Sexuelle Belästigung

Für sexuelle Belästigung gibt es eine gesetzliche Definition. Diese findet sich in § 3 Absatz 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Eine sexuelle Belästigung liegt demnach vor, wenn:

[…] unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. […]

Aus dieser Definition lassen sich daher drei Tatbestandsmerkmale entnehmen:

  1. Die Handlung, die vorgenommen wird, ist von Ihnen unerwünscht. Sie fühlen sich durch diese belästigt.
  2. Nicht nur Berührungen stellen eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz dar. Auch Bemerkungen oder Konfrontationen mit sexuellen Gesten oder Inhalten fallen unter sexuelle Belästigung, wenn Sie sich durch diese unangenehm berührt fühlen.
  3. Sollten Sie eingeschüchtert, angefeindet, erniedrigt, beleidigt oder entwürdigt werden, dann verstärkt dass den Grad der Belästigung. Es ist jedoch nicht notwendig, dass diese Umstände vorliegen, damit es sich um eine sexuelle Belästigung handelt.

Welche Formen der sexuellen Belästigung gibt es?

Die sexuelle Belästigung kann in drei Kategorien eingeteilt werden, die verbale, die non-verbale und die physische sexuelle Belästigung.

  • Verbale sexuelle Belästigung: Wie das Wort bereits sagt, erfolgt die sexuelle Belästigung hier durch Kommunikation. Hierzu können sexuelle zweideutige Kommentare, sexuelle Witze, Fragen zum Privatleben, Kommentare zu Ihrem Aussehen aber auch Aufforderung zu sexuellen Handlungen gehören.
  • Non-verbale sexuelle Belästigung: Hier findet die sexuelle Belästigung aufgrund des Verhaltens statt. Beispiele hierfür wären, anzügliches Starren, das unerwünschte übersenden von Bildern mit sexuellem Inhalt, Annäherungsversuche in sozialen Netzwerken, die Sie als unangenehm empfinden, aber auch das unsittliche Entblößen.
  • Physische sexuelle Belästigung: Hierzu zählen unerwünschte Berührungen wie das Streicheln, Umarmen, Küssen aber auch das Nichtbeachten der körperlichen Distanz. Letztlich gehört zur sexuellen Belästigung auch jede körperliche Gewalt und sexuelle Übergriffe wie eine Vergewaltigung.

Gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen?

Nicht jeder hat das gleiche Verständnis von sexueller Belästigung. Für einige ist das Streicheln der Schulter nur eine nette Geste, andere wiederum fühlen sich hierdurch bereits belästigt und unwohl. Zudem gibt es auch Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Anhand der nachfolgenden Beispiele können Sie erkennen, dass einige Handlungen gar nicht als sexuelle Belästigung eingestuft werden und das im Hinblick auf das Verständnis, Unterschiede zwischen Männern und Frauen bestehen.

Wer begeht die sexuelle Belästigung?

Statistisch gesehen werden mehr Frauen als Männer sexuell belästigt. Zudem geht die sexuelle Belästigung von Frauen meisten auch von Männern aus. Doch dies schließt Frauen nicht gleich als Täter aus. Es kann durchaus vorkommen, dass auch Frauen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz begehen. Dies kann entweder alleine, aber auch durch eine Gruppe geschehen.

Das Vorgehen gegen sexuelle Belästigung

Sollten Sie Opfer einer sexuellen Belästigung geworden sein, dann sollten Sie nicht schweigen. Selbstverständlich kann es einem schwerfallen, über den Vorfall zu sprechen, jedoch sollten Sie sich vor Augen führen, dass das Schweigen nur dem Täter hilft. Folgendes Verhalten ist daher bei einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz ratsam:

  • Zur Wehr setzen: Zeigen Sie dem Täter, dass Sie mit dem Verhalten nicht einverstanden sind und dies als Belästigung sehen.
  • Beschwerdestelle: Da der Arbeitgeber verpflichtet ist, eine Beschwerdestelle einzurichten, die sich um solche Vorfälle kümmert, sollten Sie diese auch in jedem Fall über den Vorfall in Kenntnis setzen.
  • Beweise: Dokumentieren Sie die sexuelle Belästigung. Speichern Sie daher beispielsweise E-Mails oder machen Screenshots von Gesprächsverläufen.
  • Verschwenden Sie keine Zeit: Sie sollten den Vorfall in jedem Fall unverzüglich der Beschwerdestelle melden, denn nur so kann eine zukünftige sexuelle Belästigung verhindert werden. Zudem sollten Sie in Betracht ziehen, auch einen Strafantrag zu stellen.

Wie gehen Sie vor, wenn Ihr Arbeitgeber Sie sexuell belästigt?

Auch eine sexuelle Belästigung durch Ihren Arbeitgeber selbst, sollten Sie nicht einfach so hinnehmen aus Angst, ggf. Ihren Job zu verlieren. Werden Sie von Ihrem Arbeitgeber sexuell belästigt, steht Ihnen sogar ein Leistungsverweigerungsrecht zu.

Dies bedeutet, dass Sie einen Anspruch auf Lohnzahlung haben, ohne dass Sie bei der Arbeit erscheinen müssen. Da das Arbeitsverhältnis in der Regel so nicht mehr fortgeführt werden kann, wird Ihnen der Arbeitgeber ggf. anbieten, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Entschädigung zu beenden.

Hinweis: Leistungsverweigerungsrecht bei Untätigkeit

Sie haben zudem ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn der Arbeitgeber Sie nicht vor einer sexuellen Belästigung schützen kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn dieser Kenntnis von der sexuellen Belästigung hat, aber nichts dagegen unternimmt.

Die Pflichten des Arbeitgebers im Hinblick auf die sexuelle Belästigung

Der Arbeitgeber sollte und darf sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz nicht einfach hinnehmen. Gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz hat der Arbeitgeber eine Schutzpflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern. Doch welche Vorkehrungen und eventuelle Sanktionen muss der Arbeitgeber zusätzlich treffen?

Was besagt die Schutzpflicht des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes?

Die Schutzpflicht des Arbeitgebers im Hinblick auf die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist in § 12 des AGG geregelt. Dieser Paragraph schreibt vor, dass der Arbeitgeber sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz verhindern muss. Dies kann bereits im Vorfeld passieren, durch entsprechende Präventionsmaßnahmen. Sollte es bereits zu einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz gekommen sein, muss der Arbeitgeber dies durch entsprechende Maßnahmen für die Zukunft verhindern.

Muss der Arbeitgeber eine Beschwerdestelle einrichten?

Eine weitere Pflicht des Arbeitgebers gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ist es, dass dieser eine Beschwerdestelle innerhalb des Unternehmens errichtet. Der Arbeitgeber kann in diesem Zusammenhang entweder eine Person als Beschwerdestelle benennen oder aber eine eigene Stelle errichten. Wichtig ist zudem, dass allen Beschäftigten des Unternehmens diese Beschwerdestelle bekannt gemacht wird, dies kann auch durch eine E-Mail geschehen.

Diese Beschwerdestelle übernimmt dann die Prüfung einer eingegangen Beschwerde. Sie ist zudem auch verpflichtet, jeder Beschwerde nachzugehen und den Arbeitgeber auch über jede Beschwerde in Kenntnis zu setzen.

Hinweis: Maßregelverbot

Gemäß dem Maßregelungsverbot nach § 16 AGG dürfen Sie als Arbeitnehmer keine Nachteile erfahren, wenn Sie eine Beschwerde eingereicht haben. Hierbei ist es auch unerheblich, ob diese Beschwerde begründet oder unbegründet ist.

Wie sieht der Ablauf nach einer Beschwerde aus?

Ihr Arbeitgeber darf eine Beschwerde sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz Ihrerseits nicht einfach unbeachtet lassen. Es wird daher zu einem Gespräch kommen, wo sich der Arbeitgeber oder die Beschwerdestelle mit Ihrem Anliegen befasst und den Vorfall genau aufnimmt. Danach muss Ihrer Beschwerde nachgegangen werden, und zwar mit allen Mitteln. Hierzu kann das Befragen von anderen Arbeitnehmer aber auch des “Beschuldigten” gehören.

Wurden alle Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt, muss ein Ergebnis erfolgen. Wenn Ihre Beschwerde zurückgewiesen wird, dann muss dies auch ausreichend begründet werden. Zudem sollte Ihnen das Ergebnis so schnell wie möglich mitgeteilt werden.

Welche Maßnahmen kann und muss der Arbeitgeber treffen?

Der § 12 Absatz 3 AGG schreibt vor, welche Maßnahmen der Arbeitgeber zu treffen hat. Das können sein:

  • Prävention
  • Ermahnung
  • Abmahnung
  • Umsetzung
  • Versetzung
  • Kündigung

Welche Maßnahme getroffen wird, muss im konkreten Einzelfall entschieden werden. Hierbei spielt in der Regel die Schwere des Vorwurfs der sexuellen Belästigung eine Rolle, aber auch, ob der Vorwurf der sexuellen Belästigung beweisbar ist. Es ist also eine Ermessensentscheidung des Arbeitgebers, welche Maßnahme er für sinnvoll erachtet.

Hinweis: Reduzierung des Ermessensspielraums

Handelt es sich um einen besonders schweren Fall der sexuellen Belästigung, dann reduziert sich dieses Ermessen. Wurden Sie beispielsweise von einem Kollegen vergewaltigt, dann haben Sie als Arbeitnehmer ggf. einen Anspruch darauf, dass dieser Kollege entlassen wird.

Wann wird welche Maßnahme getroffen?

Welche Maßnahme wann vom Arbeitgeber getroffen wird, hängt vom Einzelfall der sexuellen Belästigung ab. Es gibt aber Anhaltspunkte dafür, für welche Maßnahme sich der Arbeitgeber konkret entscheiden wird:

  • Prävention:

Bei der Prävention ist es in der Regel noch zu keiner konkreten sexuellen Belästigung gekommen. Der Arbeitgeber versucht jedoch hier, im Hinblick auf die sexuelle Belästigung Aufklärungsarbeit zu leisten. Hierzu zählt beispielsweise, wenn der Arbeitgeber Sie daran erinnert, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz unerwünscht ist.

