Gefährliche Körperverletzung in 36 Fällen: So lautet die Anklage gegen den Kinderpsychiater Michael Winterhoff. Im September 2021 hatte die Bonner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aufgenommen – und kommt jetzt zu dem Ergebnis des hinreichenden Tatverdachts. Wir erklären, was das bedeutet und was sich daraus für seine ehemaligen Patientinnen und Patienten ergibt.
Hinreichender Tatverdacht begründet Klage
Für den Bonner Kinderpsychiater Michael Winterhoff wird es zunehmend unbequemer. Die Staatsanwaltschaft hat nun Anklage gegen ihn erhoben – mit dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in 36 Fällen. Das Landgericht Bonn hat das Medienberichten zufolge bestätigt.
Für uns und einzelne ehemalige Patientinnen und Patienten ein Teilerfolg. Denn: Einige von ihnen setzen bei einem Vorgehen gegen Winterhoff und seine fragwürdigen Behandlungsmethoden auf unsere Unterstützung. Und so stellten auch wir Nachforschungen an, forderten Akteneinsichten, sprachen mit Betroffenen und Angehörigen.
Zahlreiche Strafanzeigen bewegten Staatsanwaltschaft zum Handeln
Falsche Diagnosen, nicht fachgerechte medikamentöse Behandlungen sowie Betrug bei der Abrechnung mit Krankenkassen – die Vorwürfe, denen sich der einst so renommierte Bonner Kinderpsychiater seit geraumer Zeit gegenüber sieht, wiegen schwer. Trieben bis dahin Auftritte in Talkshows, bei Fachvorträgen und eigene Veröffentlichungen seine Karriere maßgeblich mit voran, muss Michael Winterhoff sich und seine Behandlungsmethoden jetzt gegen die Anklage der Bonner Staatsanwaltschaft verteidigen.
Zahlreiche Strafanzeigen brachten die Justiz in der zweiten Jahreshälfte 2021 in Zugzwang. Was folgte, war die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, in dessen Zuge seine damalige Praxis sowie Jugendhilfeeinrichtungen, in denen er aktiv war, durchsucht wurden. Die darauffolgende Anklage legt nun nahe, dass die Ermittler fündig wurden.
Wenngleich uns die Ermittlungsakten noch nicht vorliegen – zu frisch ist die Nachricht über die Erhebung der Anklage – entnehmen wir dem Vorwurf der „gefährlichen Körperverletzung“, dass sich dieser auf seine vermeintlichen Diagnosen und damit einhergehende medikamentöse Behandlungen beziehen dürften.
Hinweis: Diagnosen und Medikamente
„Frühkindlicher Narzissmus“ und „Eltern-Kind-Symbiose“ zählten zu seinen häufigsten Diagnosen. Beide wurden wissenschaftlich jedoch weder belegt noch anerkannt. Zudem soll Winterhoff in vielen Fällen über einen längeren Zeitraum das Antipsychotikum Pipamperpon verabreicht haben – ein Notfallmedikament, das aufgrund schwerer Nebenwirkungen nicht für eine Langzeittherapie geeignet ist. Die Vergabe an Kinder und Jugendliche ist zudem sehr umstritten.
Winterhoff stellt sich Vorwürfen entgegen
Die Anwältin von Michael Winterhoff äußerte sich umgehend zur Anklage und kündigte an, dass er sich dagegen verteidigen würde. Die Anschuldigungen seien unbegründet. Es sei weder zu Körperverletzungen gekommen noch habe er sich anderweitig strafbar gemacht.
Die Rechtsanwältin hat im nächsten Schritt nun Gelegenheit, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. Das Landgericht entscheidet anschließend, ob es die Anklage zulässt und es eine Verhandlung zu den Vorwürfen gibt.
Anklage lässt ehemalige Patienten hoffen
Wenngleich mit der Anklage noch längst kein Urteil gefallen ist, sendet die Staatsanwaltschaft ein deutliches Signal: Ihres Erachtens liegen ausreichend Beweise vor, die die Vorwürfe der Körperverletzung gegen den Kinderpsychiater stützen – und nach ihrer Auffassung für eine Verurteilung reichen. Ehemalige Patientinnen und Patienten können also darauf hoffen, dass Michael Winterhoff für seine Taten zur Rechenschaft gezogen wird.
Und so stellt die Anklage einen weiteren Teilerfolg dar – nach der Schließung seiner Praxis im Dezember 2021.