Netflix' Preispolitik sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Kritik. Nun bestätigt das Landgericht (LG) Köln, dass zumindest die einseitigen Preiserhöhungen des Streamingriesen gegen geltendes Recht verstoßen und sprach einem Kunden knapp 200 EUR zu. Ob auch andere Abonnent:innen ihr Geld zurückbekommen, bleibt aber weiterhin unklar.
Netflix-Kunde geht gegen Preiserhöhung vor
Seit dem Markteintritt von Netflix im Jahr 2014 hat der Streaming-Anbieter seine Mitgliedsbeiträge immer wieder erhöht – zuletzt im April 2024. So stieg beispielsweise der Preis des Standard-Abonnements in den letzten neun Jahren von ehemals 8,99 EUR pro Monat auf 13,99 EUR.
Nicht alle Kundinnen und Kunden waren mit dieser Entwicklung einverstanden. Viele von ihnen straften Netflix mit der Beendigung ihrer Mitgliedschaft ab. Ein Mann aus Köln ging sogar noch einen Schritt weiter: Er reichte Klage gegen die Preiserhöhung ein und gewann nun in zweiter Instanz vor dem Kölner LG.
Laut Netflix war Preiserhöhung im Einvernehmen
Vor Gericht verteidigte Netflix seine Preiserhöhung. Unwirksam könne sie schon deswegen nicht sein, weil das Unternehmen den Kläger rechtzeitig über die Anpassung informiert und er der Erhöhung auch zugestimmt habe:
Vor jedem einzelnen Preisanstieg wurde dem Mann ein Informations- und Anzeigefenster auf seinem Endgerät angezeigt, das ihm die geplanten Vertragsänderungen mitteilte. Durch einen Klick auf den „Preiserhöhung zustimmen“- Button habe er diese rechtswirksam angenommen.
Zudem sei in den Nutzungsbedingungen die Möglichkeit einer Preisanpassung durch Netflix vorgesehen. Die diesbezügliche Klausel unter Punkt 3.5 lautete wie folgt: „Wir sind berechtigt, den Preis unserer Abo-Angebote von Zeit zu Zeit in unserem billigen Ermessen zu ändern, um die Auswirkungen von Änderungen der mit unserem Dienst verbundenen Gesamtkosten widerzuspiegeln.[…]“ Da der Kunde dieser Klausel sowie den restlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) im Vorfeld zugestimmt habe, sei die Preiserhöhung auch rechtlich wirksam, so das Unternehmen.
Hinweis: AGB
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind vorgefertigte Vertragsregeln, die geltendes Recht ergänzen oder ersetzen. Sie sind nur dann wirksam, wenn beide Vertragsparteien ihnen zustimmen. Im Verbraucherrecht sowie bestimmten Rechtsgebieten ist die Anwendung von AGB mitunter eingeschränkt.
Zustimmung zur Preiserhöhung war nicht freiwillig
Somit stand das LG vor zwei wichtigen Fragen, die für die Recht- bzw. Unrechtmäßigkeit der neuen Beiträge entscheidend waren:
- Gab es eine einvernehmliche Vertragsanpassung zwischen den Parteien, die eine Erhöhung des Mitgliedsbeitrages beinhaltete?
- Falls nein: Kann Netflix aufgrund der AGB den Preis einseitig gestalten?
Beide Fragen beantwortete das Gericht mit einem klaren Nein.
Entgegen der Behauptung von Netflix stelle ein Klick auf die mit „Preiserhöhung zustimmen“ beschriftete Schaltfläche kein Einvernehmen dar. Das setze immer einen freien Willen beider Vertragsparteien voraus, der hier auf Kundenseite aber nicht vorhanden gewesen sei – im Gegenteil.
Da die Anzeigeseite nur aus der Information über die Preiserhöhung und der oben genannten Schaltfläche bestand, habe sie dem Kläger gegenüber den Eindruck erweckt, dass die Preiserhöhung bereits final sei und er nur zwischen Beendigung oder Fortsetzung der Mitgliedschaft wählen könne. Für eine wirksame Vertragsanpassung hätte der Nutzer sich seiner Widerspruchsmöglichkeiten bewusst sein müssen.
AGB von Netflix zur einseitigen Preiserhöhung unwirksam
Auch der eigenmächtigen Vertragsanpassung durch die AGB-Klausel schob das Gericht einen Riegel vor. Der Versuch von Netflix, sich im Kleingedruckten das Recht auf einseitige Preiserhöhung zu sichern, benachteilige den Verbraucher unangemessen und sei daher unwirksam. Die AGB sähen nur Preissteigerungen vor, wenn die Produktionskosten steigen, enthalten aber kein Wort zu möglichen Preissenkungen. Eine so einseitig wirkende Vertragsklausel sei schlicht und ergreifend unfair, so das Gericht.
Da somit weder eine Vertragsanpassung noch eine wirksame Änderungsklausel vorlag, durfte Netflix die Mitgliedsbeiträge nicht erhöhen, entschieden die Richter:innen. Jetzt muss das Unternehmen den unrechtmäßig erhaltenen Teil an den Kläger zurückzahlen.
Achtung: Netflix muss nur den zu viel gezahlten Beitrag erstatten!
Der Rückzahlungsanspruch des Netflix-Kunden beinhaltet ausschließlich den Betrag, den das Unternehmen durch seine rechtswidrige Preiserhöhung „als Bonus“ erwirtschaftet hat. Die volle Beitragshöhe durfte der Mann dagegen nicht zurückverlangen!
Wirkung des Urteils umstritten
Inwieweit sich auch andere Kundinnen und Kunden des Streaming-Anbieters auf das Urteil des LG Köln berufen können, ist nicht ganz klar. Das Hauptproblem ist die Verjährung: Die meisten zivilrechtlichen Ansprüche verjähren bereits nach drei Jahren. Sie haben aktuell also nur die Möglichkeit, unrechtmäßige Beitragserhöhungen ab 2022 zurückzufordern.
Hinzu kommt, dass Netflix bei der Preisanpassung im vergangenen Jahr eine neue Formulierung benutzt hat. Es bleibt daher fraglich, ob sich die Argumentation der Kölner Richter:innen auch in diesen Fällen bewährt. Dennoch entfaltet das Urteil gegen einen so mächtigen Medienkonzern wie Netflix eine nicht zu unterschätzende Signalwirkung für den Verbraucherschutz.
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