Ausländischen Bußgeldbescheid nicht ignorieren
Mit einem Bußgeldbescheid aus dem Ausland konfrontiert, fragen sich viele Autofahrer, ob sie diesen überhaupt beachten müssen. In der Vergangenheit gelang es tatsächlich vielen Autofahrern, sich solchen Bußgeldforderungen aus dem Ausland zu entziehen. Seit 2013 ist das aber zumindest innerhalb der Europäischen Union nicht mehr so einfach.
Die EU-Länder haben damals beschlossen, dass sie untereinander auf Fahrzeug- und Halterdaten zugreifen sowie Bußgeldbescheide auch im Nachbarland vollstreckt werden können.
Hinweis: Bußgeldbescheide aus dem Ausland nicht ignorieren
Für Sie als Autofahrer heißt das, dass Sie Bußgeldbescheide aus dem Ausland nicht ignorieren sollten. Ob Ihre im Ausland begangene Ordnungswidrigkeit nicht vollstreckbar ist, ergibt sich häufig nur aus Umständen des Einzelfalls.
Vorab sollten Sie einen Grundsatz beherzigen: Bei einem Bußgeldbescheid aus dem Ausland kann es von Anfang an sinnvoll sein, einen im Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt um Unterstützung zu bitten. Das gilt insbesondere, weil andere EU-Länder häufig weitaus höhere Geldbußen vorsehen als deutsche Behörden. Hier sind schnell einmal Forderungen von einigen hundert Euro fällig für das Überfahren einer roten Ampel oder das Überholen im Überholverbot.
Was ist bei Bußgeldbescheiden aus dem Ausland anders?
Im Inland ist die Sache klar: Mit einem Bußgeldbescheid werden Verkehrsverstöße geahndet, die im Vergleich mit einer Straftat einen geringeren Unrechtsgehalt aufweisen. Man bezeichnet sie als Ordnungswidrigkeiten.
Wer zu schnell gefahren ist, falsch geparkt hat oder bei Rot über die Ampel gefahren ist, findet meist wenig später im Postkasten einen Bescheid der Bußgeldbehörde vor. Damit kommt es in der Regel zur einer Geldbuße. Außerdem kommt es je nach Schwere des Verstoßes auch zu
- Fahrverboten
- Punkten im Flensburger Verkehrsregister.
Auch andere Länder gehen bei der die Ahndung von Verkehrsverstößen in unterschiedlicher Form vor. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen, Rotlichtverstößen oder dem Telefonieren am Steuer müssen Sie sind in vielen Ländern mit Geldbußen und/oder anderen Nebenfolgen rechnen.
Vielfach fallen diese Geldbußen dabei um einiges höher aus, als Sie es in Deutschland gewohnt sind. Einige Länder verfahren hierbei auch ganz gezielt so, dass die persönliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen bei der Festsetzung der Bußgelder eine Rolle spielen kann, wie z. B. in der Schweiz allgemein üblich.
Der Pflichtenkatalog, den das Verkehrsrecht in anderen Ländern festsetzt, kann sich von dem in Deutschland unterscheiden. Hier ergibt sich ein ernstes Risiko für ungewollte Verkehrsrechtsverstöße, wenn deutsche Autofahrer in anderen europäischen Ländern unterwegs sind.
Tipp: Andere Länder – anderes Verkehrsrecht
Informieren Sie sich vor Antritt einer grenzüberschreitenden Fahrt über mögliche abweichende Regelungen in anderen EU-Länder. Beispielsweise müssen Sie in Polen ganztägig und ganzjährig mit Licht fahren.
Müssen Sie mit einem fremdsprachigen Bußgeldbescheid rechnen?
In aller Regel müssen Sie nicht damit rechnen, in ihrem Briefkasten ein in einer fremden Sprache abgefasstes Schreiben einer ausländischen Behörde zu finden, welches Sie möglicherweise aufgrund von Sprachunterschieden zunächst nicht als Bußgeldbescheid einordnen können.
Die gegenseitige Anerkennung von Geldbußen und Geldstrafen in der Europäischen Union hat zu einem Verfahren geführt, das für ausländische Bußgeldbescheide einzuhalten ist.
Ausländische Bußgeldbehörden müssen sich an das deutsche Bundesamt für Justiz wenden, wenn es um einen Bußgeldbescheid für einen deutschen Staatsbürger geht. Die ausländischen Behörden kontaktieren diese deutsche Behörde, um eine Vollstreckung des Bußgeldbescheides in Deutschland erreichen zu können. Damit wird das Bundesamt für Justiz regelmäßig eine Art Vorprüfung über den ausländischen Bußgeldbescheid vornehmen.
Die Behörde wird eine Vollstreckung unter anderem dann ablehnen, wenn:
- die verhängte Geldbuße die sogenannte Bagatellgrenze von 70 EUR nicht erreicht.
- eine Entscheidung in einem schriftlichen Verfahren ohne Belehrung des Betroffenen zur möglichen Anfechtung sowie Anfechtungsfristen getroffen wurde.
