Besteht ein Verdacht auf geschlechtsbezogene Diskriminierung am Arbeitsplatz, muss der Arbeitgeber beweisen, dass er seine Mitarbeiterin nicht benachteiligt hat. Das gilt auch dann, wenn Betroffene „nur“ einen einzigen Mann als Vergleich heranziehen, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuellen Urteil klarstellt. Mit ihrer Entscheidung vereinfachen die Erfurter Richter diskriminierten Frauen den Zugang zum Gericht.
Klage wegen ungleicher Bezahlung von Frauen bei Daimler
Trotz klarer gesetzlicher Vorgaben zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen lag der Gender Pay Gap – also die Lohnungleichheit zwischen den beiden Geschlechtern – 2024 bei knapp 6 %. Gleiche Bezahlung von Frauen ist in der Arbeitswelt also nach wie vor die Ausnahme. Dass betroffene Arbeitnehmerinnen ihren Arbeitgebern jedoch nicht schutzlos ausgeliefert sind und sich gerichtlich wehren können, zeigt ein aktueller Fall des BAG.
Dort klagte eine Angestellte der Daimler Trucks AG auf Angleichung Ihres Lohns an das Gehalt eines ihrer männlichen Kollegen. Trotz gleicher Position und Qualifikation erhielt der Mann nachweislich deutlich mehr als die Abteilungsleiterin. Nachdem die Klägerin davon erfahren hatte, verlangte sie die über die Jahre angestaute Lohndifferenz in Höhe von insgesamt 420.000 EUR.
Hinweis: Entgelttransparenzgesetz
Frauen haben nach dem Entgelttransparenzgesetz einen Auskunftsanspruch darüber, wie viel ihre männlichen Kollegen im Schnitt verdienen. Sinn und Zweck des Gesetzes ist es, gehaltsbezogene Diskriminierungen leichter zu erkennen und zu beweisen.
Gleiche Bezahlung von Frauen ausnahmsweise nicht notwendig?
Sowohl der Arbeitgeber der Frau als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg sahen in der unterschiedlichen Vergütung keine Diskriminierung – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen:
- Daimler erklärte im Prozess, dass die Klägerin als Abteilungsleiterin deutlich schlechter performe als ihre Kolleginnen und Kollegen und deshalb auch schlechter bezahlt werde.
- Das LAG hingegen sah schon keinen ausreichenden Verdacht für eine Diskriminierung, da sich die Klägerin in ihrem Vergleich nur auf eine einzige Person berufen habe.
Die infrage stehende Benachteiligung müsse jedoch hinreichend wahrscheinlich und strukturell belegbar sein, also auf Median- und Durchschnittswerte beruhen. Solange die Arbeitnehmerin also keine betriebsweiten Zahlen vorbringen könne, sei ihre Klage abzulehnen, so die Stuttgarter Richter.
Paarvergleich für Diskriminierung ausreichend
In der Berufung vor dem BAG siegte die Abteilungsleiterin schließlich. Das BAG hob das Urteil des LAG teilweise auf und verwies die Sache an das Stuttgarter Gericht zurück. Anders als die Vorinstanz behaupte, müsse die Wahrscheinlichkeit einer Diskriminierung nicht hinreichend sein: Solange eine Arbeitnehmerin beweisen könne, dass ein männlicher Kollege bei gleicher Beschäftigung mehr Gehalt bekomme, sei der Verdacht einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung gegeben. Wie groß die Vergleichsgruppe ist, sei egal.
Feststellungen zu einer möglichen Rechtfertigung der fehlenden Gleichberechtigung traf das BAG allerdings nicht. Aus diesem Grund wies es den Fall an das Stuttgarter LAG zurück. Daimler erhält so noch einmal die Chance, eine entsprechende Begründung nachzuliefern.
Trotzdem rückt die gleiche Bezahlung von Frauen durch das Urteil aus Erfurt ein Stück weiter in greifbare Nähe. Denn die Richter haben die Beweislast für Diskriminierungsklagen weiter zugunsten von Arbeitnehmerinnen verschoben. Davon profitiert nicht nur die Daimler-Beschäftigte, sondern alle Frauen, die ihre Ansprüche in Zukunft gerichtlich durchsetzen wollen.
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