Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem spektakulären Urteil das Widerrufsrecht von Verbraucher*innen stark ausgeweitet. Weil viele Darlehensgeber*innen ihre Kund*innen nur unzureichend über Vertragsinhalte und Rechtsbehelfe belehren, sei ein Widerruf auch lange nach Vertragsschluss noch möglich.

Streit um Belehrungsklauseln

Der EuGH verhandelte gleich drei Fälle, in denen Verbraucher*innen ihre Autokredite widerrufen wollten. Normalerweise ist dafür bis zu zwei Wochen nach Vertragsschluss Zeit. Die Kläger*innen haben ihre Verträge allerdings teilweise erst Jahre nach Vertragsschluss widerrufen. Ihrer Ansicht nach habe die zweiwöchige Widerrufsfrist überhaupt nicht begonnen, weil die Belehrungen in den einzelnen Verträgen nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt hätten.

Ob das tatsächlich der Fall war, musste zunächst das Landgericht (LG) Ravensburg entscheiden. Da auch unionsrechtliche Vorschriften bei der Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfragen eine wesentliche Rolle spielten, legte das LG die Fälle dem EuGH vor.

Hinweis: Vorlageverfahren an den EuGH
Mitgliedstaatliche Gerichte, die Zweifel über die Auslegung von Europarecht haben, haben die Möglichkeit dem EuGH nach Art. 267 AEUV ihren Fall vorzulegen. Der EuGH legt dann die für den Fall relevanten europarechtlichen Vorschriften aus und übergibt den Fall dann wieder an das Gericht, das diesen vorgelegt hat.

EuGH: Belehrungen sind fehlerhaft

Der Gerichtshof kam hier zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Verbraucherbelehrungen in den Verträgen ungenügend waren. Insbesondere folgende Punkte waren nicht oder nur unzureichend im Vertrag enthalten:

  • Der Verzugszinssatz muss genau angegeben werden. Falls dieser sich ändern kann, gilt das gleiche für seine Berechnungsformel.
  • Kreditgeber*innen müssen alle außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren, die den Verbraucher*innen zur Verfügung stehen, mit detaillierten Informationen über Ablauf, Formalien und Kosten im Vertrag nennen.

Hinzu kommt, dass sich Banken nicht auf eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts berufen können, auch wenn ein sehr langer Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Widerruf liegt. Denn den Verbraucher*innen müsse weiterhin die Möglichkeit eingeräumt werden, sich vom Vertrag zu lösen, wenn ihnen wichtige Informationen fehlen.

Widerruf von Kreditverträgen jetzt einfacher

Darlehensnehmer*innen haben jetzt allen Grund zur Freude. Weil so gut wie kein einziger Darlehensvertrag die oben genannten Anforderungen erfüllt, können sie sich relativ einfach von ihren bisherigen Verträgen lösen. Dadurch können neue Verträge zu besseren Konditionen abgeschlossen oder Geld anderweitig investiert werden. Verbraucher*innen sollten jedoch beachten, dass Immobilien vom Urteil ausgenommen sind. Ob tatsächlich eine große Widerrufswelle kommt, bleibt abzuwarten.

Quellen: