Arbeitnehmer:innen dürfen selbst dann nicht auf ihren gesetzlichen Mindesturlaub verzichten, wenn sie das im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs tun. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. Ein Verzicht auf den Mindesturlaub sei nicht mit dessen hohem Stellenwert im deutschen Arbeitsrecht vereinbar. Die Entscheidung aus Erfurt ist besonders für Beschäftigte relevant, die ihren Urlaub krankheitsbedingt nicht mehr nehmen können.
Betriebsleiter will auf Mindesturlaub verzichten
Auslöser für das Verfahren vor dem BAG war ein außergerichtlicher Vergleich zwischen einem ehemaligen Betriebsleiter und dessen Ex-Arbeitgeber. Der Mann war seit 2019 bei dem Unternehmen beschäftigt. Im Januar 2023 erkrankte der Arbeitnehmer schließlich arbeitsunfähig, weshalb sich beide Parteien in einem Vergleich darauf einigten, dass der Arbeitsvertrag zwischen ihnen gegen Zahlung einer Abfindung beendet wird.
Der Vergleich enthielt unter anderem eine Regelung bezüglich des gesetzlichen Urlaubsanspruchs des Betriebsleiters. Darin verzichtete er ohne Gegenleistung auf alle bezahlten Urlaubstage, die ihm zu diesem Zeitpunkt noch zur Verfügung standen – insgesamt sieben.
Wirksamkeit des Verzichts auf Mindesturlaub umstritten
Wenig später ruderte der Mann zurück und verlangte von seinem ehemaligen Arbeitgeber einen finanziellen Ausgleich. Aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes könne er die Urlaubstage bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr nehmen, sodass er stattdessen in Geld zu entschädigen sei.
Sein ehemaliger Vorgesetzter hielt dagegen und erinnerte ihn an den außergerichtlichen Vergleich, den sie miteinander geschlossen hatten. Darin habe er seinen Urlaubsanspruch freiwillig aufgegeben.
Da sich beide Parteien in dieser Frage nicht einigen konnten, musste nun das BAG entscheiden, ob der Vergleich rechtlich wirksam war oder nicht.
Hinweis: Auszahlung des Urlaubsanspruchs nur ausnahmsweise möglich
Eigentlich verbietet es die europäische Arbeitszeitrichtlinie, dass Arbeitnehmer:innen ihren Mindesturlaub nicht nehmen und ihn sich stattdessen auszahlen lassen. Einzige Ausnahme: Das Arbeitsverhältnis ist – wie im vorliegenden Fall – schon beendet und die Gewährung des Urlaubs faktisch nicht mehr möglich.
Verzicht auf Mindesturlaub trotz Vergleich nichtig
Das höchste Arbeitsgericht Deutschlands kassierte die außergerichtliche Vereinbarung der Parteien und sprach dem ehemaligen Betriebsleiter 1.615, 11 EUR als Ersatz für seinen nicht genommenen Urlaub zu.
Die Erfurter Richter:innen begründeten ihre Entscheidung mit dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) – genauer gesagt § 13 Abs. 1 BUrlG. Dort ist geregelt, dass Abweichungen von den rechtlichen Vorgaben des BUrlG nicht zulasten der Arbeitnehmer:innen gehen dürfen. Die Vorschrift soll Mitarbeitende vor ausbeuterischen oder gesundheitsgefährdenden Vertragsklauseln schützen.
Daraus leitet das BAG ein generelles Verbot für das Ausschließen des gesetzlichen Mindesturlaubs ab. Infolgedessen sind Vereinbarungen, in denen Arbeitnehmer:innen auf ihren Mindesturlaub verzichten, nichtig – unabhängig davon, ob eine finanzielle Gegenleistung des Arbeitgebers erfolgt oder nicht.
BAG stärkt Rechte von kranken Beschäftigten
Das Urteil aus Erfurt ist besonders für (chronisch) kranke Arbeitnehmer:innen relevant, die – wie der Betriebsleiter im Ausgangsfall – keine Möglichkeit haben, ihren Urlaubsanspruch rechtzeitig geltend zu machen. Es sichert ihnen im Zweifel nicht nur ihren Abgeltungsanspruch ab, sondern schützt sie auch vor unfairen Vergleichen oder Aufhebungsverträgen, die sie viel zu sehr benachteiligen.
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