2015 wurde bekannt, dass VW die Abgaswerte seiner Fahrzeuge im großen Stil manipulierte. Schnell entwickelte sich der vermeintliche Einzelfall zu einem handfesten Skandal, der bald die gesamte Automobilbranche durchzog. Mehr als zehn Jahre später bestätigt jetzt ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Schleswig-Holstein, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die betroffenen Autos niemals hätte zulassen dürfen. Millionen von Fahrzeugen droht nun die Stilllegung.

DUH fordert im Dieselskandal die Stilllegung manipulierter Autos

Die juristische Aufarbeitung des Abgasskandals beschäftigt die Gerichte in Deutschland auch weiterhin. Jetzt hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in einem Musterverfahren vor dem OVG Schleswig-Holstein einen weiteren, wichtigen Sieg für Verbraucher:innen errungen: Das Gericht erklärte die Zulassungen der betroffenen Dieselfahrzeuge durch das KBA für rechtswidrig.

Damit kassiert die Bundesbehörde ihre mittlerweile zweite Niederlage in einem Dieselprozess. Schon das Verwaltungsgericht Schleswig urteilte in erster Instanz, dass die Freigabebescheide für die manipulierten Kraftfahrzeuge so nie hätten erteilt werden dürfen.

Hinweis: BGH-Urteile beschäftigen sich mit anderen Rechtsfragen
Dass es noch neue Entwicklungen im Dieselskandal trotz mehrerer Urteile des Bundesgerichtshofes (BGH) zu dem Thema gibt, hat einen einfachen Grund: Der BGH entschied immer „nur“ über die zivilrechtlichen Entschädigungsansprüche von Verbraucher:innen. Vor dem OVG ging es dagegen um die verwaltungsrechtliche Zulassung der Fahrzeuge und das Behördenversagen des KBA.

Thermofenster sind unzulässige Abschalteinrichtungen

Für die Urteilsfindung des OVG spielten insbesondere Thermofenster eine entscheidende Rolle. Das sind spezielle Mechanismen im Motor, die ab einer bestimmten Umgebungstemperatur die Abgasrückführung abschalten und dadurch für einen höheren Emissionsausstoß sorgen. Solche Vorrichtungen sind nicht per se verboten. Ihr Einsatz kann aus Gründen des Motorschutzes ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn:

  1. plötzliche Schäden am Motor auftreten,
  2. es keine anderen technischen Lösungen für das Problem gibt und
  3. das Abschalten der Abgasrückführung nicht häufiger auftritt als eine funktionierende Emissionsreduktion.

Ausgehend von diesen drei Kriterien handele es sich bei den von VW und Co. genutzten Thermofenstern um unzulässige Abschalteinrichtungen, wie sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch jetzt das OVG klarstellten. Denn die angebliche „Motorschutzfunktion“ sei so konzipiert, dass sie zumindest in Europa quasi durchgängig aktiv sei.

Basierend auf diesen Erkenntnissen erklärte das OVG neben den Thermofenstern auch die Typgenehmigung für rechtswidrig. Für die Richter:innen ist klar, dass das KBA die Schummeldiesel wegen der zu hohen Abgaswerte niemals für deutsche Straßen hätte zulassen dürfen.

Nach Urteil im Dieselskandal: Kommt die Stilllegung?

Das KBA muss jetzt in Zusammenarbeit mit VW „alle geeigneten Abhilfemaßnahmen“ ergreifen, um die betroffenen Fahrzeuge gesetzeskonform zu machen. Welche das sind, bleibt der Behörde dabei zwar grundsätzlich freigestellt. Eine Nachrüstung gestaltet sich mangels serienmäßiger Hardware jedoch als sehr schwierig. Deutlich wahrscheinlicher ist daher eine Stilllegung der Betrugsdiesel.

Betroffen sind zunächst nur Modelle des Typs VW Golf Plus TDI (2,0 Liter, Motortyp EA 189 Euro 5). Nach Angaben der DUH sind aber insgesamt 118 weitere Zulassungsverfahren beim OVG anhängig. Dadurch hat der Ausgang des Musterverfahrens große Bedeutung für die knapp 7,8 Millionen Fahrzeuge mit Betrugssoftware, die derzeit noch auf deutschen Straßen unterwegs sind. VW hat inzwischen angekündigt, Rechtsmittel vor dem Bundesverwaltungsgericht einlegen zu wollen.

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