- wenn in der Sache ein sogenanntes Abwesenheitsurteil ergangen ist, das heißt eine gerichtliche Entscheidung gefällt wurde, ohne dass der Betroffene sich mündlich im Termin zur Sache äußern konnte.
- der Betroffene wegen derselben Tat im Inland verfolgt wird und hier bereits eine verfahrensabschließende Entscheidung gefällt wurde.
- für eine Entscheidung auch die deutsche Gerichtsbarkeit zuständig ist und dabei die Vollstreckung nach deutschen Rechtsvorschriften bereits verjährt ist.
- dem Betroffenen grundsätzlich keine Möglichkeit gewährt wurde, sich gegen die entsprechenden Vorwürfe rechtlich zur Wehr zu setzen.
Hinweis: Das Bundesamt für Justiz vollstreckt nur Geldforderungen
Das Bundesamt für Justiz vollstreckt nur Geldforderungen der ausländischen Behörden. Nebenstrafen wie etwa der Führerscheinentzug gelten nur in dem Land, in dem die Tat begangen wurde. Auch erhalten Sie keine Punkte im Flensburger Zentralregisteraufgrund eines Bußgeldbescheides aus dem Ausland.
Ablauf des ausländischen Bußgeldverfahrens
In Deutschland beginnen Bußgeldverfahren in der Regel mit der Zusendung eines Anhörungsbogens. Auch bei der Vollstreckung des ausländischen Bescheides werden Sie in einem ersten Schritt einen Anhörungsbogen erhalten, wenn das Bundesamt grundsätzlich zur Bewilligung der ausländischen Vollstreckung bereit ist.
Als Betroffener haben Sie dann die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Anhörungsschreibens Stellung zur Sache zu nehmen.
Wichtig ist, dass der Betroffene bei dieser Anhörung auch ins Feld führen sollte, dass ihm beispielsweise im Ausland zu der Bußgeldsache kein rechtliches Gehör gewährt wurde.
Tipp: Rechtliches Gehör
Rechtliches Gehör heißt, dass Sie die Möglichkeit haben, zu einem strafrechtlichen Vorwurf Stellung zu nehmen und Argumente zu Ihrer Entlastung vorbringen können. Das ist ein absoluter Grundsatz in der deutschen Rechtsordnung. Ist ein Bußgeldbescheid im Ausland unter Verletzung dieses Prinzips ergangen, kann er in Deutschland grundsätzlich nicht vollstreckt werden.
Problematisch ist an dieser Regelung allerdings, dass das Bundesamt für Justiz von einem Versäumnis erfahren muss. In manchen Fällen lässt sich nicht auf den ersten Blick erkennen, dass das rechtliche Gehör verletzt wird. Es ist deshalb von großer Bedeutung, dass der Betroffene seine Möglichkeit im Anhörungsbogen nutzt, diesen Aspekt zur Sprache zu bringen. Sollten Sie sich hierbei unsicher sein, können Sie einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.
Bußgeldforderung aus dem Ausland bezahlen
Bei der Überlegung, ob Sie als deutscher Fahrer einen Bußgeldbescheid aus dem Ausland bezahlen müssen, sind folgende Überlegungen wichtig:
- In vielen Fällen kann ein Bußgeldbescheid aus dem europäischen Ausland in Deutschland vollstreckt werden. Das Bundesamt für Justiz schaltet sich in diese Vollstreckung ein. Wenn Sie also einen ausländischen Bußgeldbescheid einfach ignorieren, riskieren Sie die Vollstreckung durch eine deutsche Behörde.
- Wenn ein ausländischer Bußgeldbescheid die Bagatellgrenze von 70 EUR nicht erreicht, könnte man ihn zunächst einmal ignorieren. Allerdings müssen Sie bei der Berechnung der Bagatellgrenze neben der Hauptforderung auch mögliche Nebenforderungen wie beispielsweise Verfahrensgebühren beachten. Erreicht der Wert der Bußgeldforderung beispielsweise eine Höhe von 60 EUR und kommen Verfahrenskosten in Höhe von 11 EUR dazu, ist die Bagatellgrenze überschritten.
Das Nichtbeachten einer ausländischen Bußgeldforderung kann allerdings später einmal Folgen haben. Reisen Sie erneut mit einem Fahrzeug in das entsprechende Land ein, könnten Behörden versuchen, auch diesen unter 70 EUR liegenden Bußgeldbescheid an Ort und Stelle zu vollstrecken.
Beispielsweise könnten Fahrzeugkrallen eingesetzt werden, die in Deutschland insbesondere aus dem Steuerrecht bekannten sind, die das Fahrzeug wegen einer offenen Geldforderung festsetzen.
Hinweis: Bußgeldbescheid aus dem nichteuropäischen Ausland nicht irgnorieren
Lassen Sie Bußgeldforderungen aus dem nichteuropäischen Ausland ebenfalls nicht einfach liegen. Besteht kein Vollstreckungsabkommen mit Deutschland, so werden Geldforderungen auch nicht durch das Bundesamt für Justiz vollstreckt. Allerdings drohen Ihnen die Vollstreckungsmaßnahmen bei einer erneuten Einreise in das betreffende Land.
Unzulässige Maßnahmen ausländischer Behörden
In der Regel sollten Sie den Forderungen, die ein Bußgeldbescheid aus dem Ausland enthält, der Einfachheit halber nachkommen. Allerdings kann die Art und Weise, wie die Behörden Sie kontaktieren, bereits unrechtmäßig sein.
- Umgehung des Bundesamtes für Justiz
Es kommt gelegentlich vor, dass Behörden aus dem Ausland versuchen, die Mitwirkung des Bundesamtes für Justiz zu umgehen. Beispielsweise versuchen sie selbstständig, Geldbußen unter der Bagatellgrenze von 70 EUR von dem Betroffenen einzufordern. In diesem Fall findet der Betroffene möglicherweise tatsächlich ein fremdsprachiges Schreiben in seinem Postkasten, das er kaum verstehen oder nachvollziehen kann. Vielfach beachten Betroffene ein solches Schreiben dann einfach nicht.
Das ist allerdings nicht immer die beste Lösung. Da wie bereits beschrieben bei der Wiedereinreise in das betreffende Land erhebliche Probleme auftreten können, weil nach Auffassung der örtlichen Behörden ein vollstreckbarer Bußgeldbescheid vorliegt. In diesen Fällen können Sie sich fachkundiger Rat von einem Rechtsanwalt einholen. Der Rechtsanwalt Ihres Vertrauens wird den Kontakt zum Bundesamt für Justiz suchen, um die Sachlage zu klären.
- Vollstreckung durch ein Inkassobüro
Großen Schrecken löst unter Umständen ein Schreiben von inländischen oder europäischen Inkassobüros aus, mit denen die Vollstreckung ausländischer Bußgeldbescheide angedroht wird. Solche Vorgehensweisen ausländischer Behörden sind unzulässig. Die Vollstreckung von ausländischen Bußgeldverfahren Forderungen obliegt in Deutschland allein deutschen Behörden.
Selbst wenn das Inkassobüro auf die entsprechenden Vollstreckungsmöglichkeiten innerhalb der EU hinweist, ist es nicht zur Geltendmachung von Geldforderungen oder zu deren Einzug berechtigt. Im Zweifelsfall sollten Sie sich hier ebenfalls rechtsanwaltlicher Rat suchen.
- Halter- statt Fahrerhaftung
Besonders wichtig ist es auch, dass das deutsche Recht die reine Halterhaftung für verkehrsrechtliche Verstöße nicht anerkennt. Auch in einem solchen Fall wird das Bundesamt für Justiz ein Vollstreckungsersuchen einer ausländischen Behörde zurückweisen, sollte dieses sich ausschließlich auf die Halterhaftung berufen.
Hinweis: Unterschied zwischen Fahrerhaftung und Halterhaftung
Im deutschen Recht gilt die Fahrerhaftung. Dabei ist der Fahrer des Fahrzeuges verantwortlich für seine begangenen Ordnungswidrigkeiten. Im Ausland gilt teilweise die Halterhaftung. Dabei wird der Fahrzeughalter zur Verantwortung gezogen. Dies ist beispielsweise in Frankreich, Ungarn und den Niederlanden der Fall.
Verkehrsverstöße nach deutschem Recht sind verschuldensabhängig. Wird die Frage bei einer ausländischen Geldforderung relevant, sollten Sie das Anhörungsschreiben der deutschen Behörde nutzen, um auf diesen Umstand hinzuweisen.
Einspruch gegen Bußgeldbescheide aus dem Ausland
Da bei einer Vollstreckung von ausländischen Bußgeldbescheiden das Bundesamt für Justiz eingeschaltet wird, findet im Hinblick auf die Rechtsmittel das deutsche Verfahren Anwendung. Der Betroffene hat zunächst zwei Wochen Zeit, im Anhörungsbogen zur Sache Stellung zu nehmen.
Ein möglicher späterer Einspruch richtet sich dann nicht gegen den Bußgeldbescheid an sich, sondern gegen den sogenannten Bewilligungsbescheid, mit dem das Bundesamt für Justiz dem Vollstreckungsersuchen der ausländischen Behörde stattgibt. Gegen wen sich der Einspruch konkret richten muss, ergibt sich aus dem entsprechenden Schreiben des Bundesamtes für Justiz.
Wollen Sie als deutscher Fahrer Einspruch gegen Ihren Bußgeldbescheid aus dem Ausland einlegen, verläuft das Bußgeldverfahren so, wie es bei einem deutschen Bußgeld der Fall ist: Hilft die Behörde seinem Einspruch nicht ab, geht das Verfahren an das zuständige Amtsgericht weiter.
Vor dem Amtsgericht wird dabei nur der Bewilligungsbescheid des Bundesamtes für Justiz einer Prüfung unterzogen. Das Amtsgericht überprüft, ob dem Vollstreckungsersuchen des ausländischen Trägers ein mögliches rechtliches Hindernis entgegensteht. Die Höhe des verhängten Bußgeldes aus dem Ausland wird dabei meistens nicht geprüft.