  • Ermahnung:

Eine Ermahnung ist quasi eine Vorstufe der Abmahnung. Sie stellt mit das mildeste Mittel dar, um gegen eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vorzugehen. Hier soll dem Arbeitnehmer deutlich gemacht werden, dass sein Verhalten unerwünscht bzw. unangemessen war und dass solche Verhaltensweisen nicht wieder vorkommen sollen. Eine Ermahnung kommt z. B. in Betracht, wenn jemand einen sexuell anzüglichen Witz oder Komplimente macht. Sollte dies zum ersten Mal geschehen sein, kann eine Ermahnung bereits ausreichen, um solch ein Verhalten zu unterbinden.

  • Abmahnung:

Eine Abmahnung berechtigt zur Kündigung, wenn das abgemahnte Verhalten erneut auftrifft. Sie stellt das mildeste Mittel dar, wenn eine sexuelle Belästigung von gewisser Schwere nachweislich stattgefunden hat. Sie ist insbesondere dann angemessen, wenn der Arbeitnehmer nicht damit rechnen musste, dass sein Verhalten zu einer Kündigung führen kann. Dies wäre der Fall, wenn Ihr Arbeitgeber nicht hinreichend Präventionsmaßnahmen getroffen hat. Bei körperlichen Übergriffen wird eine Abmahnung jedoch nicht mehr ausreichend sein.

  • Versetzung:

Die Versetzung stellt quasi den Mittelweg zwischen Abmahnung und Kündigung dar. Eine Abmahnung erscheint in Anbetracht der Umstände als zu milde, eine Kündigung jedoch als ein zu hartes Mittel. Um weitere sexuelle Belästigungen zu vermeiden, wird der entsprechende Arbeitnehmer daher an einen anderen Ort oder Abteilung versetzt.

  • Kündigung:

Eine Kündigung kommt bei besonders schweren Fällen der sexuellen Belästigung in Betracht. Ein schwerer Fall liegt z. B. bei körperlichen Übergriffen vor. Ferner kommt die Kündigung in Betracht, wenn es sich um eine wiederholte sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz handelt und die vorher getroffenen Maßnahmen somit keine Wirkung gezeigt haben. Hat Ihr Arbeitgeber entsprechende Präventionsarbeit geleistet, dann kann eine Kündigung auch bei mittelschweren Vorfällen in Betracht kommen, da der Arbeitnehmer Kenntnis davon hatte, dass solch ein Verhalten unerwünscht ist.

Die strafrechtlichen Folgen der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz

Mit welchen strafrechtlichen Konsequenzen bei einer sexuellen Belästigung gerechnet werden muss, hängt davon ab, in welcher Form die sexuelle Belästigung stattgefunden hat.

Wer eine andere Person in sexueller Weise körperlich berührt oder belästigt verwirklicht den Tatbestand des § 184i StGB und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe rechnen.

Im Hinblick auf die sexuelle Belästigung kann strafrechtlich auch relevant sein, gegen wen die sexuelle Belästigung ausgeübt wurde. Wer z. B. pornographische Schriften an unter Achtzehnjährige verbreitet, verwirklicht den Tatbestand des § 184 Absatz 1 Nr. 1 StGB.

Bleibt es nicht nur bei leichten Berührungen oder verbalen Belästigungen, sondern werden sexuelle Handlungen gegen den erkennbaren Willen der anderen Person vorgenommen dann verwirklicht man den Straftatbestand des § 177 Absatz 1 StGB. Gleiches gilt, wenn Personen sexuelle Handlung an sich vornehmen lassen oder Personen zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt werden. Hier muss mit einer Freiheitsstrafe von sechs bis zu fünf Jahren gerechnet werden.

Die Vergewaltigung ist in § 177 Absatz 6 StGB geregelt. Hier muss der Täter mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren rechnen.

Wird die sexuelle Belästigung immer strafrechtlich verfolgt?

Gemäß § 184i StGB wird die sexuelle Belästigung nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, die Strafverfolgungsbehörde hat ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, sodass ein Einschreiten von Amts wegen geboten ist.

Das bedeutet für Sie als Opfer einer sexuellen Belästigung, dass Sie entweder selbst bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige stellen oder einen Rechtsanwalt mit der Angelegenheit beauftragen. Dieser wird dann in Ihrem Namen einen Strafantrag stellen.

Hinweis: Antragsfrist

Der § 77b StGB sieht eine Antragsfrist vor. Demnach müssen Sie den Strafantrag so schnell wie möglich stellen. Eine Tat, die nur auf Antrag verfolgbar ist, wird nämlich nicht verfolgt, wenn der Antragsberechtigte es unterlässt, den Antrag bis zum Ablauf einer Frist von drei Monaten zu stellen.