Arbeitnehmer müssen im Krankheitsfall mithilfe einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) nachweisen, dass sie wirklich krank sind. Beweiskräftig ist eine AU allerdings nur dann, wenn der behandelnde Arzt auch tatsächlich Kontakt zu seinem Patienten hatte. Das geht aus einem neuen Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm hervor. Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer lediglich online einen Fragebogen ausgefüllt und daraufhin den „gelben Schein“ ohne weitere Untersuchung erhalten. Wir verraten Ihnen, worauf Sie bei einer Online-Krankschreibung achten müssen.
Arbeitnehmer lässt sich ohne Untersuchung krankschreiben
Immer mehr Arztpraxen bieten Online-Sprechstunden an. Und obwohl der digitale „Besuch“ beim Arzt einige Vorteile für Patienten und Mediziner gleichermaßen bietet, müssen gerade Arbeitnehmer hier vorsichtig sein. Denn ein neuer Fall des LAG Hamm zeigt, dass nicht jede online ausgestellte AU automatisch gültig ist.
Im Zentrum des Rechtsstreits stand ein IT-Consultant, der sich im August 2024 krankmeldete und dafür über eine Webseite ein ärztliches Attest erwarb. Der Mitarbeiter wählte dort die Option einer Krankschreibung, bei der ausdrücklich kein ärztliches Gespräch stattfand. Stattdessen füllte der Mann nur einen Symptom-Fragebogen aus und erhielt im Anschluss eine Diagnose sowie einen Krankenschein, den er bei seinem Arbeitgeber einreichte.
Da im elektronischen Meldesystem der Krankenkasse keine entsprechende AU hinterlegt war, wurde der Arbeitgeber schnell misstrauisch. Nachdem sich der Verdacht erhärtet hatte, dass überhaupt keine Untersuchung durch einen Arzt stattgefunden hatte, sprach das Unternehmen die außerordentliche, fristlose Kündigung aus. Der Consultant reichte daraufhin eine Kündigungsschutzklage ein.
Achtung: Elektronische AU seit 2023 verpflichtend!
Seit dem 1. Januar 2023 ist das Meldeverfahren zur elektronischen AU verpflichtend. Das bedeutet, dass Arbeitgeber mittlerweile selber die Übersendung einer digitalen Krankschreibung bei der Krankenkasse anfragen müssen. Arbeitnehmer hingegen müssen keinen „gelben Schein“ mehr vorlegen.
Online Krankschreibung ohne Untersuchung rechtfertigt Kündigung
Das LAG Hamm bestätigte die Entlassung des Klägers. Aus Sicht der Richter habe der Arbeitnehmer durch das Einreichen des „falschen“ Attests seinen Arbeitgeber darüber getäuscht, dass seine Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wurde. Diese Lüge sei geeignet, das Vertrauensverhältnis zwischen den beiden zu zerstören.
Zudem betonte das Gericht, dass die Nichteinhaltung medizinischer Standards – eine Krankschreibung darf in Deutschland grundsätzlich nur nach einer ärztlichen Untersuchung oder einer entsprechenden Konsultation ausgestellt werden – den Beweiswert des Attestes erschüttere. Der IT-Consultant hätte also weitere Nachweise für seine Erkrankung vorlegen müssen. Da das nicht passiert sei, wertete das LAG sein Fernbleiben von der Arbeit als unentschuldigt.
Achtung: Keine vorherige Abmahnung nötig!
Eine Abmahnung hielt das LAG Hamm für entbehrlich. Die arglistige Täuschung über die Arbeitsunfähigkeit wiege so schwer, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber schon nach diesem einen Fehltritt unwiederbringlich zerstört sei.
Krankschreibung online braucht einen Arzt, der untersucht
Das Urteil unterstreicht, wie wichtig die Einhaltung medizinischer Standards für die Beweiskraft einer AU ist. Fehlt die Konsultation durch einen zugelassenen Mediziner, ist der Krankenschein vor Gericht wertlos. Halten Sie sich daher von dubiosen Online-Diensten fern, die eine AU ohne ärztliches Gespräch anbieten und lassen Sie sich bei jeder Krankschreibung von einem Arzt untersuchen – ob in Person oder digital. So vermeiden Sie nicht nur Probleme mit Ihrem Arbeitgeber, sondern auch eine fristlose Kündigung.
Quelle: