Wer seine Überstunden vergütet haben will, muss diese im Zweifel auch beweisen können. Europäische Vorgaben zur Erfassung von Arbeitszeiten ändern daran nichts, entschied kürzlich das Bundesarbeitsgericht (BAG). Ein Motivator, künftig pünktlich Feierabend zu machen?

Beweislast für Überstunden liegt bei Beschäftigten

Überstunden und deren Vergütung sorgen immer wieder für Streit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmern. Aus diesem Grund hat das Bundesarbeitsgericht in steter Rechtsprechung zwei Kriterien herausgearbeitet, die erfüllt sein müssen, damit Beschäftigte ihre zusätzliche Arbeitszeit bezahlt bekommen:

  • Erstens müssen Beschäftigte beweisen, dass sie überhaupt länger gearbeitet haben als im Arbeitsvertrag vorgesehen.
  • Zweitens müssen dem Arbeitgeber die Überstunden auch zuzurechnen sein. Er muss sie also entweder anordnen oder dulden.

Die Beweislast hierfür liegt dabei bei dem bzw. der Angestellten.

Arbeitnehmer fordert Lohn für Überstunden ein

Lange Zeit waren diese Voraussetzungen unumstritten – doch dann bekam das Arbeitsgericht (ArbG) Emden den Fall eines Auslieferungsfahrers auf den Tisch. Der Mann war bis Juni 2019 bei einem Einzelhandelsunternehmen beschäftigt gewesen. Über die Jahre hinweg häuften sich immer mehr Überstunden beim Arbeitnehmer an, sodass sich zum Zeitpunkt der Kündigung noch 348 nicht vergütete Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto befanden.

Die beklagte Arbeitgeberin wollte jedoch nur einen Teil der Überstunden entlohnen. Zum einen sei fraglich, ob der Kläger seine Arbeitszeit überhaupt wahrheitsgetreu aufgezeichnet habe. Zum anderen habe man nie Überstunden angeordnet. Sie seien gar nicht notwendig gewesen.

Beweislastumkehr dank EuGH-Urteil?

Das ArbG entschied zugunsten des Klägers und nahm dabei Bezug auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 14. Mai 2019. Darin verpflichtete der Gerichtshof die Mitgliedstaaten dazu, Systeme zur Erfassung von Arbeitszeiten einzuführen.

Die Arbeitsrichter:innen aus Emden sahen darin gleichzeitig auch eine Beweislastumkehr für Überstunden: Der Arbeitnehmer müsse seine Überstunden nicht nachweisen, wenn der Arbeitgeber diese anhand einer gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiterfassung genauso gut selber hätte zur Kenntnis nehmen können.

Hinweis: Deutschland muss europäische Vorgaben noch umsetzen
Bislang hat der Bundestag noch kein Gesetz verabschiedet, in dem Arbeitgeber:innen dazu verpflichtet werden, Arbeitszeiten zu erfassen.

BAG: Urteil ändert nichts an der Beweislast für Überstunden

Landesarbeitsgericht und BAG sahen das allerdings anders. Sie hoben das erstinstanzliche Urteil auf und wiesen die Klage des Fahrers ab. Die Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom Mai 2019 bezogen sich allein auf den Gesundheitsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – nicht jedoch auf die Vergütung von Überstunden. Hier bleiben die deutschen Regelungen zur sogenannten Darlegungs-Beweislast bestehen.

Da der Arbeitnehmer nicht hinreichend nachweisen konnte, dass die Überstunden seinem Arbeitgeber und nicht ihm zuzurechnen sind, ging er letztendlich leer aus.

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