs. 1 WEG zudem unmissverständlich der Zustimmung der Eigentümerinnen und Eigentümer. Auch eine Vermieterin in Stuttgart widersprach der Installation eines Balkonkraftwerks. Als die Mieter dennoch eine Anlage in Betrieb nahmen, klagte sie vor dem Amtsgericht auf Entfernung – und verlor. Zwar stehe der Vermieterin angesichts der fehlenden Zustimmung ein Anspruch auf Beseitigung zu. Hierfür sei allerdings ein triftiger Grund notwendig. Da die besagte Anlage baurechtlich zulässig, optisch nicht störend, leicht rückbaubar, fachmännisch ohne Verschlechterung der Mietsache installiert und im Sinne der politisch angestrebten Energiewende sogar vorteilhaft sei, müsse die Vermieterin die Anlage dulden, so das Gericht.
Ganz und gar nicht den Vorschriften entsprachen die offenbar etwas eigenwillig montierten Solarmodule, die ein Familienvater im thüringischen Ilmenau oberhalb des Balkongeländers anbrachte. Trotz eindeutiger Gerichtsurteile weigerte er sich, die Anlage zu demontieren – und kassierte daraufhin sogar eine Räumungsklage. Nicht zu unterschätzen ist indes die Blendwirkung der Module. So musste ein Ehepaar aus Neustadt in Rheinland-Pfalz auf Anweisung des Landgerichts Frankenthal seine PV-Anlage zwar nicht entfernen, aber neu ausrichten.
Photovoltaik-Strategie: Bundesregierung verspricht Erleichterungen
Die Photovoltaik-Strategie, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) kürzlich vorgelegt hat und noch in diesem Jahr in die Umsetzung bringen will, dürfte das Streitpotenzial in puncto Balkon-PV reduzieren. Geplant ist nicht nur die Anhebung der Wechselstromleistung auf maximal 800 Watt und der Wegfall der Doppelmeldung, sondern insbesondere die Aufnahme von Balkonkraftwerken in den Katalog privilegierter Maßnahmen im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) bzw. Baugesetzbuch (BauGB). „Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer sowie Mieterinnen und Mieter hätten somit zukünftig einen Anspruch auf Zustimmung für den Betrieb eines Steckersolargerätes”, sagt Rechtsanwalt Sükrü Sekeryemez. Weiterhin sollen Schukostecker zugelassen und rückwärts drehende Zähler – sogenannte Ferrariszähler – geduldet werden, bis der Verteilnetzbetreiber geprüft hat, ob der Einbau eines Zweirichtungszählers erforderlich ist.
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