Obwohl Leiharbeitnehmer:innen auf dem Papier mit Stammmitarbeiter:innen gleichgestellt sind, sieht das in der Realität oft anders aus. Gerade in Sachen Vergütung müssen die “Betriebsfremden” Abstriche machen. Unter bestimmten Bedingungen ist das auch ok, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem neuen Urteil klar stellt.

Tarifvertrag sieht weniger Vergütung für Leiharbeitnehmerin vor

Geklagt hatte eine Leiharbeitnehmerin, die von Januar bis April 2017 als Kommissioniererin in einem Einzelhandelsunternehmen gearbeitet hat. Sie verdiente 9,23 EUR brutto die Stunde, während ihre beim Entleiherunternehmen fest angestellten Kolleginnen und Kollegen einen Stundenlohn von 13, 64 EUR brutto erhielten.

Gegen die Lohndifferenz von über vier Euro zog sie vor die Arbeitsgerichte. In der Leiharbeit gelte der Grundsatz des “equal pay”, demzufolge Leiharbeitskräfte denselben Stundenlohn erhalten müssen wie die Arbeitnehmer:innen, die beim Entleiher eingestellt sind.

Ihr Arbeitgeber wiederum berief sich auf den Tarifvertrag zwischen ihm und der Arbeitnehmerin. Die darin enthaltene Vereinbarung über eine Vergütung von 9, 23 EUR pro Stunde sei rechtlich verbindlich.

EuGH: Ausgleich kann Ungleichbehandlung rechtfertigen

Weil auch europäisches Recht im Fall eine Rolle spielt, wandte sich das BAG an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Luxemburger Richter:innen sollten die Frage klären, ob unionsrechtliche Vorschriften eine solche Ungleichbehandlung verbieten oder nicht.

Laut Gerichtshof kann eine unterschiedliche Vergütung von Leiharbeitnehmer:innen gerechtfertigt sein, wenn:

  • diese Ungleichheit an anderen Stellen im Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeglichen wird
    und
  • der Vertrag als Ganzes den europäischen Mindestschutzstandard für Leiharbeitnehmer:innen einhält.

Achtung: Ungleichbehandlung muss zeitlich befristet sein!
Zwar darf der Tarifvertrag auch in Sachen Vergütung vom Gleichbehandlungsgrundsatz abweichen. Das ist nach §8 Absatz 4 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes aber nur in den ersten neun Monaten der Entleihung möglich.

BAG: Tarifvereinbarung insgesamt ist fair

Das BAG schaute sich den gesamten Tarifvertrag also noch einmal genau an und fand tatsächlich eine Ausgleichsklausel, in der sich beide Parteien darauf geeinigt haben, dass die Klägerin auch in verleihfreien Zeiten einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat.

Zusammen mit anderen nationalen Schutzvorschriften wie die zeitliche Befristung von geringeren Lohnzahlungen ergäbe sich daraus ein Schutzniveau der Klägerin, das den Anforderungen des Europarechts genügt. Somit habe die Leiharbeitnehmerin keinen Anspruch auf Zahlung der Lohndifferenz.

Quelle: